Gutes ZDF-Video: Wie uns Google, Facebook und Co. beherrschen

Ob Teenager oder US-Präsident – die Welt kommuniziert im Minutentakt über Twitter, Facebook und Instagram. Wir lassen uns über Apps und virtuelle Sprachassistenten Vorschläge für unser Leben unterbreiten. Wer aber kontrolliert unser Dasein: Die Digitalkonzerne oder doch immer noch der einzelne Mensch? Sind wir noch Herr über unsere Daten? Darüber spricht Richard David Precht mit Udo Di Fabio, ehemals Richter am Bundesverfassungsgericht…

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Ist der Geist der Aufklärung verflogen?

In fast allen Lebensbereichen verlassen sich die Menschen heute auf digitale Anwendungen, die nicht nur immer unverzichtbarer sondern auch immer intelligenter werden. Doch welche Auswirkungen hat dies auf unsere Art zu leben? Vieles müssen wir nicht mehr selbst beurteilen, nicht mehr selbst entscheiden. Wir scheinen verwoben in ein digitales Netz aus Prävention und Bevormundung, so Precht, dem wir uns aus Bequemlichkeit gerne überlassen. Dabei scheint uns unser Recht auf Privatsphäre reichlich gleichgültig zu sein, meint er.

Precht fragt: Verlernen wir auf diesem Wege nicht unsere Gesellschaftsfähigkeit? Opfern wir so nicht unser demokratisches Bewusstsein und überantworten uns der digitalen Verheißung, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt? Der Geist der Aufklärung scheint verflogen zu sein. Freiheitliche Selbstbestimmung ist in unserer hyper-komplexen Welt zu einer anstrengenden Arbeit geworden. Verlieren wir uns allmählich im Netz oder folgen wir bloß einer zwangsläufigen technischen Evolution, der wir uns nicht entziehen können? Precht fragt: Prägt am Ende die Technik die Entwicklung der Menschheit wesentlich maßgeblicher als es die Politik je vermocht hat?

Es geht um die Wahrung des Grundgesetzes

Immerhin: Europa will nach jahrelangen Verhandlungen nun zumindest eine Verordnung verabschieden, welche das Persönlichkeitsrecht in der digitalen Welt ausreichend gewährleisten soll. Doch vieles, was in der realen Geschäftswelt gesetzlich definiert und geregelt werden konnte, scheint in der digitalen Sphäre nicht so leicht zu greifen zu sein. Vor allem mangelt es an Transparenz. Niemand weiß, welche Daten er abgibt, geschweige denn was mit ihnen geschieht. Auch hat manche regionale Verordnung keinen Sinn, wenn die Global Player in den USA sitzen und nicht haftbar gemacht werden können.

Prechts Gast Udo Di Fabio hat sich als Rechtsprofessor mit den Phänomenen der digitalen Welt intensiv beschäftigt. Er kennt die juristischen Probleme und mahnt an, dass es hier nicht um gesetzliche Spitzfindigkeiten geht, sondern um nichts Geringeres als die Wahrung unseres Grundgesetzes. Auch wenn dies viele User noch nicht so recht zu interessieren scheint.

 

Prof. Dr. jur., Dr. sc. pol. Udo Di Fabio:

Udo Di Fabio wurde 1954 geboren, er studierte Rechtswissenschaften, aber zugleich auch Soziologie, u.a. bei Niklas Luhmann. Nach dem Assessorexamen 1985/86 arbeitete Di Fabio als Richter in Duisburg, promovierte in seinen beiden Fächern, wurde 1993 zum Professor in Münster bestellt, 1997 erfolgte der Ruf als Ordinarius auf den Lehrstuhl für Verfassungsrecht in München. 2003 nahm er den Ruf an die Universität Bonn an, der er seither verbunden blieb.

1999 wurde Di Fabio zum Richter im 2. Senat am Bundesverfassungsgericht gewählt. Wichtige Entscheidungen fielen in seiner Amtszeit, u.a. Fragen des Europarechts, die Bundestagsauflösung 2005, der Unterschied der Zuständigkeiten von Polizei und Militär, der Lissaboner EU-Reform-Vertrag u.v.a. Aufsehen erregte er 2009 mit seinem Plädoyer, die weitreichende Anonymität im Netz zu beenden. 2011 endete seine Amtszeit, er übernahm den Mercator-Lehrstuhl an der Universität Duisburg-Essen.

Daneben machte Di Fabio mit seinen Publikationen Furore. Unter anderem der Band „Die Kultur der Freiheit“ zur Verteidigung der bürgerlichen Gesellschaft, „Gewissen, Glaube, Religion – Wandelt sich die Religionsfreiheit?“ zu Fragen der politischen Philosophie oder „Schwankender Westen. Wie sich ein Gesellschaftsmodell neu erfinden muss“.  Seine jüngste Publikation „Grundrechtsgeltung in digitalen Systemen“ setzt sich eingehend mit der Auswirkung der Digitalisierung auf unser Leben und unser Rechtssystem auseinander. Di Fabio ist mit zahlreichen Preisen geehrt worden, unter anderem mit dem Hans Martin Schleyer-Preis und dem Europäischen Handwerkspreis.

 

Literaturtipps von Richard David Precht:

Udo Di Fabio: Grundrechtsgeltung in digitalen Systemen. Selbstbestimmung und Wettbewerb im Netz. C.H.Beck 2016.
In seiner Publikation setzt sich mein Gast, der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio, mit den aktuellen juristischen Problemen in der digitalen Sphäre auseinander. Zunächst beschreibt er versiert jene Mechanismen, die uns heute im Internet oder über die modernen Kommunikationssysteme begegnen und unser Persönlichkeitsrechte potentiell beeinträchtigen könnten. Dann zeigt er auf, dass die Datensammlung von Google, Amazon, Facebook oder Apple nicht selten die elementaren Grundrechte der User tangieren. Und er macht deutlich, dass der Schutz der Persönlichkeits- oder Urheberrechte in der digitalen Welt deutlich schwerer zu gewährleisten ist als in der analogen Welt. Gegen die Intransparenz und das internationale Agieren der Big-Data-Monopolisten sei dennoch ein Kraut gewachsen, meint Di Fabio am Ende zuversichtlich. Besonders in der neuen Datenschutzverordnung der EU und dem e-Privacy-Abkommen, dass mit den USA getroffen werden soll, würden sinnvolle Instrumente geschaffen, um die Wildwest-Manier der digitalen Megafirmen einzudämmen.

Evgeny Morozov: Smarte Neue Welt. Digitale Technik und die Freiheit des Menschen.

Yvonne Hofstetter: Das Ende der Demokratie. Wie die künstliche Intelligenz die Politik übernimmt und uns entmündigt.

 

Q: https://www.zdf.de/gesellschaft/precht/precht-184.html