Der Liederdichter Paul Gerhardt im Interview

304490800Paul Gerhardt ist als ein begandeter Liederdichter bekannt geworden. Im Folgenden findet sich ein Gottesdienst-Interview zu Paul Gerhardt…

 

(Bild: scm)

 

Gottesdienst-Interview mit Paul Gerhardt.

 

eg 503,1+6+14

(drei Strophen)

Geh aus, mein Herz, und suche Freud…


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LIEBER PAUL GERHARDT, HERZLICH WILLKOMMEN HIER IN unserer Dorfkirche!

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Friede und Freude zuvor! Und ergebensten Dank für die Einladung! Schön und liebevoll habt ihr’s hier eingerichtet.

 

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DANKE! UND WIR FREUEN UNS, DASS WIR HEUTE ÜBER DICH UND DEINE LIEDER SPRECHEN KÖNNEN.

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Meinst du, im modernen Internetzeitalter und im Zeichen der neuen deutschen Rechtschreibung können heute die Menschen noch was mit meinen alten Liedern anfangen?

 

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Zugegeben, manche Menschen tun sich schwer damit. Sie haben Bedenken, dass das alles zu mittelalterlich klingen könnte.

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Genau das hat mich damals auch gestört. In jungen Jahren bin ich sehr geprägt worden vom großen Theologen Johann Arndt. Dieser hat nicht nur auf eine gesunde Lehre geachtet, sondern auch auf die Heiligung des Menschen – also dass du nicht nur formal Mitglied in einer Kirche bist, sondern auch mit dem Herzen bei Gott bist und ein Leben führst, das etwas mit Gott zu tun hat.

Viele Lieder, die wir damals gesungen haben, waren so abstrakt – so unnahbar – so, dass man davon gar nicht persönlich betroffen war.

 

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UND WAS HAST DU DAGEGEN UNTERNOMMEN?

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Zunächst habe ich mich darüber geärgert. Doch dann habe ich mich einfach hingesetzt und selber ein paar Verse gedichtet, die den persönlichen Glauben und das persönliche Leben in den Mittelpunkt stellten. Es ist schön und gut, wenn die Gemeinde als Ganzes mit Gott Kontakt aufnimmt. Aber wenn ich nicht persönlich von Gott betroffen und beteiligt bin, dann bringt das nicht so viel.

Wenn du eines Tages vor Gott stehst, dann fragt er dich nicht nach dem Bekenntnis deiner Gemeinde, sondern er fragt dich nach dir und deinem ganz persönlichen Leben.

 

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ALS DU ELF JAHRE ALT WARST, GING DER 30-JÄHRIGE KRIEG LOS. KANNST DU UNS ETWAS DARÜBER ERZÄHLEN?

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Das waren echt schwere Zeiten. Man wollte uns nämlich wieder die mühsam erkämpfte Religionsfreiheit wegnehmen. All die großen Errungenschaften sollten einfach wieder rückgängig gemacht werden. Ist doch klar, dass sich die Protestanten das nicht gefallen ließen! Als Grundschulkinder hatten wir gelernt, dass die Reformation Martin Luthers eine riesengroße Befreiung gebracht hat. Der ganze Irrsinn mit dem dauernden klerikalen Macht-Gehabe und diesen peinlichen Ablass-Briefen ist Gott sei Dank weitgehend zerschlagen worden. Martin Luther hatte entdeckt: Du brauchst nicht sonstwas an Menschen-unmöglichen Wahnsinns-Leistungen zu bringen, um in den Himmel zu kommen. Jesus ist am Kreuz für all deine Ziel-Verfehlungen und für all dein Versagen gestorben.

Wenn du das im Glauben annimmst, dann bist du vor Gott ok!

Was meinst du, welche Befreiung die Reformation damals gebracht hat!

Aber das wollten einige Leute wieder rückgängig machen. Man wollte wieder die römisch-katholische Einheit in Europa herstellen. Zentralismus – statt Religionsfreiheit. Und natürlich ging‘s auch damals um die Machtfrage!

Das hat einige Landesfürsten so sehr erzürnt, dass sie mit voller Kraft dagegen zu Felde gezogen sind.

Und bekanntlich ruft jede Gewalt eine Gegen-Gewalt hervor. Zum Schluss war fast jeder mit jedem verfeindet. Am Ende war Deutschland völlig ruiniert. Und die Bevölkerung war von 17 Millionen auf 8 Millionen Menschen gesunken.

 

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So weit ich weiß, endete diese Kette von Kriegen erst mit dem „Westfälischen Frieden“ im Jahr 1648. Da warst du 41 Jahre alt. Gab es in den 30 Kriegsjahren eigentlich Gründe dafür, Gott zu loben – also gutes über GOTT zu erzählen?

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Am Anfang habe ich keinen einzigen Grund dafür gesehen, Gott zu loben. Und ich habe mich sehr schwer damit getan, Loblieder zu dichten.

 

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Was hast du dann für Lieder gedichtet?

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Klagelieder.

 

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Kannst du uns eins deiner ersten Lieder vorsingen?

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Vorlesen ist – glaub ich – besser für eure Ohren.

Die folgenden Zeilen habe ich in Anlehnung an den 85. Psalm gedichtet:

Ach, dass ich hören sollt das Wort

erschallen bald auf Erden,

dass Friede sollt an jedem Ort,

wo Christen wohnen, werden!

Ach, dass uns doch Gott sagte zu

des Krieges Schluss, der Waffen Ruh

und alles Unglücks Ende.

Ach dass doch diese böse Zeit

bald weiche guten Tagen,

damit wir in dem großen Leid

nicht mögen ganz verzagen.

 

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Aber im 85. Psalm ist doch von Krieg gar nicht die Rede.

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Das stimmt. Aber ich habe beim Psalmen-Beten festgestellt, dass ich meine ganz persönliche Not und die Not meines Landes einfach so da hinein-beten kann.

Gebet soll ja immer was Ehrliches sein. Und wenn ich klagen muss, dann tue ich das auch.

 

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Du hast aber auch viele Hoffnungslieder gedichtet. Und wir staunen noch heute darüber, wie du das geschafft hast – mitten in den schrecklichen Leid-Erfahrungen: Vier deiner fünf Kinder und deine Frau sind lange vor dir gestorben. Und aus deinem ersten Amt als Pfarrer in Berlin wurdest du entlassen – nur weil du deinem Bekenntnis treu geblieben bist.

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Du hast gut recherchiert. Ja, das waren harte und schwere Zeiten. Dazu kamen die Pest-Epidemie, das Massensterben und die Heimatlosigkeit.

 

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Aber dennoch hast du Gott gelobt. Wie war dir das möglich: Gott loben – mitten im tiefsten Leid.

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Irgendwie habe ich es nicht eingesehen, den Kontakt zu Gott abzubrechen. Warum sollten wir ihm nicht dennoch singen? In einem der Psalmen (im 73. – Vers 23) heißt es ja auch: Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. Dazu komme ich später auch nochmal.

Also, liebe Gemeinde: Warum sollt‘ ich meinem Gott nicht singen?

 

eg 325,1+7

Sollt‘ ich meinem Gott nicht singen…

(zwei Strophen)

 

 

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Immer wieder hast du einen Grund zum Singen und Loben und Klagen gefunden. Aber hast du nie gefragt, warum Gott denn das Böse einfach „geschehen“ lässt?

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Diese Frage hat mich anfangs auch nicht losgelassen. Und natürlich habe auch ich mich gefragt: Wie kann Gott das denn alles „dulden“?

Aber dann habe ich die Bibel gelesen. So richtig intensiv studiert. Auch an der Universität.

Aber eins hat mich nicht losgelassen:

Der leidende Jesus am Kreuz!

Wer genau hinschaut, der entdeckt: Dort am Kreuz hängt der ganze Jammer der ganzen Welt! Das hat uns damals viel Trost gegeben. Und darüber habe ich viele Lieder geschrieben.

 

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Welches von deinen über 30 so genannten „Kreuz-und-Trost-Liedern“ bedeutet dir am meisten?

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Schwer zu sagen. Wahrscheinlich ist es dieses hier – und ich entschuldige mich in eurer modernen Gemeinde vorsichtshalber für das altbackende Sprachgewand…

 

eg 84,1+6

(zwei Strophen)

1. O Welt, sieh hier dein Leben

am Stamm des Kreuzes schweben,

dein Heil sinkt in den Tod.

Der große Fürst der Ehren

lässt willig sich beschweren

mit Schlägen, Hohn und großem Spott.

 

6. Du setzest dich zum Bürgen,

ja lässest dich gar würgen

für mich und meine Schuld;

mir lässest du dich krönen

mit Dornen, die dich höhnen,

und leidest alles mit Geduld.

 

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Warum hast du eigentlich in deinem Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ die Schmerzen von Jesus so schonungslos geschildert?

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Weil mir die Leidenszeit von Jesus gezeigt hat, dass ich nicht der Erste bin, der an solchen Leid-Erfahrungen schier zerbricht. Ich wollte, dass auch andere Leute spüren: Jesus kennt jeden Schmerz, den es auf der Erde gibt. Auch die vielen Widerwärtigkeiten des 30jährigen Krieges! Gott hat das selber alles erlebt und grauenvoll durchlitten – und deshalb wird er uns verstehen, wenn wir flehen, schreien und beten. Ohne den Blick auf den leidenden Christus hätten wir die Schrecken dieser Zeit nicht aushalten können.

 

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Erzähl uns mehr davon.

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„O Haupt vom Blut und Wunden“ – das ist ein Lied, das das solidarische Leiden von Christus mit uns und für uns illustriert; gleichzeitig spitzt sich dieses Lied auf’s Ende zu. Kein Leid wird verharmlost oder gar geleugnet, sondern es ist eine Station zu einem guten ZIEL hin – und das mussten die Leute von damals auch wissen, um dem „Tröster“ und „Befreier“ überhaupt „glauben“ zu können.

 

eg 85,1+3
(zwei Strophen)

1. O Haupt voll Blut und Wunden,

voll Schmerz und voller Hohn,

o Haupt, zum Spott gebunden

mit einer Dornenkron,

o Haupt, sonst schön gezieret

mit höchster Ehr und Zier,

jetzt aber hoch schimpfieret:

gegrüßet seist du mir!

 

3. Die Farbe deiner Wangen,

der roten Lippen Pracht

ist hin und ganz vergangen;

des blassen Todes Macht

hat alles hingenommen,

hat alles hingerafft,

und daher bist du kommen

von deines Leibes Kraft.

 

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Und was bedeutet das Leiden und Sterben von Jesus für dich ganz persönlich?

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Es bedeutet, dass ich mich nicht krampfhaft selber abstrampeln muss, um Trost zu finden. Abgesehen davon ist ja der menschliche Trost so wie so nur Schall und Rauch. Jeder menschliche Trost vergeht früher oder später.

Deshalb hilft hier nur etwas, was höher ist als unsere menschliche Vernunft. Echten Trost kann keiner von uns selber anzünden. Echter Trost kommt nur von außen – aus der ewigen Welt Gottes – hin zu uns.

Auch hier weise ich wieder hin auf ein paar Zeilen aus dem eben genannten Lied, dessen Ende ich sozusagen als den Durchbruch zum Leben betrachte – als Illustration der Hoffnung mitten in den „Kriegen“ unseres Lebens…

 

eg 85,8+10

2 Strophen

8. Ich danke dir von Herzen,

o Jesu, liebster Freund,

für deines Todes Schmerzen,

da du’s so gut gemeint.

Ach gib, dass ich mich halte

zu dir und deiner Treu

und, wenn ich nun erkalte,

in dir mein Ende sei.

 

10. Erscheine mir zum Schilde,

zum Trost in meinem Tod,

und lass mich sehn dein Bilde

in deiner Kreuzesnot.

Da will ich nach dir blicken,

da will ich glaubensvoll

dich fest an mein Herz drücken.

Wer so stirbt, der stirbt wohl.

 

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Das sind sehr beeindruckende Worte – aber manche Menschen finden die Sprache, die du gebrauchst, teilweise ein bisschen kitschig.

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Die Zeiten haben sich kulturell und sprachlich sehr verändert. Aber was die Seele des Menschen angeht, scheinbar in all den Jahren überhaupt nicht.

Wenn‘s den Leuten gut geht, dann fragen sie wenig nach Gott. Aber wenn‘s ihnen dreckig geht, dann machen sie Gott die heftigsten Vorwürfe.

Wer hat denn den dreißigjährigen Krieg angezettelt?

War es Gott? Oder waren es vielleicht doch die Menschen in ihrer unendlichen „Freiheit“?

Ich habe in der Seelsorge unsagbar viele persönliche Schicksale anhören müssen. Soll ich den Leuten da vielleicht erzählen:

Ja, das ist schlimm. Kein Mensch kann das aushalten. Auch ich nicht. Kommt, wir beenden den ganzen Mist…

Nein! Als Pastor habe ich im Namen von Jesus Lichter anzuzünden/ Hoffnung auszustreuen. Ja – ich habe von den Hecken und Zäunen wie ein Hahn zu krähen: Gott hat seine geliebte Welt noch nicht aufgegeben. Und deshalb legt euer Leben in Gottes Hand. Lebt nach seinem Willen. Zankt euch nicht so böse. Vernichtet euch nicht gegenseitig. Befiehl du deine Wege, und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege, des der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn – der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

 

eg 361,1+8
(zwei Strophen)

 

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Dieses Lied (Befiehl du deine Wege) ist neben dem Luther-Lied von der festen Burg zum populärsten deutschen Kirchenlied geworden.

Ein „A-KROS-TI-CHON“, nicht wahr?

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Was ist bitte ein „Akrostichon“?

 

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Ein „Akrostichon“ ist ein Gedicht, bei dem die Anfangsworte jeder Strophe – hintereinander gelesen – einen Spruch ergeben…

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…ach, du meinst den Spruch aus dem 37. Psalm: Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wird’s wohl machen!

 

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Ja! Diese Idee finde ich sehr kunstvoll und gelungen. Kompliment!

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Danke! Es war auch meine Absicht, dass die Leute darin diesen herrlichen Bibelvers entdecken. Die Bibel ist so reich an Trost und Hoffnung und Ermutigung – und auch an Freude.

 

Gibt es wirklich Freude – mitten im Leid?

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Ja. Weil Gott uns liebt. Weil er uns Jesus geschickt hat. Ja, ER wird fertig mit diesem tausendfachen Jammer!

Jesus versteht uns, weil er selbst alle Tiefen der Verlassenheit durchlebt hat.

Denken wir nur an zwei Stationen im Leben Jesu:

In Gethsemane, als die Verzweiflung nach ihm griff, rechnete Jesus mit dem Beistand seiner engsten Freunde.

Während er aber in tiefster Seelennot auf den Knien lag, schliefen seine Jünger. Der einsame Jesus rief aus: „Ach, könnt ihr nicht eine Stunde mit mir wachen und beten?!“

Das zeigt uns, dass es Anfechtungen gibt, bei denen selbst die uns liebsten Menschen nicht mehr mitgehen können.

Zu der persönlichen Einsamkeit noch die Enttäuschung durch die, die uns am Nächsten stehen!

Das hat Jesus erlebt. Darum versteht er uns.

Ja, es ist ihm noch Schlimmeres wiederfahren: Am Kreuz ging es nicht mehr nur um die Enttäuschung durch Menschen, sondern sogar um die bittere Erfahrung der Gottesferne.

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

In Gethsemane von Menschen verlassen, am Kreuz von Gott verlassen!

Damit hatte Jesus den äußersten Tiefpunkt der Verlassenheit erreicht.

Sollte dieser Einsame von Gethsemane/ dieser Todes-Einsame vom Kreuz uns nicht verstehen können?

Wer im Leben härteste Schläge hinnehmen musste – da ist einer, den es noch schlimmer traf. Darum versteht er uns.

Darum können seine Schultern unsere Lasten tragen.

 

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Warum glaubst du, dass Jesus sozusagen die Schlüsselfigur der Weltgeschichte ist?

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Weil Gott ihn von den Toten auferweckt hat.

Gott hat ein Machtwort gesprochen – und die Mächte des Todes wurden still. Der Tod hat nicht das letzte Wort! Gott hat seinen Sohn Jesus am dritten Tage auferweckt von den Toten.

Und er hat ihn sogar richtig anfassbar zu den trauernden Jüngern geschickt. Die waren außer sich vor Freude. Die konnten das kaum glauben: Jesus ist auferstanden. Er lebt! Gott hat ihn auferweckt. Jesus ist Sieger. Kreuz und Grab haben nicht das letzte Wort.

Das Dunkel zieht vorüber. Jedes Grauen währt nur bis zum dritten Tag!

 

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Hast du dazu auch ein Lied geschrieben?

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Ja; ein Osterlied:

eg 112,1-4
(vier Strophen)

1. Auf, auf, mein Herz, mit Freuden

nimm wahr, was heut geschicht;

wie kommt nach großem Leiden

nun ein so großes Licht!

Mein Heiland war gelegt

da, wo man uns hinträgt,

wenn von uns unser Geist

gen Himmel ist gereist.

 

2. Er war ins Grab gesenket,

der Feind trieb groß Geschrei;

eh er’s vermeint und denket,

ist Christus wieder frei

und ruft Viktoria (also: SIEG),

schwingt fröhlich hier und da

sein Fähnlein als ein Held,

der Feld und Mut behält.

 

3. Das ist mir anzuschauen

ein rechtes Freudenspiel;

nun soll mir nicht mehr grauen

vor allem, was mir will

entnehmen meinen Mut

zusamt dem edlen Gut,

so mir durch Jesus Christ

aus Lieb erworben ist.

 

4. Die Höll und ihre Rotten,

die krümmen mir kein Haar;

der Sünden kann ich spotten,

bleib allzeit ohn Gefahr.

Der Tod mit seiner Macht

wird nichts bei mir geacht‘:

er bleibt ein totes Bild,

und wär er noch so wild.

 

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Warum ist für dich das Singen so wichtig?

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Weil die Bibel das empfiehlt. Immer wieder! Singen ist eine mitreißende Form von Kunst. Ich singe … und im Singen verändert sich was. Ich verändere mich. Das Lied nimmt mich sozusagen

an die Hand und führt mich einen Gedankengang entlang. Manchmal passiert’s, dass ich beim Singen innehalte und mich frage: „Was singe ich da eigentlich? Glaube ich das auch?“ Und tief

innen in mir klingt die Antwort: „Nein, vielleicht noch nicht, aber ich möchte das gerne glauben.“ Und dann singe ich einfach weiter.

Und beim Singen – es ist irgendwie ein Wunder – beim Singen wächst der Glaube.

 

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Aber wächst beim Singen auch der Trost?

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Ja, so ist es!

Darum ist das Singen etwas ganz Wichtiges gerade auch für die christliche Gemeinde. Singen und Glauben, Glauben und Singen – die hängen eng miteinander zusammen. Dadurch bekomme ich zum Beispiel die Ermutigung, mich auch im Leiden ganz bewusst an Gott zu wenden. Das kann ein ganz schönes Stück Arbeit sein. Vertrauen zu behalten/ „dennoch“ zu glauben, das kostet Kraft. Aber es ist total wirkungsvoll. Und es ist in der Tat das Gegenteil davon, sich in die Ecke zu setzen und still vor sich hin zu leiden.

 

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Bist du bis zum Ende deines Lebens eigentlich fest beim Glauben geblieben?

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Insgesamt antworte ich auf jeden Fall mit einem klaren JA!

Aber das heißt nicht, dass es mir nicht auch manchmal zu viel wurde. Nicht nur in meinem privaten Leben habe ich Schweres hinnehmen müssen, auch als Pfarrer bin ich ja zweitweise sehr hart attackiert worden.

Aber Gottes Wort hat mich immer wieder aufs Neue ganz praktisch getröstet. Sehr beeindruckt hat mich dabei immer wieder der 73 Psalm; ich muss das nochmal zitieren (Psalm 73,23ff): Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. – (und es geht sogar noch weiter) – du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.

Aber jetzt habe ich auch mal eine Frage:

Welchen Vers findest du denn am hilfreichsten?

 

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Ich weiß, dass viele Leute besonders die siebte Strophe von dem Lied „Befiehl du deine Wege“ gut finden. Es gibt sogar viele Leute, die mit diesen tröstenden Worten ganz friedlich sterben konnten:

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eg 361,7
(eine Strophe)

7. Auf, auf, gib deinem Schmerze

und Sorgen gute Nacht,

lass fahren, was das Herze

betrübt und traurig macht;

bist du doch nicht Regente,

der alles führen soll,

Gott sitzt im Regimente

und führet alles wohl.

 

Meine Zeit war ja von ganz viel Leid und Traurigkeit gekennzeichnet. Aber ich habe verstanden, dass es auch Hoffnung gibt. Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut, dann ist es noch nicht das Ende.

Und deshalb war es mir so wichtig, immer wieder ein paar Hoffnungslichter anzünden und zum festen Vertrauen auf unseren Vater im Himmel einzuladen – auch wenn das für eure Ohren vielleicht ein wenig zu „schwarz-weiß“ klingen könnte.

 

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Vielen Dank, lieber Paul Gerhardt, für die Einblicke in dein Denken und dein Wirken – und auch danke für deine wichtigen Impulse für die Christenheit!

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Ergebensten Dank!

Und befehlt eure Wege dem lebendigen Gott.

Und werdet nicht müde, dem lebendigen Gott „mit Herz und Mund“ zu singen. Es gibt immer noch sehr viel Grund dafür.

Gott befohlen – und IHM allein die Ehre! Amen.

 

eg 324,1+17
(zwei Strophen)

Ich singe dir mit Herz und Mund…

 

2007 / 2016, Carsten Heß, Pfr.

 

 

Weiterführendes (Themen der Links gehen weitgehend aus den URL-Namen hervor):