Die Situation im Gazastreifen scheint verfahren. Warum es doch noch eine Chance auf Frieden gibt – eine winzige.

Raketen auf südisraelische Städte, Bomben auf Gaza, hunderte von Toten, tausende von Verletzten – die Bilder aus dem Nahen Osten machen hilflos und wütend. Hilflos, weil es so schwer ist, die Gewalt zu beenden. Wütend, weil beiden Parteien die Opfer dieses Krieges gleichgültig zu sein scheinen. Fast 42 Jahre nach der Besetzung der Palästinensergebiete ist der Konflikt so verfahren, dass keine Lösung in Aussicht scheint. Die Fronten auf beiden Seiten sind verhärtet. Eine UN-Resolution, die sofortige Waffenruhe forderte, wurde von Israel als auch von der Hamas ignoriert. Kein israelischer Politiker…  …wird es hinnehmen, dass dauerhaft Raketen die Städte und das Leben der Bürger bedrohen, so wie es im Süden Israels geschieht. Die Israelis fordern deshalb ein Ende aller Raketenangriffe aus dem Gazastreifen und ein Ende des Waffenschmuggels durch die Tunnel. Die ägyptische Grenze zum Gazastreifen soll international kontrolliert und ein Wiederaufbau der Hamas-Truppen unterbunden werden. Bei der Kontrolle der Grenze und der etwa 400 Tunnel, die bei Rafah die Grenze durchlöchern, hat Außenminister Steinmeier Ägypten Hilfe zugesagt.

Gazastreifen wurde zum Aufmarschgebiet der Radikalen

Angesichts der humanitären Tragödie in Gaza darf deren Ursache nicht vergessen werden. Vor drei Jahren hatte sich die israelische Armee aus dem Gaza-Streifen zurückgezogen. Das war – wie im Westjordanland – eine Chance auf palästinensische Selbstbestimmung. Tatsächlich aber wurde der Gazastreifen zum Aufmarschgebiet der Radikalen. Es war die Hamas, die den Waffenstillstand für beendet erklärte und den Beschuss Südisraels mit Raketen wieder aufnahm. Die israelische Regierung fordert zu Recht, die unterirdische Versorgung der Hamas-Kämpfer mit Waffen zu unterbinden.

Fest in der palästinensischen Bevölkerung verankert

Aber auch Israel muss seine Politik ändern, die unverhältnismäßige Militäroffensive, die unter der Zivilbevölkerung viele Opfer gefordert hat, sofort beenden und unter internationaler Vermittlung den Dialog aufnehmen. In der Vergangenheit hat auch die israelische Politik und ihre Militärstrategie zu dem immer wieder ausbrechenden Hass der Palästinenser, ihrer Wut und Verzweiflung, beigetragen. Die Errichtung neuer Siedlungen, der Bau der Mauer, die demütigenden Kontrollen an den Übergängen haben diese Stimmung geschürt. Vor allem war es das Fehlen jeglicher Perspektive, das junge Palästinenser auf die Seiten der radikalen Hamas zog. Inzwischen ist die Bewegung so fest in der palästinensischen Bevölkerung verankert, dass sie sich auch nicht wegbomben lassen wird.

Jedes Opfer macht die Hamas stärker

Mehr Sicherheit für Israel wird dieser Krieg für Israel also kaum bringen. Im Gegenteil: Jedes Opfer, das auf Seiten der Palästinenser zu beklagen ist, wird die Hamas oder deren Nachfolger stärker machen. Je verzweifelter die Lage der Menschen im Gazastreifen ist, desto mehr werden die Palästinenser diejenigen bejubeln, die Israel bekämpfen. Es wird noch eine ganze Zeit dauern, bis nach diesem blutigen Krieg wieder ein Friedensprozess in Gang kommen kann. Niemand weiß, ob die Kräfte der Verständigung auf palästinensischer Seite noch einmal stark genug für den Beginn eines solchen Prozesses sein werden. Denn die Palästinenser sind tief gespalten – zwischen Hamas, die Israels Existenzrecht bestreitet, und der zum großen Teil korrupten Fatah, die nicht genügend Rückhalt im Volk hat. Auch auf israelischer Seite sind unversöhnliche Radikale das größte Problem – vor allem viele der 200 000 Siedler, die weiter fortfahren, in der Westbank Siedlungen zu bauen.

Frieden entsteht niemals durch Macht und Gewalt

Ohne Hilfe der USA und der Europäischen Union werden die Konfliktparteien also nicht in der Lage sein, aufeinander zuzugehen. Eine wichtige Funktion wird dabei Präsident Obama zukommen, der versuchen muss, Amerika wieder als ehrlichen Vermittler im Nahen Osten zu etablieren. Es ist alle Anstrengung wert, noch einmal an einer Zweistaatenlösung zu arbeiten. Israel muss den Siedlungsbau stoppen, und die Palästinenser dürfen nicht länger das Existenzrecht Israels bestreiten. Frieden entsteht niemals durch Macht und Gewalt. Frieden entsteht durch Menschen, die auch im Gegner den Menschen sehen, den Gott so liebt wie sie. Solche Menschen gibt es erfreulicherweise auf beiden Seiten. Es gibt Israelis, die gegen den Krieg demonstrieren, und Palästinenser, die offen sagen, dass die Gewaltpolitik der Hamas ein Unglück für alle ist.

Ein Ort, an dem Frieden und Versöhnung wachsen können

Dem Frieden dienen wollen auch jene israelischen Ärzte, die in den Palästinensergebieten Kranke versorgen. Oder eine Organisation von Rabbinern, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzt. Auch die Begegnungsstätte „Abrahams Herberge“, die von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Beit Jala gebaut wurde, damit Juden, Christen und Muslime ins Gespräch miteinander kommen können, ist ein Ort, an dem Frieden und Versöhnung wachsen können. Menschen, die sich dort treffen, überschreiten Grenzen. Sie gehen aufeinander zu trotz aller schmerzlichen Erfahrungen. Solche Menschen machen Mut, weiterhin an den Frieden zu glauben, der allein den Menschen im Heiligen Land eine gemeinsame Zukunft ermöglichen wird.

Wolfgang Riewe für UK (14.01.2009)