STAUFFENBERG – Visionär des Widerstands (weiter unten: Cruise & Scientology)

cruise-stauffenbergVON MICHAEL KOHLER für RM. Von Geschichtsfälschung war im Vorfeld die Rede. Auch wenn viele Fakten nicht stimmen, kommt Christopher McQuarries Hollywood-Filmversion dem Phänomen „20. Juli“ beeindruckend nah. Am Nachmittag des 20. Juli 1944 erhält Major Otto Ernst Remer, Kommandant des Berliner Wachbataillons, die Nachricht, dass Adolf Hitler bei einem Attentat getötet worden sei. Damit ist der Befehl verbunden, zur Abwehr einer Revolte „frontfremder Parteiführer“ wichtige Parteiinstitutionen zu besetzen und die militärische Macht in den Händen der Wehrmacht zu konzentrieren. Remer ist zwar… …überzeugter Nationalsozialist, vor allem aber ein deutscher Offizier. Also führt er die Weisungen des Oberkommandos des deutschen Heeres aus und lässt damit unwissentlich die „Operation Walküre“ beginnen. Gegen 19 Uhr abends entschließt sich der argwöhnisch gewordene Remer, persönlich bei Joseph Goebbels vorzusprechen.

Heute wissen wir, dass die Verschwörung zu diesem Zeitpunkt im Grunde schon Geschichte war: gescheitert an widrigen Umständen und dem verhängnisvollen Zaudern einiger Beteiligter. Trotzdem verlieh schon Jo Baier in seinem öffentlich-rechtlichen Filmdrama „Stauffenberg“ der Begegnung zwischen Goebbels und Remer eine Bedeutung, die ihr historisch nicht zusteht. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Während des Treffens betritt endlich die Hauptperson des Stücks die Szene: Goebbels reicht Remer den Telefonhörer, am anderen Ende der Leitung ist Adolf Hitler. Er fragt Remer: „Erkennen Sie meine Stimme?“ Und spricht damit das Todesurteil über die Verschwörer.

Vermutlich kann niemand, der sich mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg und den Ereignissen des 20. Juli auseinandersetzt, den Sirenenklängen dieser Szene widerstehen. Sie ist einfach zu gut, besser als jede Erfindung, um sie nicht als dramatischen Wendepunkt eines historisch einmaligen Geschehens zu inszenieren. Auch Christopher McQuarrie, der Drehbuchautor von „Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat“, lässt sich diese Gelegenheit nicht entgehen. Bei ihm sieht Goebbels seinen Besuch vom Fenster aus kommen, und genau wie das Publikum muss der Reichspropagandaminister und Gauleiter von Berlin in diesem Moment glauben, dass er verhaftet wird. Er holt eine Giftkapsel hervor und schiebt sie sich in die Mundhöhle: Ein Biss und alles ist vorbei. Seine Sekretärin weist Goebbels noch rasch an, eine telefonische Verbindung mit der Wolfsschanze herzustellen, dann heftet sich die Kamera wieder an den Major, bis dieser mit dem Haftbefehl im Raum steht. Goebbels reicht ihm das Telefon, Auftritt Hitler, Abgang Remer. Schließlich fingert sich der Minister die Giftkapsel zur späteren Verwendung aus dem Mund.

Ist das nun die schamlose Geschichtsfälschung, die von vielen befürchtet und von anderen geradezu herbeigeschrieben wurde? Ja und nein. In ihren Grundzügen ist diese „Operation Walküre“ eine getreue Rekonstruktion der historischen Ereignisse rund um das gescheiterte Attentat. Auf dem festen Grund der Faktentreue kann sich Christopher McQuarrie dann etliche künstlerische Freiheiten erlauben, die so ungeheuerlich wie kühn sind, aber vor allem einer bestechenden Idee folgen. Stauffenberg hatte die für Hitler gedachte Bombe in der Lagerbaracke der Wolfsschanze deponiert, sich unter einem Vorwand davongestohlen und war in der Überzeugung, das Attentat sei gelungen, in ein bereitgestelltes Flugzeug nach Berlin gestiegen.

Bis kurz vor seinem Tod am selben Abend glaubte Stauffenberg, seine Verschwörung zum Guten hätte alle Chancen auf Erfolg, obwohl die Realität schon gegen ihn arbeitete, als er sich noch in der Luft befand. In diesen Stunden muss sich Stauffenberg wie in einem Traum bewegt haben, und McQuarrie hat dieses innere Erleben durch einige kleinere und größere Fälschungen geschickt in äußere Handlung umgesetzt. Nicht das absehbare Scheitern der Verschwörung ist das Thema seines Drehbuchs, sondern der leidenschaftliche Moment des Aufbruchs, der entschlossen geführte Kampf um ein anderes Deutschland. Es ist eine Verklärung, die das Wesen des 20. Juli vielleicht besser trifft als jede faktentreue Nacherzählung.

Kein Film war in Deutschland zuletzt so umstritten wie Bryan Singers Adaption des Stauffenberg-Attentats. Auf dem Höhepunkt der Querelen wurde der Hollywood-Produktion verweigert, an historischer Stätte, dem Bendlerblock, zu drehen, und die Genehmigung später zähneknirschend nachgeholt. Heute erscheint das als Rückzugsgefecht, in dem noch einmal die deutsche Deutungshoheit über die Geschichte des 20. Juli behauptet wurde, bevor sie zu einer universalen Erzählung wird. Wer erwartet, dass die Welt in „Operation Walküre“ etwas über den Kreisauer Kreis des deutschen Widerstands erfährt oder gar über die Ideenwelt des Spätromantikers Stauffenberg, wird entweder enttäuscht oder in seinem Vorurteil bestätigt. Nüchtern betrachtet, interessiert sich für beides außerhalb Deutschlands so gut wie niemand, und vor allem braucht man nichts davon zu wissen, um die Handlungen und Beweggründe der Figuren zu verstehen.

Auf dem Weg in die Filmgeschichte werden dem Protagonisten sämtliche Besonderheiten abgeschliffen: Stauffenberg ist eine klassische Heldenfigur, der sein Land und seine Familie liebt, in dunkler Zeit den Widerstandsgeist in sich entdeckt und schließlich den Mut findet, sein Leben für die gute Sache in die Waagschale zu werfen. Dass er im Film ein Mann ohne Eigenschaften bleibt, erklärt zudem ganz nebenbei, warum ihn Tom Cruise durchaus glaubwürdig verkörpern kann.

In der deutschen Fassung wird der Name Stauffenberg im Titel genannt, im amerikanischen Original heißt der Film schlicht „Valkyrie“. Passend dazu steht in Bryan Singers Inszenierung der Geheimplan zum Sturz des Hitlerregimes im Vordergrund; Taten dominieren und damit der Tatmensch Stauffenberg. Ihm begegnet man zum ersten Mal in der nordafrikanischen Wüste. Gerade hat er Hitler die Gefolgschaft aufgekündigt, als er bei einem Luftangriff der Alliierten eine Hand und mehrere Finger der anderen verliert. Nach seiner Genesung tritt Stauffenberg den Verschwörern um den ehemaligen Generalstabschef Ludwig Beck bei und kommt bei Wagners Walkürenritt auf die geniale Idee, einen militärischen Geheimplan, den die Nazis zur Abwehr innerer Unruhen ersonnen haben, gegen seine Urheber zu richten. Einen Großteil des Films verwendet Singer danach auf die effektive Inszenierung der Operation Walküre. Hier kommt die Historie einem klassischen Thriller erstaunlich nahe; wie im berühmten Bankräuber-Krimi „Rififi“ geht es um die Mechanik eines ausgeklügelten Plans. Die Fernschreiber rattern, ein Rädchen greift ins andere, die halbe Welt steht auf dem Spiel und zugleich spielen alle Räuber und Gendarm.

Man muss Bryan Singer dafür loben, wie nachdrücklich er sein Publikum immer wieder daran erinnert, dass es um Leben oder Tod geht. Trotzdem scheint sich Singer auf den Nebenschauplätzen wohler zu fühlen: An die stilistische Wucht des britischen Luftangriffs in der Wüste kommt sein Film später kaum mehr heran, und nichts ist in der „Operation Walküre“ mit größerer Sorgfalt inszeniert als das gespenstische Stelldichein der Kontrahenten auf Hitlers Obersalzberg. An der namhaften Besetzung gibt es kaum etwas auszusetzen. Einziges Manko: dass Stauffenbergs kurzer Traum vom Glück auf der Leinwand nicht so lebendig wird, wie es seine im Drehbuch begonnene Reise ins Irreale verspricht.

Kinostart: 22. Januar 2009

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V e r w a n d t e   T h e m e n :

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FOCUS Kultur Archiv v. 06.07.2007:

Stauffenberg-Film: Grünes Licht für Cruise.
Am 19. Juli 2007 beginnen in Berlin die Dreharbeiten für den Thriller „Valkyrie“ über das gescheiterte Hitler-Attentat mit Tom Cruise in der Hauptrolle. Nach wochenlangen ausweichenden Reaktionen vermeldete das traditionsreiche Studio Babelsberg am Freitag endlich offiziell: „Die Koproduktionsverträge sind perfekt.“ Aller Diskussionen um nicht genehmigte historische Drehorte und massiver Kritik an Scientology-Anhänger Cruise als Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg zum Trotz… WEITERLESEN >>

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>> pdf-Kompakt-Info „Scientology“ (520 KB), herausgg. von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), Berlin.

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ZDF „heutejournal“ (21.01.2009):  Scientology und seine Promis

Scientology nutzt die Prominenz seiner bekannten Anhänger, um Mitglieder zu werben und das eigene Image aufzupolieren. Zum Aushängeschild der Vereinigung ist längst Hollywood-Schauspieler Tom Cruise avanciert. Das ZDF „heutejournal“ hat das Vorgehen der Scientologen mit seinen Stars genauer unter die Lupe genommen.
Tom Cruise weilte diese Woche anlässlich der Filmpremiere seines neuen Hollywood-Streifens „Operation Walküre“ in Deutschland. Bei der Premiere kümmerte er sich natürlich intensiv um Fans und Pressevertreter. Dass die Kontakte, die er durch seine Popularität in aller Welt knüpft, auch potentielle Kontakte für Scientology sein können, zeigte ein Beitrag des ZDF-„heutejournals“, der am Mittwoch, 21. Januar 2009, ausgestrahlt wurde.

Die Popularität des Hollywoodstars, berichtete ZDF-Redakteurin Stephanie Gargosch, verschaffe der Vereinigung gleich „millionenfach“ Kontakte in aller Welt. Dabei sei die von dem Schauspieler ausgehende Botschaft ziemlich einfach: „Das ist Tom Cruise, den liebe ich, der hat bei ´Mission impossible` mitgespielt, oh er ist bei Scientology, Scientology muss cool sein“. So könnten vor allem junge Fans denken und so zumindest offener für die Lockrufe des „cruiseligen Vereins“ werden, wie die „Süddeutsche Zeitung“ das Unternehmen Scientology unlängst betitelte.

„Süddeutsche Zeitung“: „Ein cruiseliger Verein“

Tom Cruise ist nicht das einzige bekannte Scientology-Mitglied. Hinter der Werbung mit Prominenten steckt System: John Travolta, Isaac Hayes oder Anne Archer sind Teil der Masche. Die Scientologen wissen nur zu gut, dass sie von der Prominenz ihrer bekannten Mitglieder nur profitieren können. Deshalb werden sie in eigens dafür errichteten „Celebrity-Centern“ gehegt und gepflegt. Doch selbst all die Aufmerksamkeit kann nicht verhindern, dass auch prominente Mitglieder die Gruppe verlassen, wie etwa Jason Beghe. Der Schauspieler, bekannt etwa aus der Fernsehserie „CSI“, war nach 14 Jahren bei Scientology ausgestiegen und hatte bis dahin über eine Million US-Dollar in das System gesteckt. Das Geld ist er jetzt los, aber nicht nur das: „Auch Freunde und Verwandte bei Scientology brachen den Kontakt zu ihm einfach ab“, so die ZDF-Redakteurin am Ende des Beitrags.

Schon seit längerem wird Tom Cruise wegen seines Engagements für Scientology auch hierzulande kritisch beäugt. Im Vorfeld des Filmdrehs zu „Operation Walküre“ wurde die Besetzung der Rolle Stauffenbergs mit dem bekennenden Scientologen heftig kritisiert. Der Sohn Stauffenbergs, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, sagte etwa der „Süddeutschen Zeitung“: „Er soll seine Finger von meinem Vater lassen“. Und weiter: „Er soll einen Berg besteigen oder in der Karibik surfen gehen. Es ist mir wurscht, solange er sich da raushält.“ Unterstützung bekam er vom FDP-Bundestagsabgeordneten Patrick Meinhardt: „Es kann für die deutsche Widerstandsbewegung gegen Hitler im Nachhinein keine größere Ohrfeige geben, als dass ein Kämpfer gegen den Totalitarismus durch einen Scientologen dargestellt wird“. Das Weltbild der Organisation widerspreche dem Grundgesetz und dem christlichen Menschenbild. Und CDU-Politiker Michael Brand forderte wegen der Zugehörigkeit des Schauspielers zu Scientology einen Boykott des Films.

Streit um Drehort Bendlerblock

Auch gestritten wurde im Vorfeld um die Frage, ob einzelne Szenen im Bendlerblock in Berlin gedreht werden dürfen. Hier wurden die Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg erschossen, nachdem sein Hitlerattentat im Juli 1944 gescheitert war. Heute beherbergt der Bendlerblock eine Gedenkstätte des Widerstands. Zunächst wurde eine Drehgenehmigung strikt verweigert. In der offiziellen Begründung des Verteidigungsministeriums hieß es, dass „die Würde des Ortes“ in Gefahr sei. Die „Bild“-Zeitung vermutete, dass auch die Mitgliedschaft von Cruise bei Scientology eine Rolle spielte. Frank Henkel, innenpolitischer Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, hatte etwa verlauten lassen: „Der mutige deutsche Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur darf nicht für die PR-Zwecke einer gefährlichen und totalitären Psycho-Organisation wie Scientology missbraucht werden“.

Doch eine erneute Anfrage des Filmteams wurde überraschend positiv beantwortet. Drehbuchautor Christopher McQuarrie hatte laut Medienberichten dem Verteidigungsminister die Planungen für den Film in einem persönlichen Schreiben erläutert. Zudem hätten sich Vertreter der Produktionsfirma, das Verteidigungsministeium sowie der Leiter der Gedenkstätte persönlich abgestimmt. Entscheidend für die Genehmigung sei gewesen, dass „die Würde des Ortes gewahrt“ bleibe. Diese Voraussetzung sahen die Verantwortlichen als gegeben. Zu der Scientology-Mitgliedschaft des Hauptdarstellers sagte das Verteidigungsministerium laut „Stern“ nur, dass sei nicht von Bedeutung.

Im November 2007 hatte Tom Cruise noch einen Bambi in der Kategorie „Mut“ bekommen. Die Jury fand es mutig, dass er sich traute, den Widerstandskämpfer Stauffenberg zu verkörpern. Laudator war FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher gewesen. In dem „wohl längsten aller je gehaltenen Bambi-Monologe“ („Welt Online“) hatte Cruise auch um Verständnis für seine Mitgliedschaft bei Scientology geworben und gesagt, man dürfe einen Menschen nicht nach seiner Religion beurteilen.

ARD-Dokumentation: Scientology treibt Kritiker in den Selbstmord

Auch die ARD sendete am Vorabend der Premiere von „Operation Walküre“ eine Dokumentation darüber, wie Scientology seine Prominenten zwecks Mitgliederrekrutierung einspannt. Und er zeigt, wie gefährlich die Vereinigung ist, wenn man erst einmal auf die Lockrufe hereingefallen ist. Der Beitrag von Tilman Jens erzählt die erschreckende Geschichte eines Scientology-Kritikers, der von der Organisation in den Selbstmord getrieben wurde.

In dem Beitrag kommen ehemalige Mitglieder zu Wort, die beschreiben, wie man in die Fänge der „Kirche“, wie sich Scientology selbst nennt, geraten kann – und wie schwierig es ist, dort wieder herauszukommen. Zu Wort kommen unter anderem Ursula Caberta, Scientology-Beauftragte in Hamburg, und der Sektenbeauftragte der Evangelischen Kirche, Thomas Gandow.

Am Samstag, 24. Januar 2009, ist Cruise bei der erfolgreichsten deutschen Fernsehsendung, „Wetten, daß…?“, zu Gast. ZDF-Moderator Thomas Gottschalk hält die Diskussion um den Film für übertrieben. „In Deutschland wird das alles mit einem Brennglas betrachtet. Das tut weder dem Film noch der Auseinandersetzung um die deutsche Geschichte gut“, sagte der 58-Jährige heute im badischen Offenburg. „Ich rate zu einer größeren Gelassenheit.“ Er selbst habe Mitleid mit Cruise, sagte Gottschalk. „Dieser arme Mensch trägt die Last des ganzen deutschen Widerstands auf den Schultern.“

Q: cma v. 23.01.2009