Wie „pädagogisch“ muss das Fernsehprogramm sein?

Folgenden Konflikt kennen wahrscheinlich viele Eltern. Vor allem jene, die sich für ihre Kinder einen ausgewogenen und qualitativ hochwertigen Medienkonsum wünschen. Mit der Frage: „Darf ich fernsehen?“, fängt alles an. Dann folgt das immer gleiche Schauspiel: Sie erlauben Ihrem Kind fernzusehen unter der Voraussetzung, dass etwas Kindgerechtes, Altersentsprechendes und pädagogisch Wertvolles läuft. Doch beim Zappen wird oft schon klar, dass dieser Anspruch nicht zu erfüllen ist. Fineas, Ferb und Co. lassen grüßen. Und der schöne alte Disneyklassiker auf DVD ist für die Kids auch keine echte Alternative.

Die Kinderzimmerhelden von einst scheinen überholt zu sein. Sie werden immer mehr durch diese überdrehten, lauten und schrillen Sonderlinge abgelöst, die unsere Kinder so lieben. Aber ist das wirklich so verwerflich? Schädigt es die zarte Kinderseele, wie manche Eltern annehmen? Letztlich spiegeln diese neuen Kinderzimmerhelden doch genau unsere momentane Lebenswelt: höher, schneller, weiter. Das heutige Fernsehprogramm orientiert sich an den veränderten Norm- und Wertvorstellungen. Wäre es zu provokativ, wenn man sagen würde, dass das Kinderfernsehen von heute unsere Kinder auf das Leben und die Arbeitswelt von morgen vorbereitet? Multitaskingfähig sein – das ist längst schon Alltag: Nicht eine Sache in Ruhe fertigstellen, sondern gleich mehrere Aufgaben in kürzester Zeit abarbeiten.

Begeisterung und Leidenschaft

Schaut man genauer hinter die Fassade der Kinderserien, kann man neben all dem äußeren Durcheinander die gleichen Themen entdecken, wie wir sie von früher kennen: Freundschaft, anders sein als andere, Gut siegt über Böse etc. Wir sollten aufhören, das zu verteufeln, was auf den Bildschirmen flimmert. Beschäftigen wir uns einfach näher damit. Auf den zweiten Blick werden wir erkennen, dass nicht alles pädagogisch perfekt sein muss. Sind wir dann einmal doch der Meinung, sollten wir uns selbst in die Pflicht nehmen, aus den „nicht pädagogischen“ Themen „pädagogische“ Themen zu machen. Unsere Kinder sind nicht fremdbestimmt. Wir sind für sie, ihre Erziehung, Bildung und vor allem für ihr körperliches und geistiges Wohlbefinden verantwortlich. Der Anspruch, Kinder durch pädagogisch wertvolle Sendungen bilden zu wollen, ist da der falsche Ansatz und viel zu einfach gedacht.

Anstatt die unliebsamen Kinderzimmerhelden als unpädagogisch zu verdammen, nehmen wir sie lieber mit ins Boot. Bildung entsteht da, wo Kinder Begeisterung und Leidenschaft zeigen. Und wenn es eine Zeichentrickfigur ist, die diese Begeisterung in Ihrem Kind auslöst, lassen Sie sich darauf ein. Interessieren Sie sich für das fiktive Idol Ihres Kindes. Auf diese Weise vermitteln Sie ihm, dass Sie seine Belange ernst und wichtig nehmen. Erzählen Sie von Ihren eigenen, in der Kindheit geliebten Idolen. Vielleicht erkennen Sie Gemeinsamkeiten. Durch den Austausch stärken Sie die Bindung zu Ihrem Kind.

Die Medienwelt fassbar machen

Gestalten Sie die bewegungsarme Medienwelt aktiv, indem Sie beispielsweise einzelne Szenen nachspielen. Das schult ganz nebenbei die Sprache. Spielen Sie gemeinsam Scharade und stellen Sie pantomimisch die einzelnen Figuren nach. Lassen Sie Ihr Kind die Helden seiner Zeit malen. Basteln Sie aus den gemalten Karten ein Memoryspiel oder animieren Sie ältere Kinder, einen Comic zu erstellen. Vertrauen Sie auf die Fantasie und Ideen Ihres Kindes. Mit der Zeit wird es lernen, sich mit den Themen, die es bewegt, kreativ auseinanderzusetzen.

Machen Sie die Medienwelt im wahrsten Sinne des Wortes fassbar für Ihr Kind. Aber nicht um jeden Preis. Gönnen Sie Ihrem Kind auch Zeiten, in denen es einfach nur konsumieren darf.

Die Autorin, Michaela Glöckner, arbeitet als Erzieherin und Sozialfachwirtin an einer Grundschule und lebt mit ihrem Mann und ihrem achtjährigen Sohn in Gladenbach.

Quelle: family.de


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