Blick über den konfessionellen Gartenzaun: 97. Deutscher Katholikentag

Die Kirchen haben große Akzeptanzprobleme. Nötig ist der breite Dialog über Zukunftsfragen. Katholikentage sind Seismografen. Sie zeigen die inneren Spannungsfelder von Kirche. Vor allem aber wollen sie christliche „Zeitansage“ sein in die Gesellschaft hinein. Doch ist die Gesellschaft noch bereit, sich damit auseinanderzusetzen? Betrachtet man die politische Prominenz, die auf dem Katholikentag auftritt, könnten die Laien und mit ihnen die Kirchenführung ganz zufrieden sein über die Wertschätzung quer durch fast alle Parteien. Doch so ermutigend die Bilder solch kirchlicher Großereignisse auf die Teilnehmer und Veranstalter wirken mögen, soviel Richtiges und Zukunftsorientiertes dort gesagt wird, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit sieht es bei Wertschätzung und Einfluss anders aus…Religionssoziologische Studien zeigen, dass die Kirche selbst in ihren angestammten Milieus große Akzeptanzprobleme hat. In den heutigen Leitmilieus der Gesellschaft werden ihre Aktivitäten kaum mehr wahrgenommen. Das ist erstaunlich angesichts einer vielfach beschworenen „Respiritualisierung“. Die Kirchen können nur in sehr geringem Umfang davon profitieren, denn es handelt sich vor allem um eine Religiosität, die außerhalb von ihnen – gleichsam unbehaust – entsteht.

Das Christentum droht so seinen verbindlichen Ort in der Lebenswelt zu verlieren. Mehr noch: Religionskritiker agieren zunehmend aggressiv und wenden sich, nun selbst organisiert, gegen die gesellschaftliche Stellung der Kirchen, die sie als privilegiert anprangern. Der Religionsphilosoph Eugen Biser spricht von der „Eskalation des Atheismus“. Doch auch die Zahl derer, die „an Gott glauben“ und jener, die zum Gottesdienst in die Kirche gehen, deckt sich längst nicht mehr. Nur etwa jeder zehnte Katholik in diesem Land folgt der Sonntagspflicht.

Die Kirchen stehen relativ ratlos vor dieser Entwicklung. Nicht zuletzt deshalb stoßen Untersuchungen aus dem Marketing auf lebhafte Resonanz, da sie die Sehnsucht nach Spiritualität besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen belegen. Auch hier laufen die Dinge nicht automatisch auf die Kirche zu. So hat die junge unkonventionelle Leistungselite (eine Studie nennt sie „Moderne Performer“) nichts gegen die Kirche. Aber sie steht weder in regelmäßigem Kontakt zu ihr noch hat sie eine Vorstellung, wie Kirche sich entwickeln könnte und sollte.

Nach der von Religionssoziologen in den USA entwickelten „Theorie der rationalen Entscheidung“ geht Säkularisierung mit zunehmender Pluralisierung einher. Diese führt aber nicht zu einer allgemeinen Schwächung religiöser Bedürfnisse, sondern im Gegenteil zu mehr religiöser Vitalität in der Gesellschaft. Entscheidend bei diesem Modell ist, dass es vor allem um das „Angebot“ in der Gemeinde geht. Deren soziale Aktivität und spirituelle Ausstrahlung ist die Basis für den Erfolg gegenüber der „Nachfrage“.

Die deutschen Diözesen haben in den vergangenen Jahren, herausgefordert durch Mitgliederschwund und das Abschmelzen finanzieller Ressourcen, ihre Strukturen in den Blick genommen. Umbau hieß die Losung. Gemeinden fusionierten, Verbünde und andere kooperative Formen entstanden. Im Kern ist es der Priestermangel, der zu diesen weit reichenden Veränderungen zwingt. Pastorale Planung orientiert sich weithin an Zahl und Alter des Klerus.

Der Umbau aber wird vielerorts als Abbau empfunden – auch von durchaus engagierten Kirchenmitgliedern. Verunsicherung macht sich breit, wo die Gläubigen dieser Radikalkur nicht mehr folgen können oder wollen. Natürlich gibt es keinen Weg mehr zurück in stabile volkskirchliche Milieus. Das eigentliche Problem ist, dass zwar die Strukturen verändert worden sind, die Suche nach den pastoralen Konzepten, die die Chancen der Veränderung auch voll umsetzen könnten, aber erst begonnen hat.

In dieser Situation ist ein Dialog innerhalb der Kirche über diese Fragen unverzichtbar. Führende Vertreter des deutschen Laienkatholizismus wollen ein „Zukunftsgespräch der Katholiken in Deutschland“ anstoßen. Das ist zu begrüßen. Ein solches Zukunftsgespräch sollte sich nicht an den innerkirchlichen Reizthemen abarbeiten. Es sollte vielmehr darum gehen, Wege zu finden, wie die christliche Botschaft auch unter veränderten Bedingungen in der Gesellschaft Wirkung entfaltet und wie Kirche den Menschen in ihren Lebenswelten nahe sein kann. Dazu gehört, dass Christen in der Politik kirchliche Rückenstärkung erfahren, dass Ehe und Familie offensiv thematisiert werden, dass angstfreie Verkündigung in fremden Milieus möglich ist.

Die Laien haben Ohr und Hand am Puls der Zeit, ohne deshalb gleich dem Zeitgeist zu verfallen. Nicht zuletzt an ihnen liegt es, die neuen pastoralen Räume mit Engagement und Leben zu füllen. Sie verdienen Vertrauen.

(C) Rheinischer Merkur, 22.05.2008, Autor: RUDOLF ZEWELL

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Auf WELT ONLINE erklärt ein ranghoher Bischof (Franz-Josef Bode) seine Sicht der Dinge – unter dem Thema: “ Wo jeder noch ohne Widerspruch religiös sein darf.“
Bode ist als Bischof des Bistums Osnabrück der Gastgeber des am Mittwoch eröffneten 97. Deutschen Katholikentags. Zu dem Glaubens-Event werden rund 30.000 Teilnehmerinnen und Teinhemer erwartet. Die Veranstaltenden wollen diesmal besonders Jugendliche ansprechen…