Kirchen vernachlässigen Alleinlebende und -erziehende. Bischof Noack: „Super-Klientel“ sind Kinder, Familien und Senioren

bischofnoackBei ihren missionarischen Bemühungen lassen die Kirchen in Deutschland viele Gruppen der Gesellschaft außen vor. Das sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste (AMD) im Diakonischen Werk der EKD, Bischof Axel Noack (Magdeburg), bei der Eröffnung der AMD-Jahrestagung am 25. Mai in Hofgeismar. Als größte vernachlässigte Gruppe nannte er die Alleinlebenden. Bisher konzentriere sich die Kirche lediglich auf drei Gruppen: Kinder, Familien und Senioren. „Das ist unsere Super-Klientel“, so Noack. Dabei gebe es immer mehr Singles; selbst unter jungen Pfarrerinnen… und Pfarrern wachse die Zahl der Ledigen. Viele seien ungewollt alleine. Noack regte an, dass die Kirchen beispielsweise christliche Partnerschaftsbörsen fördern oder spezielle Angebote für Alleinlebende initiieren sollten. Auch Alleinerziehende würden von den Kirchen vernachlässigt. Eine Studie der EKD habe ergeben, dass 85 Prozent aller evangelischen Eltern ihre Kinder taufen lassen; unter Alleinerziehenden hingegen hätten nur 25 Prozent diese Absicht. Noack: „Wir müssen uns als Kirche fragen, welche Ausstrahlung wir haben, wenn nur ein Viertel der Alleinerziehenden in die Kirche kommen möchte, um seine Kinder taufen zu lassen.“

Kirche nicht nur für Gebildete

Nach Noacks Ansicht müssen klassische missionarische Modelle wie ProChrist oder die Zeltmission durch „Beteiligungs-Angebote“ ergänzt werden. Am besten erreiche die Kirche Menschen, indem sie ihnen Aufgaben und Verantwortung übertrage. Für Gebildete gebe es genügend Angebote, etwa im Kirchenvorstand. Weniger Gebildete vernachlässige die Kirche immer mehr, kritisierte Noack. So installierten beispielsweise immer mehr Gemeinden elektrische Läutanlagen an ihren Kirchen, obwohl diese teuer seien und jenen, die bisher die Glocken läuteten, ihre Aufgabe wegnähmen. Noack: „Und diesen Unsinn, den Sie im Westen schon lange haben, machen wir im Osten jetzt nach.“

Mehr banal erscheinende Angebote machen

Noack zufolge muss die Kirche stärker als bisher versuchen, die Menschen in ihrem Alltag zu erreichen: „Das funktioniert freilich nicht immer an den Schnittstellen, an denen wir uns das wünschen.“ Im Naumburger Dom habe man kürzlich alle Frauen eingeladen, die Uta heißen. „Das klingt im ersten Moment blöd und nicht gerade missionarisch“, so der Bischof, „aber die Frauen kamen.“ Solche auf den ersten Blick banal erscheinenden Angebote sollten Kirchengemeinden stärker nutzen, um Menschen mit der christlichen Botschaft zu erreichen.

Nicht alle Frommen sind Fundamentalisten

Mit Blick auf einen aggressiver werdenden Atheismus sagte Noack, auch Teile der „Frommen“ würden aggressiver, etwa die Kreationisten. Allerdings sei es bedenklich, wenn im Zuge der Fundamentalismus-Debatte alle Frommen unter „Fundi-Verdacht“ gestellt würden. Selbst Gruppen wie „Campus für Christus“ werde an Universitäten mittlerweile Misstrauen entgegen gebracht. Das äußere sich etwa darin, dass ihnen keine Räume mehr zu Verfügung gestellt würden. „Da haben wir als Kirche eine Schutzfunktion“, so Noack. Die AMD-Jahrestagung, die noch bis zum 27. Mai dauert, steht unter dem Motto „Macht zu Jüngern, indem ihr tauft und lehrt“. Noack war von 1997 bis 2008 Bischof der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, die zum 1. Januar mit der thüringischen Landeskirche zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland fusionierte. Dort amtiert er seither als Bischof neben Christoph Kähler (Eisenach). Noack wird am 7. Juni aus dem Bischofsamt verabschiedet. Ab Herbst wird er als Dozent für kirchliche Zeitgeschichte und mitteldeutsche Regionalgeschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg unterrichten.

Q: Informationsdienst d. Ev. All.