Soziologe: Weihnachten ohne Konsum nicht vorstellbar. Von Martin Meuthen (epd – 29.09.2008). Jedes Jahr das gleiche Ritual, jedes Jahr der gleiche Streit: Wenn die Sommerferien vorbei sind und die ersten Lebkuchen in den Supermarktregalen stehen, freut sich der Einzelhandel über die für ihn umsatzstärkste Zeit des Jahres, während sich die Kirchen ärgern. «Alles hat seine Zeit – Advent ist im Dezember» lautet eine Initiative der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), mit der sie alljährlich den frühen Adventsrummel kritisiert. «Ich bin keine Spaßverderberin», sagte die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann beim Start der diesjährigen Kampagne am Montag in Hannover. Sie wehre sich jedoch gegen eine «Winter-Wohlfühl-Weihnachtszeit» von August bis Januar, … …betonte die Initiatorin der Aktion. «Es ist noch lange hin bis zum Advent», mahnte Käßmann. Das Christfest werde völlig kommerzialisiert und inhaltsleer.
«Da sind wir längst schon angelangt», bestätigt der Berliner Soziologe Kai-Uwe Hellmann. «Das religiöse Moment ist entschwunden bei vielen Menschen während des Festes.» In der kirchlichen Kampagne sieht er eine Verteidigungsstrategie: «Die Kirchen fühlen sich seit dem 19. Jahrhundert immer stärker in der Defensive», so Hellmann. Weihnachten sei aber nicht alleiniges Besitztum der Kirchen.
Für Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), stehen Konsum und christliches Weihnachtsfest nicht im Widerspruch. «Die Nachfrage ist da und kollidiert nicht mit dem christlichen Kalender», sagt Pellengahr. «Es gibt eine ganz eindeutige und gezielte Nachfrage nach Produkten und Lebkuchen, auch schon im August.» Weihnachtstypische Artikel wie Nikoläuse und Adventskalender kämen erst Ende Oktober in die Läden.
«Lebkuchen und Süßwaren zur Weihnachtszeit sind keine sakralen, sondern saisonale Produkte», so der Einzelhandelssprecher. Eine kürzere Verkaufszeit sei auch «logistisch überhaupt nicht zu machen». Nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Süßwaren Industrie wurden 2007 alleine 2.400 Tonnen Schokolade in über 32 Millionen Adventskalender für den deutschen Markt gefüllt.
«Der Konsum hält auch das Weihnachtsgedenken lebendig», sagt Pellengahr. Für den Wirtschaftssoziologen Hellmann ist Weinachten ohne Konsum ebenfalls nicht vorstellbar. «Auch wenn Sie nur kleine Geschenke machen, auch wenn Sie nur ein kleines festliches Mahl zubereiten, ist es gleichwohl Konsum», sagt der Wissenschaftler.
Die evangelische Kirche will mit ihrer Aktion «Advent ist im Dezember» vor allem erreichen, dass die Adventszeit nicht durch den immer früheren Start an Bedeutung verliert. «Im Grunde wird der Inhalt der Adventszeit auf den Kopf gestellt», kritisiert Käßmann. «Es ist absurd, wenn es vor dem vierten Advent in den Geschäften schon keinen Spekulatius mehr gibt», so die Bischöfin.
Mit Großplakaten, auf denen an einem Zweig neben einem reifen Apfel eine rote Christbaumkugel hängt, will die Kirche dafür werben, dass die Adventszeit wieder zur rechten Zeit gefeiert wird. Die im Jahr 2001 gestartete Kampagne habe bereits viel erreicht, bilanziert Käßmann. «Die Sensibilität für dieses Thema ist gestiegen, und viele haben ihr Kaufverhalten verändert», so die Bischöfin.