Nur der Fromme predigt fromm: Dieser Satz soll am Anfang meiner Überlegungen und Eindrücke stehen. Was wie eine Tautologie klingt, also ähnlich wie »Nur der Schnelle läuft schnell« oder »Nur der Kluge redet klug«, ist vielleicht keine. Wir werden sehen. Die mich leitende Frage lautet: Was soll die Predigt, was kann die Predigt? Und eine erste, annähernde Antwort heißt: Der Prediger soll ein authentisches Zeugnis abgeben für den Glauben an Gott und Jesus Christus…
…Doch zunächst ein paar Vorbemerkungen.
Ich bin nun seit etwa 20 Jahren im Journalismus. […] Im Laufe dieser Zeit habe ich Tausende Texte gelesen, gute wie schlechte. Und die Frage hieß stets: Was ist der Unterschied? Was macht einen guten Text aus? […]
Zwischenhinweis:
Malte Lehming ist leitender Redakteur des TAGESSPIEGELS in Berlin. Sein Beitrag unter dem Originaltitel »Gedanken zur Predigt« ist (auszugsweise und ausdrücklich auf die anforderbare Quelle hinweisend) entnommen der EPD-Dokumentation Nr. 18/2008 »Kirche im Aufbruch. Von anderen lernen – Workshop zur Qualitätsentwicklung von Gottesdiensten«. Dieser EKD-Workshop fand im Februar 2008 in Hannover statt und ist vollständig dokumentiert. Empfehlenswert: Die Lektüre des ganzen Heftes – zum Preis von 4,60 € erhältlich bei: Ev. Pressedienst vertrieb@gep.de.
Der unbeteiligte Autor
Doch recht oft […] wird über das Leid von Drogenabhängigen geschrieben, aber der Autor hat nicht gelitten, seine Sprache signalisiert Distanz. Natürlich gibt es Distanz auch als bewusst eingesetztes Stilmittel, sprachliche Unterkühlung kann durchaus Gänsehaut verursachen. […]
Unfassbares wird nur durch Vermittlung fassbar
[…] In der Predigt soll in menschlicher Sprache das Wort Gottes verkündet werden. Insofern ist sie eine Art Übersetzung. Aber es ist eine Übersetzung des Unfassbaren, des Wunders, des großen Geheimnisses, vieler Rätsel. Wie lässt sich Unfassbares übersetzen? Nur, indem es den Predigenden erfasst und durch ihn fassbar gemacht wird. So wie der Reporter möglichst unvoreingenommen zum ersten Mal auf seinen Gegenstand trifft und diesen auf sich wirken lässt, so stelle ich mir die Auseinandersetzung des Predigers mit seinem Text vor. Irgendwie geht es in der Predigt ja jedes Mal um dasselbe – und trotzdem ist sie immer wieder ein Wagnis. Wie beim Reportageschreiben: Die Professionalität erweist sich darin, nicht abgebrüht zu werden, sondern sich seine Neugier und Naivität zu bewahren.
Ich sehne mich nach Ruhe im Kopf
[…] Wenn ich einer Predigt zuhöre, möchte ich, dass Ruhe in meinen Kopf einkehrt, eine Ruhe, die mich das Wort Gottes wieder neu hören lässt. Die Predigt soll sich nicht einfügen lassen in den allgemeinen Melodiensound.
Auf vier Dinge reagiere ich daher etwas allergisch, man könnte sie die vier Versuchungen des Predigers nennen: Vier Allergien = vier Versuchungen…
Versuchung Nr. 1: die Originalität.
Sprachgewalt und Assoziationskraft dürfen die Botschaft nicht erdrücken. Sie sind nie Selbstzweck, sondern dienen allein der besseren Verkündigung des Evangeliums.
Versuchung Nr. 2: die Intellektualität.
[…] Sie (die historisch-kritischen Bibelexegese; Red.) öffnet einen […] Verständnishorizont der Heiligen Schrift. Aber die Historie der Bibelentstehung ist niemals interessanter als die Bibel selbst. […]
Versuchung Nr. 3: die Aktualität.
[…] Der Neigung, jede tagespolitisch aktuelle Kuh – um eine gewagte Metapher zu gebrauchen – auch theologisch durchs Dorf treiben zu wollen (das Bild ist nun wahrlich schief, aber die Sache verständlich), sollte der Prediger nicht zu oft nachgeben. Es macht ihn eher angreifbar. […]
Versuchung Nr. 4: die Utilität, die Betonung des Gebrauchswertes von Glauben, seiner Nützlichkeit.
Das ist ein altes Thema, amüsant beschrieben bereits von Egon Friedell in seinem Buch »Aufklärung und Revolution«. Darin schreibt er über den missglückten Versuch des 17. Jahrhunderts, eine durch Aufklärung gereinigte Theologie an den Mann und die Frau zu bringen:
»Besonders im evangelischen Gottesdienst war die ›nützliche Auslegung‹ der Heiligen Schrift sehr beliebt: Man predigte anlässlich der Krippe über den Nutzen der Stallfütterung, beim Ostergang der Frauen zum Grabe über die Vorteile des Frühaufstehens, beim Einzug Jesu in Jerusalem über die Bedenklichkeit der Holzvergeudung durch Abschneiden frischer Zweige.«
[…] ausgestorben ist dieser Hang der Bibelausleger nicht. Wer glaubt, wird auch belohnt: Diese Botschaft wird bis heute verbreitet. Dass wer glaubt, um Gottes Willen glaubt, gerät als Botschaft mitunter in Vergessenheit. […]
Wie gesagt: Malte Lehming ist leitender Redakteur des TAGESSPIEGELS in Berlin. Sein Beitrag unter dem Originaltitel »Gedanken zur Predigt« ist (auszugsweise und ausdrücklich auf die anforderbare Quelle hinweisend) entnommen der EPD-Dokumentation Nr. 18/2008 »Kirche im Aufbruch. Von anderen lernen – Workshop zur Qualitätsentwicklung von Gottesdiensten«. Dieser EKD-Workshop fand im Februar 2008 in Hannover statt und ist vollständig dokumentiert. Empfehlenswert: Die Lektüre des ganzen Heftes – zum Preis von 4,60 € erhältlich bei: Ev. Pressedienst vertrieb@gep.de.