Der deutsche evangelische Pfarrer in Teheran, Karl Jacobi, sieht die derzeitige Lage im Iran mit einer Mischung aus Hoffnung und Sorge. Die Toten bei den Massendemonstrationen nach der Präsidentenwahl vom Freitag seien ein „schlimmes Zeichen“, sagte Jacobi in einem epd-Gespräch. Auf der andere Seite sei es gut, dass junge Leute bereit seien, für Freiheit und ihre Rechte einzutreten. Ein Sturm auf die Grundfesten der Islamischen Republik könnte jedoch mit einem harten Rückschlag beantwortet werden. Der seit sechs Jahren in Teheran tätige Pfarrer sieht unter den Jugendlichen… „ein enormes Potenzial, was Erneuerungswünsche betrifft“. Darauf müsse die Führung des Landes eingehen. „Mit dem Unmut muss die Politik umgehen, sonst bleibt sie auf einem Dampfkessel sitzen.“ Auch wenn der Wahlverlierer Mir Hossein Mussawi eine stärkere Trennung von Staat und Religion anstrebe, sei die Frage, inwiefern diese überhaupt in der Islamischen Republik Iran möglich sei.
Das von Mussawis Anhängern infrage gestellte Wahlergebnis hält Jacobi für nicht völlig falsch, selbst wenn Unregelmäßigkeiten möglich seien: „Neun Millionen Stimmen Vorsprung für Mahmud Ahmadinedschad sind doch erheblich.“ Ein Einlenken Ahmadinedschads in manchen Punkten hält der Theologe für durchaus möglich. „Die Frage ist aber, ob das reicht, denn die Fronten sind ziemlich verhärtet.“ Die Strategie des Regimes scheine zu sein, den Demonstranten einen gewissen Spielraum zu geben, um so „Luft rauszulassen“, so Jacobi.
Viele der rund 150 Mitglieder und Freunde der deutschsprachigen Gemeinde in Teheran bekämen die Proteste vor der eigenen Haustür mit, berichtete der Pfarrer. Unter ihnen seien zahlreiche Frauen, die seit langem mit Iranern verheiratet seien und schon die Revolution 1979 erlebt hätten. Insgesamt sei eine große Nervosität unter westlichen Ausländern zu spüren, von denen nur noch rund 3.000 im Land seien.
In einer Zeit, in der alles drunter und drüber gehe, wolle die Gemeinde „möglichst viel Normalität vertreten“, einen Raum zum Austausch bieten und für Frieden und Gerechtigkeit beten, sagte Jacobi, dessen Amtszeit in Teheran Ende Juli ausläuft.
Was die Situation der Christen im Land angeht, ist der Theologe grundsätzlich pessimistisch. Seit den 80er Jahren sei die Zahl der Christen von rund 200.000 auf 85.000 gesunken. „Das ist nicht nur eine Frage der Politik, sondern auch der wirtschaftlichen Einschränkungen.“ Dieses im ganzen Nahen und Mittleren Osten bestehende Problem der Abwanderung von Christen bedeute auch, dass die Europäer vor Ort Gesprächspartner verlören: „Der Iran hat als Staat kein Interesse, hier die christliche Gemeinschaft zu halten“.
Q: epd v. 17.06.2009