Links-säkular und religiös ist „out“ – Rechts-konservativ ist „in“

isr-wahl09(inn) – Der israelische Wähler hat gesprochen. Die Stimmen sind (zu 99 Prozent) ausgezählt. Das Ergebnis ist eindeutig. Wer der nächste Regierungschef wird, kann erraten werden. Sowohl Zippi Livni (Kadima) als auch Bibi Netanjahu (Likud) haben den Sieg verkündet und Anspruch auf das Amt des Premierministers erhoben. Jetzt liegt es an Staatspräsident Schimon Peres, denjenigen Kandidaten mit der Regierungsbildung zu beauftragen, der am ehesten eine stabile Regierung unter seiner Führung vereinigen kann. Der 85-jährige Peres, der selbst bei allen Wahlen des Staates Israel wahlberechtigt war… …, hat dazu zehn Tage Zeit.

Ganz einfach wird diese Entscheidung freilich nicht. Kadima wird mit 28 Sitzen die größte Fraktion in der 18. Knesset des Staates Israel sein. Die Partei wurde von Ariel Scharon als „Gaza-Rückzugs-Partei“ gegründet. In den vergangenen drei Jahren stellte sie mit Ehud Olmert den Regierungschef. Unter Führung von Außenministerin Zippi Livni feiert sie jetzt als Sieg, dass sie die Anzahl ihrer Mandate im israelischen Parlament behaupten konnte. Traditionell wird die stärkste Partei vom Präsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt. Aber Livni hat schon einmal im vergangenen Jahr mit derselben Anzahl von Mandaten beim Versuch einer Regierungsbildung versagt. Sie ist keinesfalls die stärkste Kraft im Parlament.

Netanjahu und Lieberman sind Wahlsieger

Der rechts-konservative Likud unter seinem Vorsitzenden Benjamin Netanjahu gehört zu den großen Siegern dieser Wahl. Er konnte seine Präsenz in der Knesset um 16 Mandate auf 27 ausbauen. Die Partei des ehemaligen Bürochefs von Netanjahu, Avigdor Lieberman, ist der andere große Gewinner dieser Wahl. Israel Beiteinu wird jetzt mit 15 Abgeordneten in der Knesset vertreten sein. Der Trend ist klar: Rechte Parteien, die großen Nachdruck auf einen starken jüdischen Staat Israel und ein konsequentes, hartes Vorgehen im Blick auf die arabischen Nachbarn legen, haben im Vergleich zur letzten Knesset 19 Sitze gewonnen. Lieberman hat sich im Wahlkampf eindeutig für das Gespann „Netanjahu-Lieberman“ ausgesprochen und noch in der Wahlnacht verkündet, er wolle eine starke rechts-nationale Regierung.

Gemeinsam mit Lieberman könnte Netanjahu die sefardisch-orthodoxe Schas-Partei (elf Sitze) und die Nationalreligiösen – HaBait HaJehudi (Das jüdische Haus) mit drei Sitzen und die Ichud HaLeumi (Nationale Union) mit vier Sitzen – an einen Tisch bringen. Damit hätte er bereits die Hälfte aller Knessetabgeordneten hinter sich. Das ultra-orthodoxe Torah-Judentum könnte ihm mit seinen fünf Sitzen eine bequeme Mehrheit bieten. Diese, eher staatskritische Partei, ist vor allem darauf aus, etwa durch die Präsenz im Finanzkomitee der Knesset, die Interessen ihrer Wählerschaft zu vertreten, hat aber noch nie einen Ministerposten in einer Regierung beansprucht. Diese Option kann Netanjahu auch im Blick auf Koalitionsverhandlungen mit anderen Partnern als Druckmittel einsetzen.

Linke und Religiöse als Verlierer

Die links-säkularen Parteien Israels sind die großen Verlierer. Die sozialdemokratische Avoda ist um sieben Mandate auf 13 Sitze in der 18. Knesset geschrumpft. Die links-liberale Meretz hat einen weiteren Sitz verloren und stellt jetzt nur noch drei Abgeordnete. Wenn man die Sitzverteilung der 16. Knesset noch hinzunimmt, wird der Trend in der israelischen Gesellschaft offensichtlich: Seit Anfang des Jahrzehnts haben die linksgerichteten und eine säkulare Agenda vertretenden Parteien 23 Mandate eingebüßt. Der Wähler hat diesen Parteien damit eindeutig die Oppositionsbank zugewiesen.

Der andere große Verlierer dieses Wahlgangs sind die religiösen Parteien. Sie haben im Vergleich zur 17. Knesset sieben Mandate verloren. Für die Schas-Partei, die eigentlich ein ähnlich stabiles Wählerpotential wie etwa ihr aschkenasisches Pendant, das Torah-Judentum, haben sollte, ist der Verlust von zwei Sitzen katastrophal. Traditionell bestimmt in diesen Kreisen der allmächtige Rabbi Ovadia Josef, was gewählt und welche Politik unterstützt wird. Ebenso verheerend ist der Wahlausgang für die national-religiösen Parteien, die sich im Vorfeld der Wahlen vereinigt und wieder gespalten hatten. Der Trend ist auch hier eindeutig: Die Nationalreligiösen haben in den letzten Wahlen vier und jetzt noch einmal zwei Mandate verloren.

Zippi Livni verkündete noch in der Wahlnacht, jetzt sei es an der Zeit, den Willen des israelischen Wählers ernst zu nehmen. Zudem forderte sie eine Einheitsregierung der Mitte, vermutlich zusammengesetzt aus Kadima, Likud und Israel Beiteinu. Das würde eine satte Regierungsmehrheit von 70 Knessetmandaten bieten. Vermutlich entspräche eine solche Zusammensetzung tatsächlich der Mehrheitsmeinung der israelischen Bevölkerung, die sowohl den säkularen Linksparteien als auch den Religiösen eine Absage erteilt hat. Allerdings müsste Livni wohl angesichts der Optionen, die Netanjahu und Lieberman offen stehen, ihren Führungsanspruch abtreten. Die Koalitionsverhandlungen der kommenden Tage und Wochen versprechen spannend zu werden.

Protestwähler diesmal ernsthaft

Bleiben im Blick auf das Wahlergebnis noch zwei Beobachtungen: Erstens, die Protestwähler sind zur Vernunft gekommen und haben ernsthafte Parteien gewählt. Das beweist die Tatsache, dass die Pensionärspartei mit ihrem eher clown-artig anmutenden Vorsitzenden Rafi Eitan nicht mehr im israelischen Parlament vertreten sein wird. Auch der Verlust der Schas-Partei dürfte teilweise dieser Tendenz zuzurechnen sein.

Zweitens: Es gibt ein langsames, aber stetes Wachsen der orientalischen Parteien mit traditioneller Wählerschaft – die meist noch eine relativ hohe Geburtenrate vorzuweisen haben. Die arabischen Parteien konnten im Vergleich zur letzten Wahl ein Mandat gewinnen, im Vergleich zur vorletzten Wahl gar drei Mandate. Das könnte zudem auf ein politisches Erwachen im arabischen Sektor des jüdischen Staates andeuten. Und während die religiösen Parteien im Vergleich zur 17. Knesset verloren haben, konnten sie gegenüber der 16. Knesset aber doch immerhin zwei Mandate gewinnen.

Hintergrund:

Aus dem Bauch heraus wählen

Die politischen Alternativen sind kläglich. Die Parteiprogramme ähneln sich so, dass die feinen Unterschiede nicht mehr erkennbar sind. Viele Israelis gaben an, „unentschieden“ zu sein und erst vor dem Haufen der Wahlzettel im Wahllokal ihre endgültige Entscheidung treffen zu wollen.

Der 10. israelische Fernsehkanal hat deshalb den unentschiedenen Wählern eine kleine kulinarische Hilfe angeboten, ihr Problem aus dem Bauch heraus zu lösen. Es wurden Rezepte ausgewählt, die dem Charakter der Parteien und ihrer Vorsitzenden am besten entsprächen.

Für die Kadima-Partei wurde ein Kartoffelpüree ausgewählt, blass und ohne aufregende Zutaten. Selbst die Zubereitung sei langweilig und ergebe einen bleichen Brei. Der Rezeptvorschlag sieht freilich eine Mischung aus normalen und süßen Kartoffeln vor, die mit Ingwer gewürzt werden sollten.

„Veraltet und größenwahnsinnig“ sei die Arbeitspartei, sodass zu ihrem Vorsitzenden Ehud Barak am besten eine „Tarte Napoleon“ passe. Napoleon war ein Zwerg-Kaiser und überzeugt von seiner unendlichen Macht. Der Kuchen sei nicht schlecht, leide aber, wie die Arbeitspartei, an einem altmodischen Ansehen.

Für die Grünen wurde ein grüner Salat auserkoren, mitsamt einem Mischmasch ökologischer Ideen. Man füge einen umstrittenen Kandidaten hinzu, der als stellvertretender Tel Aviver Bürgermeister keine Bedenken gegen groteske Bautätigkeit hatte, dazu viele schöne Worte über Recycling, und schon hat man einen grünen Salat. Im mitgelieferten Rezept kommen ein Kilogramm „Babymix“ verschiedener Salatsorten vor, Zwiebel, Sellerie, Nüsse und Radieschen. Für die Soße werden Senf, Honig und organisch angebautes Sojaöl verrührt.

Likud brät Fleisch auf Holzfeuer

Zu den klassischen „Wedlern“ gehören die rechtsnationalen Likudwähler. Die sozial als „niedrig“ eingestuften eher ungebildeten Anhänger von „Bibi“ Netanjahu sind bekannt für ihre Angewohnheit, bei jeder Gelegenheit und an jedem Ort rauchende und entsprechend stinkende Holzfeuer in Gang zu setzen und mit „Wedeln“ eines Kartons die draufgelegten Fleischstücke zu braten. Der vornehme Netanjahu aus wohlhabender Familie dürfte dieses Hobby seiner Anhänger nur bei den volkstümlichen Wahlkampfkampagnen kennengelernt haben. Für das übertriebene Würzen dieser traditionellen Speise zahle meist die Umwelt den Preis mit dem „Rülpsen danach“. Für das siegreiche Rezept eines Kebab werden drei Sorten Fleisch benötigt, durch den Fleischwolf gedreht, Zwiebel, Pfeffer (frisch gemahlen), das orientalische Mischgewürz Amba, Petersilie und wenig Salz. Alles gut durchmischen und aufgespießt aufs Feuer legen.

Wenn man Avigdor Lieberman von der rechtsradikalen Russenpartei „Israel- Unser Heim“ sieht, ist klar, dass er gerne und viel isst. Über seine Vorstellungen „gesunder Ernährung“ könne man genauso diskutieren wie über die Moral seiner menschlichen und politischen Vorstellungen. Die Rezeptempfehlung für Lieberman: eine (Friedens-)Taube, um sie voll und ganz zu verschlingen, mitsamt dem Blatt eines Olivenbaums, das man dem Tier auf dem Grill in den Schnabel gesteckt hat.

Q: inn

Gleiches Thmea:

Unentschieden in Isral. Nach dem knappen Ausgang der Parlamentswahl in Israel haben sich sowohl Außenministerin Zipi Livni als auch Oppositionsführer Benjamin Netanjahu zu Wahlsiegern erklärt. Die Kadima-Partei von Livni ist mit 28 von 120 Sitzen zwar stärkste Kraft, die Aussicht bei der Regierungsbildung ist aber besser für den Likud-Block (27 Mandate) von Netanjahu. Er könnte mit religiösen Parteien eine Mehrheit bilden. WEITERLESEN bei CICERO >> Interview mit Netanjahu. — Zipi Livni im Portrait.