Die Zukunft der Kirche entscheidet sich in den Gemeinden

Die Zukunft der Kirche entscheidet sich in den Gemeinden. Diese Ansicht vertritt der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, Prof. Gerhard Wegner (Hannover), in einem Beitrag für das „Deutsche Pfarrerblatt“. Er trägt den Titel „Renaissance der Kirchengemeinde?“. Wegner analysiert darin die 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) der EKD. Sie konzentriert sich auf die Rolle der Gemeinden. Das überrasche, so Wegner, „weil nicht zuletzt die Tradition der KMU selbst mitursächlich für eine Ausblendung der Kirchengemeinden aus vielen Bereichen der empirisch sozialen Erforschung der kirchlichen Praxis der letzten Jahrzehnte gewesen ist“. Die Gemeinden seien spätestens… seit Ende der 60er Jahre als „bornierte, milieuverengte, überalterte und sozial letztendlich marginalisierte Restbestände des volkskirchlichen Christentums“ betrachtet worden. Stattdessen habe man sich lieber mit den „kirchlich Distanzierten“ beschäftigt. Das sei ein „arger Realitätsverlust“ gewesen. Wegner: „Wer realistisch Entwicklungsperspektiven der Volkskirche in den Blick nehmen will, der muss sich mit der Lage der Gemeinde befassen.“

45 Prozent fühlen sich ihrer Gemeinde sehr verbunden

Laut Wegner ist die Ortsgemeinde „nach wie vor die mit Abstand wichtigste Drehscheibe der Kirchenmitgliedschaft“. Die KMU habe gezeigt, dass sich 45 Prozent der evangelischen Kirchenmitglieder ihrer Gemeinde sehr oder ziemlich verbunden fühlen, ebenso der evangelischen Kirche insgesamt. Beides lasse sich gleichsetzen. Die Landeskirchen sowie andere evangelische oder diakonische Einrichtungen fielen demgegenüber weit ab. Die häufig geäußerte Vermutung, dass sich viele Protestanten zwar der Kirche insgesamt verbunden fühlten, nicht aber der Gemeinde vor Ort, lasse sich daher nicht halten.

Alle Kampagnen unter Distanzierten liefen ins Leere

Wie Wegner weiter schreibt, wächst Kirche vor allem durch die Gemeinden. Sie zeichneten das „Realbild“ von Kirche. Wegner: „Es war ja in der Vergangenheit immer wieder verblüffend zu sehen, wie groß angelegte Kampagnen zur Gewinnung der kirchlich Distanzierten oder gar Konfessionslosen angestellt wurden, die zwar dieses Ziel verfehlten, aber faktisch zur ‚Modernisierung’ der bereits der Kirche verbundenen Menschen beigetragen haben.“ Als Beispiel nennt er das kirchliche Engagement auf der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover. Wer die Kirche weiterentwickeln wolle, müsse bei den 45 Prozent der Engagierten ansetzen und ihre Verbundenheit zur Kirche stabilisieren. Denn von diesen rund zehn Millionen Christen in der EKD hänge „ganz viel“ ab. Das schließe nicht aus, dass sich am Rand der Kirche Erneuerungen ergeben können, die den „Kern“ befruchten. Man werde sehen, was Migrantengemeinden und neue religiöse Bewegungen diesbezüglich einbrächten. Herausgeber des Deutschen Pfarrerblatts ist der Verband evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland (Kassel).