Kein Reli ohne Kirche

Nicht jeder, der oder die Religionslehrer/in werden möchte, darf das auch. Denn die Kirche muss dazu ihre Erlaubnis geben. Für manche Freikirchler und Nicht-ACK-Gruppen wird das zum Problem. Das „pro Medienmagazin“ hat dazu einen Artikel veröffentlicht, der auf eine in der Tat gravierende Gefahr hinweist: Nicht gerade selten sind Anhänger von christlichen Spezialgruppen „religiös rechts außen“ angesiedelt. Die „normalen“ Kirchen werden von ihnen als „nicht fromm genug“ empfunden, die Kindertaufe wird pauschal als „ungeistliche kirchliche Schluckimpfung ohne biblisches Profil“ bewertet. Und allein schon die im Bereich eines landeskirchlichen „geistlichen Realismus“ anzusiedelnde Betrachtungsweise, dass die Erde nicht zwingend in sieben 24-Stunden-Zyklen erschaffen worden sein muss, sondern dass die Vokabel „jom“ selbst schon in der Ursprache des Alten Testamentes häufig für einen Zeitraum von mehr als 24 Stunden bildlich benutzt wird, kann im Fundamentalisten-Lager zu akuten Allergie-Attacken führen. Wie schwer realistische Glaubenszugänge für Radikal-Fundamentalisten mitunter akzeptierbar… sind, zeigt ein Beispiel aus der Schweiz: Eine Biologie-Lehrerin hatte es in einem radikal freikirchlich geprägten Dorf gewagt, Evolutionstheorien als zum Allgemeinwissen gehörende mögliche Denkansätze neutral und ohne jegliche Wertung darzustellen – und eben jenes hat sie umgehend nicht weniger als ihre Arbeitsstelle gekostet – weil „das“ von einer extremgemeinschaftlich engen Fundamentalisten-Ideologie als „zu viel“ empfunden wurde.

Auch hierzulande hat so manches grottenschlechte Gebaren von radikalideologisch infizierten „Sondergemeinschaftsschäfchen“ zu penetrant peinlichen Polter-Petitionen geführt – wie das jüngste Beispiel jener angeblich so christenfeindlichen NDR-Reportage zeigte. Nach eingehender Prüfung zunächst im Rechts- und Eingabenausschuss, dann in der Sitzung des Rundfunkrats am 5.12.2014 sah übrigens das Gremium die staatsvertraglich festgelegten Programmgrundsätze des NDR nicht verletzt und wies folgerichtig die Programmbeschwerde ab. Eine Chronologie der überwiegend sondergemeinschaftlich stimulierten Seltsamkeiten findet sich zum Beispiel hier: www.vitamin-c-online.com/2014/08/ard-sendung-kontrovers-erste-reaktionen

Bzgl. des sondergemeinschaftlich „sadduzierten“ Schulunterrichtes erscheint das ordnende Eingreifen landeskirchlicher Stellen aus hiesiger Sicht unbedingt geboten: Wo kämen wir hin, wenn in einer Zeit dramatischen Glaubens- und Werteverlustes bereits in der Schule über den Kindern und Jugendlichen eine drastische Denk-Sperre verhängt würde, mittels derer übrigens niemals mündige Christenmenschen auf den zunehmenden Welt-Atheismus vorbereitet werden könnten – und erst recht nicht sauber argumentativ gegen gigantisch geifernde Gottvergessenheit gerüstet würden. Will sagen: Das Ruder der angeblich ach so „bösen Welt da draußen“ werden nicht die Radikalreligiösrechten herumreißen, sondern das Gebot der Stunde heißt: Denken erlauben, Glauben kennenlernen, Aneignungsräume schaffen! Hier sind natürlich besonders die Kirchen herausgefordert: Wie kann es uns gelingen, den Religionsunterricht als größtmöglichen Gewinn zu gestalten? Vor dem Hintergrund einer pluralen Gesellschaft liegt die Hauptaufgabe angemessenen Religionsunterrichtes darin, eine Orientierung für Kinder und Jugendliche durch religiöse Bildung zu ermöglichen. In der Schule geht es um abprüfbare Fertigkeiten und Fähigkeiten, um Kompetenzen und um Wissen. Wie steht es da um das Verhältnis zum Glauben? Ist eine Entwicklung der Spachfähigkeit im Glauben nicht genau die Schnittstelle zwischen Glauben und Wissen, diesen angeblich ungleichen Geschwistern? Die Herausforderung eines verantwortungsvollen Religionsunterrichtes besteht darin, die religiöse Identitätsbildung pädagogisch zu unterstützen, ohne zu meinen, über die im Prozess der Selbstwerdung auszubildende entscheidende Bestimmtheit eines Menschen verfügen zu können. Will sagen: Angemessener Religionsunterricht muss Anlässe bieten, von denen aus Impulse zur persönlichen Glaubensentwicklung ohne Zwang möglich sind. Und diesen vernünftigen Rahmen haben die Landeskirchen zu schützen, wozu es auch mitunter gehören kann, dialogunwilligen Freichristlichkeiten gegenüber eine klare Kante zu zeigen.

Der ganze – bedauerlicherweise etwas einseitige – PRO-Beitrag „Kein Reli ohne Kirche“ findet sich hier: www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/kein-reli-ohne-kirche-90507