Viel Lob für den neuen EKD-Ratsvorsitzenden

[ekd-synode] – Die Wahl des bayerischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm (München) zum Nachfolger von Nikolaus Schneider findet breite Zustimmung. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel erklärte, Bedford-Strohm stehe für eine Kirche, die zu Unrecht und Armut nicht schweige. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion… äußerte: „Es gilt, die Kirche in die Auseinandersetzungen mit den Themen der Zukunft zu führen und die Bedeutung des Glaubens… wieder mehr in das Bewusstsein der Menschen zu bringen.“ Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Präses Michael Diener, sagte idea, die Wahl sei eine „Entscheidung mit Perspektive“ angesichts der großen Herausforderungen für die EKD. Die Allianz werde konstruktiv mit ihm zusammenarbeiten. Das gelte auch für den Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverband, dem Diener im Hauptamt vorsteht.

Nachfolger von Schneider, der wegen seiner krebskranken Ehefrau den Stab weiterreichte

Der 54-jährige Bedford-Strohm wurde am 11. November in Dresden von der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD zum höchsten Repräsentanten der 23 Millionen evangelischen Kirchenmitglieder gewählt. Er erhielt 106 von 125 abgegebenen Stimmen. Es gab elf Nein-Stimmen und acht Enthaltungen. Er tritt die Nachfolge von Nikolaus Schneider an, der sein Amt niedergelegt hatte, um sich seiner krebskranken Frau zu widmen.

Die EKD in der heißen Phase

Bedford-Strohm sagte in seiner Vorstellungsrede, die evangelische Kirche befinde sich in der heißen Phase der Vorbereitung auf das 500-jährige Reformationsjubiläum im Jahr 2017. Er sei sich mit Schneider einig, dass es ein großes Christusfest im ökumenischen und internationalen Horizont werden solle. Dabei wolle man „die große Kraft des Evangeliums“ für die heutige Zeit bezeugen. Die EKD will sich – so der neue EKD-Chef – auch künftig in die öffentlichen Diskussionen einmischen, sich aber nicht als die „besseren politischen Kommentatoren“ aufspielen. Vielmehr gehe es darum, aus geistlicher Sicht zu den Fragen der Zeit zu reden.

Sozialethiker, Theologe, SPD-Mann, dessen Mitgliedschaft ruht

Bedford-Strohm ist seit drei Jahren Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Er studierte von 1981 bis 1988 Evangelische Theologie in Erlangen, Heidelberg und Berkeley. Von 1989 bis 1992 war er Assistent des in Heidelberg tätigen Sozialethikers Prof. Wolfgang Huber – von 2003 bis 2009 ebenfalls EKD-Ratsvorsitzender. Von 1997 bis 2004 war Bedford-Strohm Pfarrer an der Coburger Morizkirche. Dann wurde er Theologieprofessor an der Universität Bamberg. Er gehört der SPD an (wie seine Vorgänger Nikolaus Schneider und Wolfgang Huber), lässt aber (wie sie) im Amt die Mitgliedschaft ruhen.

Bischof Dröge in den Rat gewählt

Zuvor war der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge , in den Rat der EKD gewählt worden. Er erhielt 119 von 133 abgegebenen Stimmen; acht votierten mit Nein, und sechs enthielten sich. Der 60-jährige Dröge ist seit 2009 Bischof. Wie er bei seiner Vorstellung vor der Synode sagte, ist er in einem evangelischen Elternhaus aufgewachsen und hat wesentliche geistliche Impulse im CVJM Bonn erhalten. Er habe aufgrund der Beschäftigung mit dem Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) das Theologiestudium aufgenommen. 25 Jahre war er Gemeindepfarrer und später Superintendent in Koblenz. Die EKD-Synode tagte vom 9. bis 12. November in Dresden. Das „Kirchenparlament“ besteht aus 126 Mitgliedern; 106 wurden durch die Synoden der 20 Mitgliedskirchen gewählt, 20 weitere hat der Rat berufen. Als Präses amtiert die frühere FDP-Bundesministerin Irmgard Schwaetzer (72, Berlin).

Ev. Nachrichtenagentur idea

 

Die EKD steht unter Stro(h)m

[kommentar] – Vier Erfahrungen mit Heinrich Bedford-Strohm

Selten ist im Vorfeld so klar gewesen, wer neuer Chef der EKD wird, wie bei der Nachfolge von Nikolaus Schneider. Denn zu Heinrich Bedford-Strohm gab es kaum Alternativen. Zudem wollte der bayerische Landesbischof auch höchster Repräsentant des landeskirchlichen Protestantismus in Deutschland werden. Was Ehrgeiz, Selbstbewusstsein und viele theologische Ansichten betrifft, ähnelt er stark einem seiner Vorgänger, Wolfgang Huber, dessen Schüler der Bayer ist.

Unglaublich schnell

1. Für Journalisten ist Bedford-Strohm schon mal ein Glücksfall. Bei der letzten Ev.-Nachrichtenagentur-idea-Bitte Ende Oktober um einen Beitrag („Sollten Christen Facebook stärker nutzen?“) hatten wir ihn schon 90 Minuten später!

Links, aber gesprächsbereit

2. Bedford-Strohm ist im Gegensatz zu manchem Bischofskollegen überhaupt nicht menschenscheu. Freundlich geht der SPD-Mann (seine Mitgliedschaft lässt er ruhen, seit er 2011 Landesbischof wurde) auf alle zu. Das gilt auch für die ihm oft kritisch gegenüberstehenden konservativen Protestanten. Als ein prominenter Bayer wegen der Segnung homosexueller Partnerschaften aus der Landeskirche austreten wollte, besuchte ihn der Landesbischof nicht nur, er verstand es auch, derart auf den Pietisten einzugehen, dass der seine Austrittsankündigung beglückt zurückzog, ohne dass sich die bayerische Landeskirche auch nur einen Deut ändern musste.

… nur noch nicht bei allen Themen

3. Dabei hat der neue EKD-Chef gleichwohl überaus klare theologische Positionen. Als Ende 2012 die „Süddeutsche Zeitung“ völlig unqualifiziert der evangelischen Lukas-Schule in München vorwarf, dem „christlich-fundamentalistischen Spektrum“ nahezustehen, weil sie angeblich vertrete, die Schöpfung von Welt und Mensch sei so erfolgt, wie es zu Anfang der Bibel steht, stellte sich die bayerische Landeskirche nicht vor die unter Kirchenmitgliedern hoch angesehene Schule. Stattdessen kündigte sie sofort eine Prüfung der Vorwürfe an. Als ich Bedford-Strohm daraufhin ansprach, dass eine ganze Reihe Lehrer und Eltern ihren Unmut über das unsolidarische Verhalten der Kirchenleitung idea mitgeteilt hätten, konterte der Landesbischof höchst unwirsch: Wer eine kreationistische – also gegen die Evolutionstheorie gerichtete – Lehre verbreite, habe keinen Platz in der Landeskirche. Mein Einwand, dass dann eine ganze Reihe von Evangelikalen sich ausgeschlossen fühlen müssten, überzeugte ihn nicht. Mittlerweile wurden die Vorwürfe der „Süddeutschen“ widerlegt. Zwischen Schule und Kirche ist wieder Frieden.

Lieblingsproblem Klimawandel

4. Liest man Reden und Predigten des bayerischen Landesbischofs merkt man schnell, dass sein Lieblingsthema die Schöpfung und entsprechend der Klimawandel ist. Bedford-Strohm ist eben ein Mann des ersten Glaubensartikels („Ich glaube an Gott … den Schöpfer des Himmels und der Erde“). Beim Jahresempfang der Evangelischen Akademie Tutzing im Januar schilderte er in dramatischen Worten das Verschwinden von Inseln im Pazifik als Folge des Klimawandels. Ursache sei vor allem unser westlicher Lebensstil. Beim Hören der Rede sank man geradezu in sich zusammen – getroffen von Schuldgefühlen (wobei die Frage, was man denn nun dagegen tun sollte, höchst unkonkret blieb). Als dann als Hauptrednerin die Halbschwester von US-Präsident Obama angekündigt wurde, sank ich noch tiefer. Schwarz, Soziologin und aus Kenia – allein das ließ vermuten, dass bei der Kritik am Westen noch einmal eins draufgelegt würde. Doch dann passierte das glatte Gegenteil. Ich traute meinen Ohren nicht, als Auma Obama in wunderbarem, fremdwortfreiem Deutsch sagte, Afrika müsse selbst mit seinen Miseren fertig werden. Viele Afrikaner hätten sich zu sehr dran gewöhnt, dass ihnen aus westlichen Ländern geholfen werde. Genau das aber bringe Afrika nicht voran! Endlich mal fühlte ich mich bei einer kirchlichen Veranstaltung als Deutscher nicht allein an allem Welt-elend schuldig!

Ein Bischof sollte Aufseher sein

Der neue EKD-Chef sollte der Gefahr begegnen, zu sehr auf Zeitgeistthemen zu setzen. Es wäre stattdessen ein Segen für Kirche und Welt, wenn er vor allem viele praktische Antworten gäbe auf die Fragen, die nur wir Christen befriedigend beantworten können (und nach denen sich mehr denn je Menschen sehnen): nach Leid, Schuld und Tod.

Deshalb, verehrter neuer Ratsvorsitzender, bitte auch an den zweiten Glaubensartikel (ich glaube an Jesus Christus) und den dritten (ich glaube an den Heiligen Geist) denken! Das Wort Bischof bedeutet auf Deutsch Aufseher sein, nicht Wegseher (die wirklichen Probleme der Kirche nicht anpacken) oder Gleichseher (die größte Gefahr des Protestantismus: dem Hauptstrom der gerade aktuellen gesellschaftlichen Ansichten zu folgen). Beten wir also für den neuen EKD-Ratsvorsitzenden!

Verfasser des Kommentars: Helmut Matthies, Leiter der Ev. Nachrichtenagentur idea