„Wir werden uns damit abfinden müssen.“ – So sagte es schon während des sich anbahnenden Wahlsiegs von Donald Trump die Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen (um 6:53 Uhr im „Ersten“), und gebrauchte sogar den Begriff „schwerer Schock“. – Der schmutzigste Wahlkampf in der amerikanischen Geschichte hat mit der Kür des neuen Präsidenten Donald Trump sein Ende erreicht. Auch in Zahlen lässt sich dieses Wahl-Beben messen: Die weltweiten Börsen reagierten heftig – vor allem in Tokio, Sydney und Honkong… Und Europa scheint geschockt darüber, dass sich nun doch so viele Amerikanerinnen und Amerikaner für einen (unter anderem vom Ku-Klux-Klan gesponsorten) frauenverachtenden, rassistischen, Behinderten-verspottenden, Umweltschutz-feindlichen und Menschenrechte-in-Frage-stellenden Rechtspopulisten mit mangelnder Selbstkontrolle entschieden haben – obwohl sie wohl eher gegen ein gewisses „Washington-Establishment“ protestieren wollten.
Illegale Einwanderer und deren Familien fürchten nun einen Rausschmiss aus den USA. An der amerikanisch-mexikanischen Grenze soll schon bald diese irre Mauer gebaut werden. Und die „korrupte Hillary“ – so Trump – will er „ins Gefängnis“ bringen. Das Gesundheitssystem „Obama-Care“ will Trump rückgängig machen. Der Osterste Gerichtshof droht künftig wohl auch von Trump-nahen Richtern dominiert zu werden. Exekutive, Legislative und Judicative könnten schon bald in ein und derselben Hand liegen. Das hätte fatale Folgen für den Herzschlag der Demokratie.
Rund ein Drittel der Trump-Wähler sind wohl „Weiße ohne Hochschulabschluss“ (Jörg Schönenborn). Angeblich haben 81% der amerikanischen Evangelikalen diesen wirren Abzocker Donald Trump gewählt.
Experten fragen: Warum erreichen die realistischen Kräfte in der Politik die Menschen offensichtlich nicht mehr? Und im selben Zusammenhang wird sich auch die Qualität (nicht nur) amerikanischer Meinungsforscher hinterfragen lassen müssen.
Deutlich hat sich das Land in „Gewinner“ und „Verlierer“ gespalten. Aus Peking verlautete: „Die Verlierer dieser Wahl sind alle Amerikaner.“
Wird Trump diese Gräben überwinden können? Wohl kaum, denn noch verfügt er weder über die nötigen charakterlichen Werte – noch über einen gesunden Realismus, um so etwas wie Vernunft und Verantwortung walten zu lassen.
Freilich wird es auch für Trump unvermeidlich sein, sich mit möglichst qualifizierten Beratern zu umgeben. Auch vom neuen Präsidenten wird erwartet, mit erfahrenen Persönlichkeiten in Senat und Repräsentantenhaus aus beiden Parteien zurechtzukommen. Hinzu käme ein Ausdauer-Training: Verzicht auf Vulgarismen, Erweiterung seines bislang peinlich begrenzten Horizontes, Konzentration auf das Wesentliche, ohne sich auf Nebenkriegsschauplätzen zu verkämpfen, Katalog-lange Knigge-Lektionen – und womöglich auch unzählige Psychiater-Couch-Stunden. Ob Mr Donald Trump das aushält?
Auch ein gewisser Galgenhumor erreicht das Internet: „Sieht gut aus für die Briten: – Kurz vor knapp sind sie nun nicht mehr das dümmste Volk dieser Erde.“ – Anderenorts wird die Freiheitsstatue weinend abgebildet. – Auf einem weiteren Bild sieht man Barack Obama in die Heimat seiner Vorfahren fliehen. – Irgendjemand brachte ein neues „nine-eleven“ ins Spiel (9.11. / 11.9.) – Und ob jene fünfstellige Buchstabenkombination „T-R-U-M-P“ künftig wohl in Gold-Version das Weiße Haus zieren wird? – Wird es schon bald einen „White-House-Tower“ geben? – Das Online-Magazin evangelisch.de postete schlicht: „Unser Morgengebet heute: O Gott!“
Wird Europa durch diesen jüngsten Wahlsieg nun endlich wieder näher zusammenrücken? Und vielleicht sogar mit einer Stimme zu sprechen versuchen? Wie geht es weiter mit der NATO?
Ein Polit-Kommentator aus Norddeutschland, promovierter Althistoriker, zieht ein erstes Resümee: „Die neoliberale Postdemokratie, wo Politiker sich nur als Verwalter angeblicher Sachzwänge ausgaben, geht nun über in die autoritäre ‚gelenkte Demokratie‘, wo sich Teile der Elite mit dem Mob verbünden und sich im Namen des ‚gesunden Volksempfindens‘ dabei umstandslos über rechtsstaatliche Prinzipien und prozedurale Regelungen hinwegsetzen, um einen imaginierten ‚Volkswillen‘ gegen Minderheiten jeder Art durchzuziehen. Putin, Erdogan, Orban, Kaczynski und jetzt Trump betreiben diese Politik. Seit heute halte ich auch einen Sieg von Marine Le Pen bei den französischen Präsidentschaftswahlen nicht mehr für ausgeschlossen. Anstelle sozialer Auseinandersetzungen treten Identitätspolitiken, die ein kulturell homogenes ‚Volk‘ anstreben und Lebensführungskonzepte autoritativ verordnen wollen. Das wäre die regressive Reaktion auf die sozialen Verwerfungen des internationalistischen Neoliberalismus und einer Politik, die ihre offen bekundete Ohnmacht immer wieder als ein Zeichen von ‚Modernität‘ ausgegeben hat. Donald Trump hat es vermocht, jene abgehängten Teile der Arbeiterklasse in den entscheidenden ‚Rost‘-Staaten für sich zu mobilisieren, die auch hierzulande der AFD ihre Stimmen gegeben haben. Und linke Kräfte werden sehen müssen, wie sie auf die Umwandlung sozialer Konflikte in kulturelle Identitätspolitiken reagieren wollen. Ratlosigkeit macht sich breit, und rationale Aufklärung über die ‚wahren‘ Klasseninteressen werden da auch nicht viel helfen. Vielleicht stehen wir an einer sehr unerfreulichen Zeitenwende.“
Für den 20. Januar 2017 ist übrigens die pompöse Trump-„Inauguration“ vorgesehen. Kyrie eleison. Unweigerlich wandern meine Gedanken an jenen Einzug in Jerusalem: Der Mann aus Nazareth reitet auf einem Esel – als Diener aller – unter Verzicht auf sämtliche Insignien menschlicher Macht (Mt 21,1-11).
C.H., 09.11.2016, 7:28 Uhr
Nachtrag vom 27.11.2016: Weltspiegel-Reportage: Trump – wer ist der Mann wirklich?
>> http://www.tagesschau.de/ausland/weltspiegel-trump-101.html
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(Link-Liste / Sammlung von interessanten Hinweisen bis zum 11.11.2016 / zum Teil – weiter unten – ist echt Krasses dabei, so etwa Trumps „Antwort“ auf Obamas humorvolle „Demütiung“ vom 20.04.2011 – oder auch der „ganz andere“ Peter-Hahne-Artikel usw.):
Allererste Reaktionen auf Trumps Wahlsieg (Tagesschau):
http://www.tagesschau.de/ausland/wahlsieg-trump-reaktionen-101.html
Cicero sinniert über die „Rache der Abgehängten“:
http://www.cicero.de/weltbuehne/wahlsieg-von-donald-trump-die-rache-der-abgehaengten
Die Westfälische Landeskirche sieht US-Kirchen auf Versöhnung hoffen:
http://unserekirche.de/artikel/2016/46/kirchen-in-den-usa-hoffen-auf-versoehnung/?PHPSESSID=d2e6bc3803217d7b6313340ea530eeca
Der Rheinische Kirchen-Chef hofft auf soziale Gerchtigkeit als Schwerpunktthema:
http://www.ekir.de/www/service/pm-praesidentenwahl-usa-26987.php
Mit Humor – Die „Mittelbayerische“ sieht ein Mittel gegen das Trump-Trauma:
http://www.mittelbayerische.de/region/regensburg-stadt-nachrichten/so-atmet-man-das-trump-trauma-weg-21179-art1449892.html
Satirisch: Der Postillon gratuliert einem „Clown“ zur Wahl:
http://www.der-postillon.com/2016/11/erster-clown.html
Bill Clinton kämpft mit den Tränen: Hier akzeptiert Hillary ihre Niederlage:
http://www.focus.de/politik/videos/us-wahl-2016-hillary-clinton-akzeptiert-in-bewegender-rede-ihre-niederlage_id_6184625.html
Clintons Rede in ganzer Länge (engl.):
http://www.tagesschau.de/ausland/clinton-reax-103.html
Deutsche Reaktionen (Merkel, Steinmeier, Gauck u.a.) auf Trump-Sieg „Zusammenarbeit auf Basis demokratischer Werte“:
https://www.tagesschau.de/inland/trump-deutschland-103.html
Steinmeiers Signal: Hier gratuliert er „Donald“ nicht zum Sieg:
http://focus.de/6181309
Summary: ZDF spezial vom 09.11.2016 – „Amerika hat gewählt“:
https://www.zdf.de/nachrichten/zdfspezial/zdfspezial-amerika-hat-gewaehlt-100.html
Stand 11. November – So kommentiert „es“ die deutsche Presse:
http://focus.de/6190533
Mehrheit für Clinton, nur jede 4. Stimme für Trump: Das ist das wahre Wahlergebnis:
http://focus.de/6188989
Russland gibt Kontakte zu:
http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Politik/d/9364082/russland-gibt-kontakte-zu-trumps-wahlkampfteam-zu.html
Gruselig satirisch – Mexikaner entwerfen Grenzmauer für Trump:
http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Politik/d/9411620/mexikaner-entwerfen-grenzmauer-fuer-trump.html
Deutsches Dorf schämt sich für Trump:
https://www.welt.de/vermischtes/article159424589/Trumps-deutsches-Dorf-schaemt-sich-fuer-ihn.html
Frostige Tee-Stunde:
http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Panorama/d/9412286/die-frostige-teestunde-der-first-ladys-im-weissen-haus.html
Was hat man davon zu halten? Die berühmte blinde „Prophetin“ Baba Wanga sagte 9/11, den IS, (sinngemäß) den Brexit, den 44. (schwarzen) und gleichzeitig „letzten US-Präsidenten“ (und mehr) voraus:
http://focus.de/5680559 und http://focus.de/6189248
Irgendwie schon witzig: Da war doch mal die Sache mit der Geburtsurkunde (Trump hatte ja einst sehr laut behauptet, Obama sei gar nicht den USA geboren) – was ein einfallsreich-„humoriges“ Nachspiel im Weißen Haus nach sich zog (War das die Geburtsstunde von Trumps Präsidenten-Idee?):
http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Politik/d/9406022/trumps-ultimative-antwort-auf-obamas-demuetigung.html
Gysi: Trump wird die Ungerechtigkeit deutlich verschärfen:
http://www.deutschlandfunk.de/gregor-gysi-ueber-einen-us-praesidenten-trump-er-wird-die.694.de.html?dram:article_id=370844
Das evangelikale „Zünglein“: Ed Stetzer versucht plausibel zu erklären, warum die Stimmung sehr vieler Evangelikaler nicht pro Trump, sondern contra Clinton war, vor allem im Blick auf die Neubesetzung des Supreme Court. (Begründung irgendwie schon etwas nachvollziehbar, dennoch aber sehr destaströs):
http://www.christianitytoday.com/edstetzer/2016/october/why-evangelicals-dislike-and-distrust-hillary-clinton-so-mu.html
Nach meinem (C.H.) Geschmack ist der folgende Peter-Hahne-Zwischenruf schon irgendwie etwas „gruselig“ zu lesen / weiß nicht so recht, was davon zu halten ist (auch die Kommentare am Schluss des Artikels spiegeln eine gewöhnungsbedürftige Wirklichkeit wider):
http://www.idea.de/politik/detail/es-wird-armselig-werden-98881.html
Und auch nach dem Lesen dieses Artikel erscheint mir (C.H.) fraglich, ob der evangelikale Vize Mike Pence wirklich so „un-radioaktiv“ (sorry wegen dieser augenzwinkernden Metapher) wirken wird:
http://www.idea.de/politik/detail/der-evangelikale-vize-98911.html
Und VOLL zitiert (epd u.a. / 10.11.2016):
US-Wahl: EKD-Synode reagiert mit Bestürzung – „Mit Respekt vor der demokratischen Willensbildung, aber auch mit Bestürzung“ nahm die Synode der EKD das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in den USA zur Kenntnis. Trump habe nicht nur mit Parolen der Angst, des Hasses und der Ausgrenzung ganzer Menschengruppen geworben, sondern auch die Demokratie und ihre Regeln verhöhnt. – In ihrer „Entschließung zum Ausgang der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen“ befürchtet die Synode, dass die Wählerinnen und Wähler in großer Unsicherheit an die Urnen getreten sind: „Menschen in Angst, in Sorge um ihre wirtschaftliche Existenz und ihr Gehört-Werden haben Trump ihre Stimme gegeben. Sie haben damit auch ihrer tiefen Verunsicherung in einer freien, offenen Gesellschaft Ausdruck verliehen. Aus christlicher Überzeugung bejahen wir diese freie und offene Gesellschaft.“ – Pflicht der Christen: – „Noch mehr für die Schwächeren eintreten“ – Nicht nur die wahlberechtigten Amerikaner seien von dem Ergebnis betroffen: Ganz besonders sieht die Synode die Christen nun in der Pflicht angemessen auf das Ergebnis zu reagieren – auch in Deutschland und in den Gemeinden vor Ort: „Als evangelische Christinnen und Christen sind wir auch in unseren eigenen Gemeinden gefordert, noch mehr für die Schwächeren einzutreten. Eine aktuelle Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD belegt, wie notwendig das ist. Es gilt, in Kontakt zu sein für mit denen, die populistischen Versuchungen folgen, weil sie sich sonst nicht mehr vertreten fühlen, ebenso wie für diejenigen einzutreten, die zum Opfer von Hass und Menschenfeindlichkeit werden. Die Synode der EKD appelliert an die Kirchengemeinden und an alle evangelischen Christinnen und Christen in Deutschland, in den USA und überall auf der Welt, sich vorbehaltlos auf die Seite der Demokratie, der Menschenrechte, der Achtung von Minderheiten zu stellen, auf die Seite von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit.“ – Die Wahl nehme keinen Einfluss auf die christlichen deutsch-amerikanischen Freundschaften: „Unsere gewachsenen Beziehungen zu christlichen Gemeinden und Kirchen in den USA sind Zeichen der Hoffnung für das gemeinsame Engagement beiderseits des Atlantiks.“
…
Bild:
Screenshot – https://www.youtube.com/watch?v=tLSy8Tl2bjs