(epd v. 13.12.2008) – Das Christentum breitet sich derzeit weltweit intensiver aus als je zuvor. Auf diese Beobachtung von Religionsstatistikern hat der Soziologieprofessor Hans Joas bei einem Vortrag an der Universität Tübingen hingewiesen. Schätzungen zufolge nehme allein in Afrika die Zahl der Christen täglich um 23.000 zu. Die Frage, ob das Christentum überleben werde, ist nach Joas‘ Überzeugung deshalb im weltweiten Maßstab «geradezu absurd». Auch die Prognose, nach dem Ende des Kolonialismus würden sich die in die Unabhängigkeit entlassenen Länder vom Christentum abwenden, habe sich nicht bestätigt: «Das Gegenteil ist eingetreten.» Inzwischen sei beispielsweise fast jeder zweite Afrikaner Christ. Zum starken Wachstum des Christentums… …trügen auch die hohen Geburtenraten in christlichen Ländern wie Brasilien, den Philippinen oder Uganda bei. Von den weltweit 6,7 Milliarden Menschen gehören über 2,1 Milliarden einer Kirche an.
Die vor allem unter Christen verbreitete Ansicht, wer der Kirche den Rücken zukehre, wende sich anderen religiösen Formen wie Esoterik, Spiritismus oder Zen-Meditation zu, hält Joas für unbegründet. Zwar gebe es neben den Weltreligionen eine große Zahl religiöser Formen, doch hätten diese nicht viele Anhänger. «Diese Szene wird überschätzt; das gilt vor allem für Europa», sagte Joas.
Für widerlegt hält der Soziologe die These, dass mit der Modernisierung einer Gesellschaft auch notwendigerweise ein Abschied von der Religion einhergehe. Länder wie die USA oder Südkorea zeigten, dass Wirtschaftswachstum und technisch-wissenschaftlicher Fortschritt sogar von einer zunehmenden Religiosität begleitet sein könnten.
Joas sprach auf Einladung der Stiftung «Gottesbeziehung in Familien», die von den Tübinger Religionspädagogen Albert Biesinger (katholisch) und Friedrich Schweitzer (evangelisch) sowie der österreichischen katholischen Religionspädagogin Helga Kohler-Spiegel geleitet wird. Den Stiftungsvortrag im kommenden Jahr wird die hannoversche evangelische Landesbischöfin Margot Käßmann halten.