Damit es im Schulsystem zu erfolgreicher Kompetenzvermittlung kommt, müssen alle Beteiligten für ihre Aufgaben motiviert sein – Schülerinnen und Schüler zum Lernen und Lehrerinnen und Lehrer zum Lehren. Darum sind Anreize so wichtig: Wenn es sich lohnt, sich beim Lernen und Lehren anzustrengen, dann wird es auch dazu kommen. Dazu ist es wichtig zu wissen, dass gute Bildung etwas bringt. Das motiviert Lehrer, aber vor allem auch Schüler. Die Fakten sind eindeutig: Mit einem besseren Bildungsabschluss sinkt das Arbeitslosigkeitsrisiko und steigt das Einkommen. Von 100 Personen ohne Schulabschluss… …sind hierzulande knapp 30 arbeitslos, von 100 Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung dagegen nur sieben, mit Hochschulabschluss sogar nur fünf. Eine gute Bildung ist die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit.
Wem an einer ausgeglichenen Gesellschaft gelegen ist, muss sich darum kümmern, dass alle die gleichen Chancen auf gute Bildung bekommen. Und auch für die Entwicklung der Volkswirtschaft insgesamt lohnt sich bessere Bildung: Neuere Studien belegen, dass unser langfristiges volkswirtschaftliches Wachstum um die Hälfte ansteigen würde, wenn wir aus dem Pisa-Mittelfeld zu den Spitzenreitern aufschlössen.
Diese Fakten sollten für jemanden, der an seine eigene Zukunft denkt, genauso Motivation genug sein wie für jemanden, der an die Zukunftschancen unserer Gesellschaft denkt. Deshalb sollten wir auf diese fundamentale Bedeutung guter Bildung immer wieder hinweisen und gerade auch in bildungsfernen Schichten keinen Zweifel daran lassen, dass Bildung der entscheidende Schlüssel zu einer erfolgreichen Zukunft ist. Personen des öffentlichen Interesses sollten sich weniger damit brüsten, wenn aus ihnen trotz schwacher Noten etwas geworden ist – denn damit sind sie die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Stattdessen müssten wir öfter hören, wie viel mehr sie noch hätten erreichen können, wenn sie noch mehr gelernt hätten!
Damit sich die Qualität unseres Bildungssystems verbessert, müssen auch dort die Anreize so gesetzt sein, dass sich die Anstrengung lohnt. Analysen der internationalen Pisa-Vergleiche zeigen, dass dafür vor allem drei Dinge wichtig sind: externe Leistungsüberprüfung, mehr Selbstständigkeit für Schulen und Lehrer und mehr Wettbewerb unter den Schulen. Sowohl der Bundesländer- als auch der internationale Vergleich belegen, dass Schülerleistungen dort wesentlich besser sind, wo es externe Prüfungen der verschiedenen Abschlüsse wie das Zentralabitur gibt.
Prüfungen auslagern
Noten des Abschlusszeugnisses haben für potenzielle Arbeitgeber eine wesentlich größere Aussagekraft über die tatsächlichen Leistungen eines Bewerbers, wenn sie durch externe Prüfungen Vergleichbarkeit aufweisen. So wird ein Lehrmeister in einem Bundesland, in dem externe Prüfungen einen klaren Maßstab setzen, einer Zwei in Mathe auf dem Realschulzeugnis eines Bewerbers viel mehr Bedeutung zumessen als in einem Bundesland ohne externe Prüfungen. Dort weiß er nämlich nicht, ob die Zwei durch gute Leistungen des Schülers oder durch niedrige Standards des Lehrers zustande gekommen ist. Das weiß aber auch der Schüler: Bei externen Prüfungen lohnt es sich viel mehr, sich für gute Noten anzustrengen, denn sie werden später Konsequenzen haben. Das motiviert.
Externe Prüfungen motivieren auch die Lehrer. Sie eröffnen auch Eltern und Schulleitern, ob Lehrer eine erfolgreiche Wissensvermittlung leisten. Damit entstehen auch für die Lehrer verstärkte Anreize, den Schülern viel des erwarteten Stoffes beizubringen. So machen externe Prüfungen alle Beteiligten für das Erreichte verantwortlich. Darüber hinaus machen sie den Lehrer vom „Richter“ eher zum „Coach“, der nicht gegen, sondern mit seinen Schülern zusammenarbeitet. Das kann das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern wesentlich verbessern. Politisch gesehen sollten deshalb die derzeit entstehenden nationalen Bildungsstandards schleunigst durch nationale Prüfungsbestandteile ergänzt werden.
Die vergleichende Prüfung der Bundesländer löst weitere Anreizwirkungen aus: Im neuesten Pisa-Bundesländervergleich haben sich die Schlusslichter – Bremen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg – am meisten verbessert, während sich die Spitzenreiter eher auf ihren Lorbeeren ausgeruht haben. Die Schlusslichter haben mehr als die Hälfte ihres Rückstandes aufgeholt. Auch Kultusminister reagieren auf Anreize.
Ein weiterer zentraler Aspekt für die Motivation von Lehrern und Schulleitern besteht darin, dass sie selbstständiger entscheiden dürfen. Die internationalen Leistungsvergleiche belegen, dass – solange externe Prüfungen die richtigen Anreize setzen – die Schüler dort signifikant mehr lernen, wo Lehrer und Schulen mehr Selbstständigkeit haben. Vor allem in Personalfragen und in Fragen des Tagesgeschäfts benötigen die Schulen viel mehr Freiheit.
So ist die planwirtschaftlich organisierte Zuweisung von Lehrern auf die öffentlichen Schulen durch Schulbehörden ein Anachronismus, der die Schulen in Deutschland darin behindert, das Beste aus dem Potenzial ihrer Schüler herauszuholen. Außerdem sollten Schulen und Lehrer selbst darüber entscheiden können, wie sie das ihnen zustehende Budget verwenden wollen. Dort, wo Schulen selber über den Einkauf von Materialien entscheiden und Lehrer die Ressourcenanschaffung beeinflussen können, lernen Schüler mehr. Es motiviert, wenn man als Fachmann für die Kompetenzvermittlung angesehen wird und echte Verantwortung übertragen bekommt. Schließlich erweist sich Wettbewerb der Schulen um die besten Ideen, der durch größere Wahlmöglichkeiten der Eltern entsteht, als ein entscheidender Motivator. Müssen die Schulen um die Gunst der Eltern konkurrieren, dann können diese die aus ihrer Sicht beste Alternative wählen, und schlechte Schulen verlieren ihre Schüler.
Dies ist besonders dann der Fall, wenn es viele Schulen in freier Trägerschaft gibt. Das Paradebeispiel dafür sind die Niederlande: Drei Viertel der Schüler gehen dort auf privat geleitete, staatlich finanzierte Schulen. So haben Eltern mehr Wahlmöglichkeiten. Das zwingt Schulen dazu, sich gute Konzepte einfallen zu lassen. Gleichzeitig gibt es durch die öffentliche Finanzierung keine Diskriminierung ärmerer Familien, da auch an den freien Schulen keine Schulgebühren anfallen. International vergleichende Studien zeigen, dass in solchen Systemen nicht nur die Leistungen insgesamt besser sind, sondern vor allem Kinder aus bildungsfernen Schichten profitieren. Derzeit bekommen Schulen in freier Trägerschaft in Deutschland drei Jahre lang keine öffentliche Förderung.
Danach ersetzt der Staat ihnen nur einen Teil der Personalkosten und meist keine Sachkosten. Das führt dazu, dass nur sehr wenige neue Schulen entstehen. Außerdem müssen diese Schulen Schulgebühren erheben – wodurch sie sich wiederum nur Eltern mit höheren Einkommen leisten können. Stattdessen sollte der Staat jeder Schule in freier Trägerschaft den gleichen Satz pro Schüler erstatten, den auch öffentliche Schulen erhalten.
Alles unter Aufsicht
Gleichzeitig müssen sich die freien Schulen unter die staatliche Schulaufsicht und bundeseinheitliche Prüfungen stellen und dürfen bei staatlicher Vollfinanzierung keine zusätzlichen Schulgebühren erheben. In einem solchen System merken die öffentlichen Schulen, dass die Eltern die Schüler abziehen, wenn sie keinen guten Unterricht machen. Das ist zwar unbequem, aber zugleich ein Ansporn. Studien belegen, dass es gerade die öffentlichen Schulen sind, die besser werden, wenn es in ihrem Land mehr Schulen in freier Trägerschaft gibt.
Reformen des Schulsystems, die auf externe Prüfungen, Schulautonomie und Wettbewerb setzen, schaffen Anreize für alle Beteiligten, möglichst gute Schülerleistungen hervorzubringen. Sie führen dazu, dass leistungsförderndes und -behinderndes Verhalten mit entsprechenden Konsequenzen verbunden wird, und machen damit die Beteiligten für ihr Tun verantwortlich.
Gerade im Falle der Lehrer ist es von zentraler Bedeutung, dass ihr Einsatz Anerkennung findet. Sie sind es, von denen die zukünftige Wissensbasis unseres Landes – und damit nicht zuletzt auch unsere wirtschaftliche Zukunft – abhängt. Deshalb leisten die Lehrer eine entscheidende Aufgabe, die bei entsprechendem Erfolg zutiefst erfüllend ist. Viel zu oft stehen hierzulande aber Lehrer, die kaum Einsatz und wenig pädagogische Fertigkeiten zeigen, am Ende genauso da wie diejenigen Lehrer, die sich über alles für die Bildung ihrer Schüler einsetzen – schon allein, weil niemand extern überprüft, was ihre Schüler wirklich gelernt haben. Stattdessen müssen wir die herausragenden Leistungen motivierter Lehrer viel deutlicher anerkennen. Denn bessere Schulbildung bekommen wir, wenn sich für alle Beteiligten der Einsatz dafür lohnt.
VON LUDGER WÖßMANN für den Rheinischen Merkur (29.01.2009)