Wie kann man trösten?

Der Advent ist eine Zeit der Vorbereitung und der Vorfreude auf Weihnachten. Was aber, wenn einem nicht nach Freude und Feiern zumute ist? In den Gottesdiensten zum Advent wird unter anderem diese Frage gestellt. Und auch Rundfunkpfarrer Wolf-Dieter Steinmann fragt, was man für Menschen tun kann, denen es nicht wirklich gut geht in diesen Tagen. Eine adventliche Antwort findet er beim Propheten Jesaja…

Was kann man tun für die eigene Tochter, die in einem Tal festsitzt und nicht mehr herauskommt? Was kann man tun für den Freund, der eine Aufgabe vor sich sieht wie ein Berg, viel zu hoch, viel zu schwierig? Was kann man tun? Wenn man sieht, dass jemand in seinem Tal hängt oder vor einem Berg kapituliert. Man kann den anderen nicht aus dem Tal herauszerren oder den Berg rauftragen. Also zusehen?

Der Prophet Jesaja sieht etwas Drittes: Trösten. „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht Euer Gott“, hat Jesaja geschrieben. In den evangelischen Gottesdiensten wird heute nachgedacht, wie das gehen kann, Erwachsene trösten. Oh nein, denken Sie vielleicht. Trösten, ist das nicht ein bisschen altmodisch? Höchstens was für Kinder? Ich denke nicht. Ich glaube, gerade für Erwachsene ist trösten eine Kunst. Jesaja deutet an, worauf es dabei ankommt. An erster Stelle steht für ihn: „Redet ‚freund-lich’“. Das bedeutet nicht, süß und sanft zu säuseln. Freund-lich: Freund steckt da drin. Also, sich neben den anderen stellen in seinem Tal und vor seinem Berg. Nicht als Lehrmeister oder Besserwisser, kein Verharmloser sein, der sagt, ‚ist doch alles nicht so schlimm’. Ein Freund.

Konkret: Zuerst das Problemtal und den Problemberg mit den Augen des anderen sehen. Aber dabei nicht bleiben, sondern helfen, das Problem mit anderen Augen zu sehen. Eine andere Sicht kann ein Problem verändern, dass es nicht mehr so drückt oder dass der andere sich rantraut. Trösten ist die Kunst: Zum anderen zu halten als Freund. Mit ihm Schritte zu finden, die er bisher nicht gesehen hat, einen Weg zu suchen, den sie einschlagen kann oder einer Aufgabe ihren Schrecken zu nehmen. Damit sie selbst gehen kann, heraus aus dem Tal oder den Berg hinauf.

Geht solches Trösten nur zwischen Verwandten oder Freunden? Wenn ich es bedenke: Könnte nicht an vielen Orten so freundlich geredet werden? Im Tal oder vor einem Berg sind wir doch oft. Könnte nicht auch in einer Arbeitsagentur freund-lich getröstet werden? Wenn wieder mal eine Bewerbung gescheitert ist? Oder in Kliniken, vor einer Operation. Oder in den Geschäften vor Weihnachten, wenn KollegInnen einander den Stress nicht vergrößern, sondern ihn reduzieren? Ich bin sicher, es könnte nicht nur, es wird getröstet. Aber vielleicht ginge es ja noch öfter.

Jesaja sagt übrigens noch etwas Erstaunliches: Wer einen anderen Menschen so tröstet, aus dem spricht Gott. Wo es Ihnen und mir gelingt, einen anderen zu trösten, da kommt Gott durch uns in die Welt.