Köhler fordert zur Solidarität mit jüdischen Mitbürgern auf

koe-jm-2009(epd v. 27.09.2009) – Bundespräsident Horst Köhler hat die Deutschen zur Solidarität mit ihren jüdischen Mitbürgern aufgefordert. «Wer sie angreift, greift uns alle an», sagte Köhler bei der Feierstunde des Bundestages zum Holocaust-Gedenktag am Dienstag in Berlin. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bezeichnete den Holocaust als immer währende Warnung, nicht zu schweigen, wenn «Menschen Opfer insbesondere von ideologisch motivierter Gewalt werden». Der Zentralrat der Juden in Deutschland boykottierte die Gedenkfeier. Die Zentralrats-Präsidenten, die bisher alle Überlebende des Holocaust… …waren, seien nie offiziell vom Bundestagspräsidenten begrüßt worden, kritisierte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer. Daher habe das Präsidium in diesem Jahr andere Termine anlässlich des Gedenktages wahrgenommen.

Köhler ging in seiner Rede nicht auf die Absage des Zentralrats ein. Es sei ein Geschenk, dass in Deutschland wieder jüdisches Leben erblühe, sagte der Bundespräsident. Dass aber Orte jüdischen Lebens von der Polizei vor «alten und neuen Extremisten» geschützt werden müssten, sei eine Schande. Köhler erinnerte daran, dass die Naziverbrechen ohne Mittäter, Mitläufer und «die vielen, die wegschauten und schwiegen», nicht möglich gewesen wären.

Die Verantwortung aus der Schoah sei ein Teil der deutschen Identität, sagte Köhler weiter. Die Trauer über die Opfer, die Scham über die furchtbaren Taten und der Wille zur Aussöhnung mit dem jüdischen Volk und den Kriegsgegnern von einst führten zu den «Wurzeln unserer Republik». Der erste Artikel des Grundgesetzes, «die Würde des Menschen ist unantastbar», sei die Antwort auf die Erfahrung der Hitler-Diktatur.

Köhler mahnte, die Erinnerung an den Holocaust aufrecht zu erhalten. Wer sich der Vergangenheit nicht stelle, dem fehle das Fundament für die Zukunft. Es gebe bereits viele gute Erinnerungsprojekte in Deutschland. Er hoffe, dass diese Nachahmer und Nachfolger fänden, sagte Köhler. Kritisch merkte der Bundespräsident an, dass es mit dem Geschichtswissen «bei unseren jungen Leuten nicht zum Besten steht».

Zugleich erinnerte er dran, dass «Deutschland mit seiner Geschichte» in besonderer Verantwortung für Israel stehe. Die Deutschland wollten, dass die Bürger Israels in sicheren Grenzen frei von Angst und Gewalt leben könnten. Zugleich wolle Deutschland, dass das palästinensische Volk in einem eigenen lebensfähigen Staat seine Zukunft finden könne.

Erinnerung lebe von der Unmittelbarkeit und Authentizität der Eindrücke, sagte Bundestagspräsident Lammert weiter. Der Friedensnobelpreisträger und Holocaust-Überlebende Elie Wiesel habe einmal daran erinnert, dass jeder, der einem Zeitzeugen zuhöre, selbst zu einem Zeitzeugen werde.

Er verstehe diese Worte als Appell und Verpflichtung, «gut zuzuhören», sagte Lammert. «Als Zeugen geben wir die Lehren, die wir aus unserer Geschichte gezogen haben, an die nächste Generation weiter.» Am Holocaust-Gedenktag werde der verfolgten und ermordeten Juden, Roma und Sinti, Zwangsarbeiter, Homosexuellen, politischen Gefangenen, Kranken und Behinderten und aller «zu Feinden des Nationalsozialismus erklärten Menschen» gedacht.

An der Gedenkstunde im Bundestag nahmen neben den Bundestagsabgeordneten auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesratspräsident Peter Müller (CDU) und Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier teil. Abiturientinnen der Berliner Sophie-Scholl-Oberschule lasen Auszüge aus dem Buch «Kinder über den Holocaust. Frühe Zeugnisse 1944-1948» vor.

Deutschland erinnert seit 1996 zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 an die NS-Opfer. Der Gedenktag geht auf eine Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog zurück. 2005 erklärten die VereinteNationen den Tag zum weltweiten Holocaust-Gedenktag.