Große Sehnsucht

Wann wird es ein gemeinsames Abendmahl von Evangelisch und Katholisch geben? Der Evangelische Pressedienst veröffentlichte am 3. November 2016 ein Gespräch mit einem führenden EKD-Theologen: Thies Gundlach, Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Leiter der Abteilung „Kirchliche Handlungsfelder“…

Nach der am Reformationstag unterzeichneten gemeinsamen Erklärung von Vatikan und Lutherischem Weltbund (LWB) sieht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) Bewegungsspielraum in der Abendmahlsfrage. Der Vizepräsident des EKD-Kirchenamts, Thies Gundlach, sprach darüber mit dem Evangelischen Pressedienst.

Im Gottesdienst mit Papst Franziskus haben der Lutherische Weltbund und die katholische Kirche eine Erklärung unterzeichnet, in der die Sehnsucht nach einem gemeinsamen Abendmahl betont wird. War das Treffen in Lund ein Fortschritt auf dem Weg dahin?

Thies Gundlach: Es war eine starke Ermutigung, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen – insbesondere unter pastoralen Gesichtspunkten, um den Kummer in konfessionsverbindenden Ehen zu lindern, wenn die Eheleute nicht gemeinsam zur Eucharistie gehen können. In den theologischen Fragen kann solch eine gottesdienstliche Begegnung naturgemäß keinen Fortschritt bringen, die zum Ausdruck gekommene geistliche Sehnsucht nach einer Überwindung der Trennungen ist aber mit Händen zu greifen gewesen.

Welchen Spielraum haben die katholischen Bischofskonferenzen vor Ort, um in ihren Ländern erste Schritte zu gehen – beispielsweise für Paare in konfessionsverbindenden Ehen? Rechnen Sie damit in Deutschland?

Gundlach: Papst Franziskus hat den regionalen Bischofskonferenzen ja oftmals schon zuerkannt, dass sich manche Fragen nicht weltweit einheitlich, sondern auch landes- beziehungsweise regionsspezifisch regeln lassen. Dazu gehört offenbar auch die Frage der Zulassung konfessionsverbindender Ehen zur Eucharistiefeier. Nach einem Schreiben der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz vom Februar 1997 können konfessionsverschiedene Ehepaare und Familien – im Einverständnis mit dem zuständigen Pfarrer und auf der Basis des geltenden Kirchenrechts – gemeinsam an der Kommunion in der katholischen Kirche offiziell teilnehmen, wenn die Trennung am Tisch des Herrn als Belastung erfahren wird. Eine einladende Regelung sieht aber anders aus, insofern kann hier noch weiter vorangeschritten werden.

Ein gemeinsames Abendmahl war auch für die verschiedenen protestantischen Konfessionen ein schwieriger Weg. Wie lange brauchte es bis zur Vereinbarung von Leuenberg – und wäre sie ein Vorbild für eine Einigung mit dem Vatikan?

Gundlach: Insgesamt brauchte es etwa 40 Jahre, von 1933 bis 1973.

Denn die Leuenberger Konkordie, die 1973 eine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen lutherischen, reformierten und unierten Kirchen in Europa aufgrund eines gemeinsamen Verständnisses des Evangeliums ermöglichte, hat ihren wesentlichen Anstoß im Kirchenkampf erhalten. Eine gewichtige Zwischenstation waren die 1957 veröffentlichten und intensiv diskutierten Arnoldshainer Abendmahlsthesen. Wenn man die Wurzeln der je eigenen Tradition ernst nimmt und nicht sozusagen geschichtsvergessen mit einem Federstrich gewachsene theologische Positionen aufgeben will, dann wird man den Zeitraum einer Generation ansetzen müssen. Allerdings wurde zum Thema gemeinsame Feier evangelischer und katholischer Christen am Tisch des Herrn schon sehr viel gearbeitet, ein ernsthafter Wille zur Verständigung fängt nicht bei null an; es fehlt eher eine klare Beauftragung durch Leitungsgremien.

 

Bild: Thies Gundlach (epd)