Embryonenschutz: Neue Debatte entfacht

Über die Zulassung der sogenannten Präimplantationsdiagnostik… wird weiter debattiert. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) rügte am Dienstag Erwägungen in der Regierungskoalition, die auf eine Lockerung des Embryonenschutzes bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) abzielen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), sprach sich für ein sofortiges, zeitlich befristetes PID-Verbot aus. Der evangelische Sozialethiker Ulrich H. J. Körtner plädierte für eine umfassende gesetzliche Regelung zur Fortpflanzungsmedizin.

Wie bei anderen ethischen Konfliktfällen sollte die fundamentale Frage des Embryonenschutzes im Bundestag ohne Fraktionszwang beraten werden, forderte ZdK-Präsident Alois Glück am Dienstag in Bonn. Eine Kompromissmöglichkeit zwischen der von der FDP angestrebten Liberalisierung und dem Verbot der Präimplantationsdiagnostik, auf die sich die Unionsparteien festgelegt haben, sieht der CSU-Politiker Glück nicht. Auch Spahn schließt ein Entgegenkommen der Union aus. «Ich kann mir politisch und persönlich schwer vorstellen, dass wir zu einem anderen Endergebnis kommen, als es im Grundsatzprogramm der CDU steht. Und das bedeutet ein Verbot der PID», sagte der CDU-Abgeordnete der «Rheinischen Post» (Dienstagsausgabe).

Bei der Präimplantationsdiagnostik werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor ihrer Einpflanzung in den Mutterleib auf Erbkrankheiten gentechnisch untersucht. Mit dem Verfahren, das die Weitergabe genetischer Erbkrankheiten verhindern soll, können aber auch das Geschlecht und weitere Merkmale von Embryonen untersucht werden. Eine Neuregelung steht an, weil der Bundesgerichtshof das bisherige Verbot gekippt hatte. Er sprach einen Berliner Arzt frei, der die PID angewendet hatte, um Frauen genetisch gesunde Embryonen einzupflanzen.

In einem Arbeitspapier, das am Montag publik wurde, tritt die FDP für eine Regelung zur Zulassung der PID ein. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder kündigte Gespräche innerhalb der Koalition über die Embryonen-Diagnostik an. Bevor es zu interfraktionellen Anträgen komme, «sollte zunächst innerhalb der Koalition ein mögliches Ergebnis ausgelotet werden», sagte Kauder.

«Schon die Sprache ist verräterisch, wenn FDP-Politiker von einem Reproduktionsgesetz und einem Menschenrecht auf die Entscheidung über die eigene Fortpflanzung reden», kritisierte der Präsident der katholischen Laienorganisation. Damit werde verschleiert, dass es bei der PID um eine Entscheidung zwischen lebenswertem und vermeintlich lebensunwertem Leben gehe. Glück: «Hier zeichnet sich ein Dammbruch im Lebensschutz ab, der zu einer nicht eingrenzbaren Debatte über zumutbare und unzumutbare Krankheiten und Belastungen führt.»

Der evangelische Sozialethiker Körtner sagte dem epd, das «löchrige Embryonenschutzgesetz» tauge nicht zur Regelung der Fortpflanzungsmedizin: «Deutschland braucht vielmehr wie andere Länder auch ein eigenes Fortpflanzungsmedizingesetz.» Der Bundesgerichtshof habe Recht mit der Feststellung, dass die PID keineswegs in jedem Fall der Selektion von vermeintlich lebensunwertem Leben diene. Vielmehr diene die Embryonendiagnostik der Herbeiführung einer Schwangerschaft und damit der Geburt eines Kindes, das ohne PID gar nicht erst erzeugt würde, argumentierte der in Wien lehrende Theologieprofessor.

Die Kirchen vertreten unterschiedliche Standpunkte zur Präimplantationsdiagnostik. Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, sprach sich für eine begrenzte Zulassung der PID aus. Der Deutsche Ethikrat will bis Sommer nächsten Jahres eine Stellungnahme zur genetischen Untersuchung von Embryonen erarbeiten.

Quelle:epd (10/2010)