„Advent ist im Dezember“ – so heißt eine Kampagne in der evangelischen Kirche, die auf den bewussten Umgang mit dem Kirchenjahr aufmerksam machen möchte, wenn Ende September schon Weihnachtsgebäck in die Regale der Supermärkte kommt. Ein entsprechend griffiger Spruch für Ostern ist schwierig, da das Osterfest als beweglicher Feiertag sowohl im März oder April liegen kann. Ansatzpunkte hätte eine solche Kampagne aber auf jeden Fall, denn etwa zeitgleich mit Karnevalskostümen kommen Ostereier in die Kaufregale. Von der fünften Jahreszeit – dem ausgelassen Karnevals-Treiben – geht es in den Kaufhäusern… … direkt zu Ostern, die Passionszeit mit ihrem Höhepunkt und Ende am Karfreitag wird quasi ausgelassen und übersprungen.
Es gibt natürlich auch evangelische Aktionen zur Passionszeit – „7 Wochen ohne“ setzt Zeichen – doch Verzicht und Leiden verkaufen sich nicht so gut wie Ostereier. In der öffentlichen Wahrnehmung verliert der Karfreitag gegenüber dem Ostersonntag.
Auch theologisch ist das Verhältnis von Karfreitag und Ostern, von Tod und Auferstehung Jesu spannend. Wenn wir die Berichte von der Passion – und der Auferstehung – Jesu in den Evangelien lesen, so scheint für den Kreis der Menschen um Jesus mit dem Tode am Kreuz das Leben Jesu ausgelöscht zu sein. Das Abendmahl am Gründonnerstag ist ein Abschiedsmahl, die Verleugnung des Petrus zeigt, selbst der Anführer der Jünger gibt der Sache Jesu keine Chance mehr und wendet sich ab. Die von Jesus angeführte Bewegung ist am Ende. Was bleibt ist der Tod Jesu und die Sorge um eine würdige Bestattung, wie es in der Geschichte des Josef von Arimathäa überliefert wird. Die Sache Jesu endet mit seinem Tod. Am Ende einer Bibelwoche stürzt ein Kindergartenkind aus dem Gemeindesaal und verkündet seinem Vater die Neuigkeit: „Papa, Papa, am Karfreitag ist Jesus gestorben!“ Wenn auch Kindergartenkinder die Realität des Todes noch nicht so verstehen wie Erwachsene, so war doch für dieses Kind klar: Jesus ist tot, so wie andere Menschen auch gestorben sind. Der Tod ist das Ende eines Lebens. Wenn wir Karfreitag nicht als Durchgangsstation zu Ostern sehen, bleibt unser Blick zunächst beim Tod Jesu stehen. Mel Gibsons Film „The Passion of Christ“ wurde stark kritisiert, weil er blutrünstig Gewalt zeigt. Aber bei einem Film, der nur das Leiden Jesu beleuchtet und mit dem Tode endet, ist das fast zwangsläufig im Drehbuch angelegt, wenn denn solch ein Film Besucher ins Kino locken will. Die Kreuzigung Jesu ist das brutale Ende eines Lebens – wenn man sie für sich alleine betrachtet.
Das Kindergartenkind konnte noch den Blick auf Karfreitag werfen, ohne direkt an Ostern zu denken, Erwachsenen gelingt dies nicht mehr, spätestens im Religionsunterricht in der Grundschule lernt man, wie die Geschichte Jesu nach der Kreuzigung weitergeht, wie Karfreitag in Verbindung mit Ostern seinen Sinn erhält.
Ohne Ostern – ohne seine Auferstehung – wäre der Tod Jesu sinnlos geblieben, die Kreuzigung wäre das Symbol für das Scheitern der Sache Jesu. Der wohl älteste Bericht von Jesu Kreuzigung im Korintherbrief fügt aber an die Kreuzigung an, „nun aber ist Christus auferstanden“ und in diesem Licht behält der Tod nicht das letzte Wort. Für den Tod Jesu gibt es in der Bibel viele sprachliche Bilder, allen gemeinsam ist jedoch, dass der Tod nicht das letzte Wort über das Leben Jesu behielt, sondern Gott Jesus auferweckt hat.
Hätte Karfreitag kein eigenes Gewicht, so wäre aber der Tod Jesu nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zur Auferstehung. So aber gilt es, an Karfreitag den Tod Jesu auszuhalten und zu versuchen, Ostern als Überraschung wahrzunehmen – so wie für die ersten Zeugen die Nachricht, dass Jesus nicht mehr im Grab war, zunächst Erschrecken auslöste.
Zum Glück bleibt die Geschichte nicht am Karfreitag stehen, aber Karfreitag ist mehr als eine automatische Durchgangsstation zu Ostern. Es ist kein Automatismus, sondern Gottes unerwartetes Handeln in unserer Welt. Ostereier sind ein schönes Symbol des Lebens, wer sie aber bereits in der Passionszeit und der Karwoche sucht, beraubt sich der Überraschung, dass Gott eingegriffen hat und findet nicht die hinter Karfreitag und Ostern verborgene Wirklichkeit. Wer Karfreitag Passion und Tod Jesu bedenkt, wird sich Ostern bestimmt über ein Überraschungsei freuen.
Q: ekd