Wenn Menschen gesund werden, gibt es nicht immer medizinische Erklärungen dafür. Sind es göttliche Wunder oder Einbildung? Das ist kaum zu beantworten, zeigt eine Sendung der Talkshow Tacheles, über die hier berichtet wird…
Von Wundern können alle vier Gäste der Sendung erzählen. Der Wissenschaftsjournalist Sebastian Herrmann erzählte, wie ein herabstürzender Felsbrocken dort einschlug, wo Herrmann Sekunden zuvor noch gesessen hatte. Eckart von Hirschhausen, Arzt und Kabarettist, erlebte, wie ein Mann wieder hören konnte, nachdem dieser das Gehör nach einem Unfall verloren hatte. Pfarrerin Nora Steen berichtete von einem blinden Mädchen, das wieder sehen konnte. Und der östereichische Evangelist Erwin Fillafer hat in seinen Heilungsgottesdiensten ohnehin schon viele Menschen gesund werden sehen.
Doch die Frage der Tacheles-Sendung „Gottes Werk oder fauler Zauber: Sind Wunderheilungen möglich?“, die am Freitag aufgezeichnet wurde, ist bei alledem: War es ein göttliches Wunder oder etwas anderes – Einbildung zum Beispiel? Und was haben uns in dem Zusammenhang die Geschichten zu sagen, in denen Jesus Kranke geheilt hat? Mit Blick auf diese Frage erscheint die Zusammensetzung der Diskussionsrunde ausgewogen und differenziert. Herrmann, der kein gläubiger Christ ist, wie er sagt, hat die Rolle des Wunder-Skeptikers. So komme es darauf an, wie jemand Heilung definiere. Wer an Gott glaubt, suche auch nach dessen Wirken im Alltag. Für diese Menschen trete die Bedeutung einer erfolgreichen Therapie gegenüber dem Handeln Gottes in der Wahrnehmung zurück.
Von Hirschhausen steht dessen Position offenbar näher als der Auffassung, dass übernatürliche Dinge geschehen. Zwar zweifelt er Berichte davon nicht an, aber er versucht immer wieder, mögliche wissenschaftliche Erklärungen dafür heranzuziehen. Er findet religiöse Heilungspraktiken gut, so lange sie die medizinisch erprobte Behandlung sinnvoll ergänzen. „Alles, was seelisch unterstützt, ist wünschenswert. Kritisch sind Heiler, die sagen, ihr braucht keine Operation oder Therapie.“ Von Hirschhausen lässt aber auch erkennen, dass er die Heilungserfolge eher nicht göttlichem Eingreifen zuschreibt. Er verweist auf psychische Zusammenhänge von Krankheiten und die helfende Kraft von Symbolen und Ritualen. In dieser Hinsicht hat die evangelische Kirche hat seiner Meinung nach einen „Schatz“ gegenüber der katholischen eingebüßt.
„Heilung gibt es nicht auf Rezept“
Auf der anderen Seite sitzt Fillafer, der kaum zu bremsen ist, wenn er davon erzählt, wie in verschiedenen Ländern Menschen in seinen Gottesdiensten durch Gebet gesund wurden. Es scheint ihm schwer zu fallen, die Diskussionsthemen aufzugreifen, denn er landet immer wieder bei eigenen Erlebnissen. Dadurch wirkt er als Gesprächspartner wie ein Exot. Das führt zudem dazu, dass sich das Gespräch streckenweise vor allem zwischen den anderen Gästen abspielte.
Auch Pfarrerin Steen, die als Sprecherin des Wortes zum Sonntag bekannt ist, bietet Seminare an, bei denen es um Heilung geht. Doch sie legt Wert darauf, dass hier nicht Menschen „Knall auf Fall“ gesund werden, sondern dass sie mit seelsorgerlicher Begleitung Raum haben, „Lebenswunden“ von Gott anschauen zu lassen und gesegnet zu werden. Sie schließt göttliches Wirken bei Krankenheilung nicht aus. Mit Fillafers Herangehensweise hat sie aber Schwierigkeiten: „Dass Leute dieses Wunder quasi auf Knopfdruck vollbringen: Da ist eine Spur Vermessenheit, Gott Spielen drin.“
Das ist auch ihre Antwort auf die Frage, warum Jesus damals keine Krankenhäuser errichtete: Wenn Heilung passiert, sei dies wunderbar, „aber es ist etwas, was uns völlig entzogen ist, das liegt in Gottes Allmacht“ und gebe es nicht auf Rezept.
„Wunder – warum nicht?“
Wo ist Grenze zum Wunder, was ist die andere Seite, die dazu kommt? Diese Frage konnte die Diskussionsrunde jedoch nicht abschließend beantworten. Herrmann kritisiert er, dass oft nur plakativ erfolgreiche Heilungsgeschichten präsentiert würden. Dabei gebe es auch enttäuschte Hoffnungen, Heiler, die nicht helfen konnten und den Patienten mit dem Gefühl zurückließen, selbst schuld an der Krankheit zu sein.
Steen und von Hirschhausen pflichten ihm bei, sie würden allergisch, „wenn Krankheit mit Sünde und Moral gekoppelt“ würde. Von Hirschhausen zog oft die psychologische Karte von Placebo-Behandlungen bis zu Scheinschwangerschaften. Fillafer bemüht den Heiligen Geist und sagt, dass jeder Christ den Auftrag habe, andere zu heilen. Für Steen braucht es keine Erklärung: „Wir haben Drang, Dinge rational erklären zu können“, aber warum sollte es keine Wunder geben? Ob man das so nennt oder ob Gott durch Schulmedizin oder durch Placebo heilt, sei ihr „relativ egal“. Nur auf Rezept gebe es Heilung nicht. Und auch Jesus wäre nicht so bekannt gewesen, wenn es bei ihm keine göttliche Dimension gegeben hätte. Heiler habe es damals viele gegeben.
So ermutigt sie in ihrem Abschluss-Statement kranke Menschen, Gott wirken zu lassen. Bei Personen, die einen „Absolutheitsanspruch“ auf das Heilen hätten, sollten sie jedoch vorsichtig sein. Das findet auch der Journalist Herrmann. Von Hirschhausen empfiehlt Kranken, Dinge zu tun, an denen sie Freude haben und sich nicht einreden zu lassen, sie seien schuld an ihrer Krankheit.
Moderator Jan Dieckmann führt souverän durch das Gespräch und verteilt die Fragen geschickt an seine Gäste. Dass er jedoch Filaffer kein Schlusswort zugesteht, ist bei aller Sorge um Einladungen zum Heilungsgottesdienst oder Bekehrungsaufrufen kein fairer Zug. Die Tacheles-Sendung „Gottes Werk oder fauler Zauber: Sind Wunderheilungen möglich?“ wird am 20. Juli um 13 Uhr auf Phoenix ausgestrahlt. (pro)
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