(epd) – Die evangelische Kirche will sich weiter vernehmlich in die gesellschaftspolitischen Debatten einmischen. Um Menschen mit kirchlichen Botschaften zu erreichen, müssten die Möglichkeiten der Medien intensiver genutzt werden, heißt es in einer neuen Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die der Ratsvorsitzende Wolfgang Huber am Dienstag in Berlin vorstellte. Zugleich will die Kirche nicht von der bewährten Form ihrer Denkschriften Abschied nehmen. Diese eher sperrigen Texte dürften nicht der medialen Vermarktung geopfert werden… …Allerdings müssten sie innerkirchlich und in der Öffentlichkeit leicht verständlich präsentiert werden. Die neue Denkschrift, die sich mit dem Öffentlichkeitsauftrag der Kirche befasst, trägt den Titel «Das rechte Wort zur rechten Zeit» und wurde unter der Leitung des Heidelberger Theologen Wilfried Härle erarbeitet.
Huber sagte, die Denkschrift rate der Kirche, von den Medien Gebrauch zu machen, sich aber nicht deren Mechanismen zu unterwerfen. Es gebe Themen, zu denen sich auch Kirchenvertreter kurz und mediengerecht äußern könnten, es gebe aber auch Themen, die dies unmöglich machten.
In der Denkschrift heißt es, die Kirche nehme durch Stellungnahmen und fundierte Äußerungen wie Denkschriften ihre Mitverantwortung für das Gemeinwesen wahr. Das Evangelium habe «kulturelle, soziale und politische Kraft», stellen die Autoren fest. «Die Kirche Jesu Christi hat die Aufgabe, Verkündigung des Evangeliums, ethische Orientierung und entsprechende Praxis miteinander zu verbinden – in Wort und Tat.»
Die pluralistische Gesellschaft wird ausdrücklich bejaht. Die Kirche müsse mit ihren Äußerungen, wenn es nötig sei, Partei ergreifen. Umgekehrt müsse man in den Reaktionen auf kirchliche Äußerungen «Zuspitzungen akzeptieren und respektieren», sagte Huber. Sie böten häufig Gelegenheit, Zusammenhänge zu erläutern und Vergessenes in Erinnerung zu rufen.
Die Denkschrift empfiehlt, neue Formen der medialen Vermittlung zu nutzen. Seit der letzten Verständigung über den kirchlichen Öffentlichkeitsauftrag in den 70er Jahren habe sich die Medienlandschaft fundamental verändert. «Unsere Gesellschaft braucht das Wort der Kirche», erklärte der Bundesvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, Thomas Rachel. Wenn die Kirche zu Zeitfragen wie Menschenwürde, Feiertagskultur oder Schutz von Ehe und Familie Position beziehe, profitiere davon die Gesellschaft.
Die Aufgabe der Denkschriften bleibe es, «Denkanstöße» zu geben. Härle räumte aber ein, dass die kirchlichen Denkschriften nur einen kleinen Kreis erreichen. «Allerdings ist das ein wichtiger Kreis», sagte der Theologe und Vorsitzende der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD. Künftig soll jeder Denkschrift ein Kommunikationskonzept beigefügt werden, um sie innerkirchlich und öffentlich besser präsentieren zu können. Die Denkschrift selbst soll durch kurze, möglichst bebilderte Texte ergänzt werden, ihre öffentliche Präsentation mit Ereignissen oder bekannten Personen verbunden werden.
Die EKD hat sich seit den 60er Jahren immer wieder mit Denkschriften in die politische Debatte eingemischt. Eine der bekanntesten ist die so genannte Ost-Denkschrift aus dem Jahr 1965, die den Boden für die Entspannungspolitik bereitete. Es folgten unter anderem die
Demokratie-Denkschrift von 1985, die Friedensdenkschriften von 1981 und 2007 sowie das evangelisch-katholische Sozialwort von 1997.
Die Denkschriften werden vorbereitet von Beratungsgremien, denen Wissenschaftler, Politiker, Theologen und Laien angehören. Die erste Denkschrift der EKD erschien 1962 und behandelte das Thema «Eigentumsbildung in sozialer Verantwortung». In der jüngsten Denkschrift vom Juli ging es um die Verantwortung und die Verdienste von Unternehmern.
Gleiches Thema in PDF-Version:
Das rechte Wort zur rechten Zeit. Eine Denkschrift des Rates der EKD zum Öffentlichkeitsauftrag der Kirche, 2008, Hrsg. Gütersloher Verlagshaus, ISBN 978-3-579-05906-8. PDF-Version direkt HIER >>