Evangelischer Kirchentag mit Aufruf zu gesellschaftlichem Neuanfang beendet

mensch_wo_bist_duAppell von Kirchentagspräsidentin Welck beim Schlussgottesdienst: „Hier bin ich! Was kann ich tun?“ – Mit einem festlichen Gottesdienst auf der Bremer Bürgerweide unter dem Motto „Hier und jetzt“ ist am Sonntag der 32. Deutsche Evangelische Kirchentag zu Ende gegangen. Vor 100.000 Gottesdienstteilnehmern bezeichnete Kirchentagspräsidentin Karin von Welck das Treffen in ihrer Ansprache als Ermutigung, angesichts von Krisen und Schwierigkeiten, gemeinsam Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Von Welck wies zugleich den Vorwurf zurück, der Evangelische Kirchentag sei zu zahm… geworden. Wer dies sage, der verkenne, dass die komplexen Probleme unserer Zeit nicht durch plakative Antworten gelöst werden könnten. Es gebe derzeit keine einfachen Rezepte. Die Kirchentagsbesucher hätten ihre Bereitschaft gezeigt, konzentriert zuzuhören und Dinge zu durchdenken. Wer daraus gewonnene Erkenntnisse „unaufgeregt, aber beharrlich“ umsetze, erreiche mehr als jemand, der lautstark nach schnellen Veränderungen rufe.

Das Jahr 2009 werde als Jahr der Krise in die Geschichtsbücher eingehen, sagte von Welck. Jetzt komme es darauf an, die gegenwärtige Krise zu einer „Stunde Null“ und einem wichtigen Neuanfang zu machen. Der Zusammenbruch der Finanzmärkte erfordere eine breite Wertedebatte. „Lasst uns die Probleme anpacken, lasst uns Verantwortung für die Zukunft unserer Welt übernehmen“, erklärte von Welck. Die Kirchentagslosung mit Gottes Frage „Mensch, wo bist Du?“ müsse im Alltag tagtäglich mit dem Satz beantwortet werden: „Hier bin ich! Was kann ich tun?“

Bei dem von strahlendem Sonnenschein begleiteten Schlussgottesdienst auf der Bremer Bürgerweide unterstrich der protestantische italienische Theologieprofessor Daniele Garrone in seiner Predigt die Bedeutung der Hoffnung für das Denken und Handeln der Christen.

Zum „2. Ökumenischen Kirchentag“, der im nächsten Jahr in München von Protestanten und Katholiken gemeinsam gefeiert wird, luden unter anderem der evangelische Münchner Landesbischof Johannes Friedrich und der katholische Münchner Weihbischof Franz Dietl ein. Der nächste Evangelische Kirchentag findet 2011 in Dresden statt.

Unter der Losung „Mensch, wo bist du?“ hatten sich seit Mittwochabend mehr als 100.000 Menschen in Gottesdiensten, Bibelarbeiten, Vorträgen, Gesprächsforen und Workshops vor allem mit Themen wie der Weltwirtschaftskrise, dem Klimawandel, Bildungsgerechtigkeit sowie mit Fragen des christlichen Glaubens und der Theologie beschäftigt. Zudem stellten sich auf thematisch unterteilten Märkten der Möglichkeiten rund 720 Gruppen, Hilfsorganisationen und Initiativen vor.

Ein weiterer Schwerpunkt des Kirchentages war das kulturelle Angebot mit zahlreichen Konzerten und Kunstprojekten, die besonders der Kirchentagspräsidentin, der parteilosen Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck ein wichtiges Anliegen waren. Eines der Highlights war der Auftritt der Wise Guys am Eröffnungsabend.

Auch an politischer Präsenz fehlte es beim Kirchentag in der Weserstadt nicht. Zu den prominenten Gästen gehörten Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Altkanzler Helmut Schmidt.
Weniger intensiv wurde in Bremen das Verhältnis von evangelischer und katholischer Kirche sowie der interreligiöse Dialog behandelt. Diese Fragen sollen im kommenden Jahr auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München stärker thematisiert werden, hieß es.

Geprägt war der 32. Evangelische Kirchentag nach Einschätzung der Veranstalter von konzentriertem Zuhören, engagierten Debatten und einer ruhigen und fröhlichen Atmosphäre. „Wer kämpferische Auseinandersetzungen im Stil der 70er und 80er-Jahre erwartet hatte, mag enttäuscht sein“, räumte Generalsekretärin Ellen Ueberschär ein. In „unübersichtlicher Zeit“ komme es jedoch vielmehr darauf an, sich wie die Kirchentagsteilnehmer „unaufgeregt und beharrlich um das Verständnis von Zusammenhängen zu bemühen“. Über 40 Prozent der Teilnehmer waren jünger als 30 Jahre alt.

In Bremen feierte der Deutsche Evangelische Kirchentag in diesem Jahr zugleich seinen 60. Geburtstag. Er war 1949 als „Deutsche Evangelische Woche“ in Hannover von Reinold von Thadden-Trieglaff ins Leben gerufen worden. In der Folgezeit entwickelte sich die protestantische Laienbewegung zu einem alle zwei Jahre stattfindenden fünftägigen Fest des Glaubens mit bis zu 3.000 Veranstaltungen. Der Kirchentag gilt als Impulsgeber für Politik und Gesellschaft. So gab er Anstöße für den christlich-jüdischen Dialog, für das Gespräch zwischen Katholiken und Protestanten, die Ost- und Entspannungs-Politik und die Friedensbewegung. Dabei bewahrt sich die Laienbewegung die Unabhängigkeit von der Amtskirche. Im Mittelpunkt steht ein christlicher Glaube, der Frömmigkeit mit Verantwortung für Gesellschaft und Welt vereint. Die Teilnehmerzahlen haben sich in den vergangenen Jahren bei rund 100.000 eingependelt.

Mit zwei Veranstaltungspolen auf dem Messegelände und mit viel maritimer Atmosphäre und einer Schiffsparade zu Beginn des Kirchentages in der Überseestadt sowie einer insgesamt abwechslungsreichen „Veranstaltungslandschaft“ habe sich die Stadt Bremen als „idealer Raum für ein dichtes Erlebnis“ erwiesen, erklärten die Veranstalter.

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Q: kirchentag.de