Kennen Sie den? Eine Spiegelkommode im Schlafzimmer. So eine mit drei Spiegeln, ganz im Stil des vorigen Jahrhunderts. Unten auf der Kommode zwischen den Spiegeln steht eine brennende Kerze und davor ein laut singender Mann. Was ist das? Ein Schotte am dritten Advent…
Jetzt beginnt wieder die Kerzenzeit, doch ganz so schottisch sparsam müssen wir trotz aller Reformen und Krisen wohl doch nicht sein. Das musikalisch und literarisch gewiss unbedeutende, dennoch beliebte Lied singt ja auch: ,Advent, Advent, ein Lichtlein brennt, erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht das Christkind vor der Tür.‘ Wir gehen auf das Weihnachtsfest zu. Es ist ein Freudenfest. Ein wenig davon darf auch schon in den vier Adventwochen spürbar sein. Ich freue mich auf die Spekulatius, man darf sie schon vor Weihnachten essen.
Doch aufgepasst! Die Advent- und Weihnachtszeit hat in unserem Lande immer mehr an Substanz verloren. So wie ein Fass voll von kostbarem Wein, das leckt und leckt und irgendwann ganz leer sein kann. Es wäre jammerschade, viel mehr als der Verlust von alten Traditionen und Bräuchen. „Ich habe Gott verloren“, sagte mir jemand sehr traurig. „Ich habe Gott gefunden“, sagte mir ein anderer sehr fröhlich. Weihnachten ist ein Fest für Gottsucher und Gottfinder. Wir packen das Geschenk aus, das Gott uns macht – wie es im Lukasevangelium Kapitel 2 beschrieben wird. Und dann singen wir: , … und schenkt uns seinen Sohn.‘
Viele liebenswerte Menschen wissen nicht mehr, um was es eigentlich auch im Advent 2003 geht. Umfragen zeigen es für alle christlichen Feste, wie das religiöse Wissen nachlässt. „Wann starb Jesus am Kreuz?“ – hieß die Frage. Eine der Antworten lautete: „Am Muttertag.“ Warum feiern wir Advent und Weihnachten? Jeder kann sich selbst befragen. Ganz still in sich. Es ist gut zu wissen, wie Advent und Weihnachten zusammengehören.
Advent (lat.) heißt Ankunft. Schon im alten Israel wartete man intensiv auf die Ankunft des Messias. Die Christenheit bekennt, dass er gekommen ist und so feiern wir zu Weihnachten das Fest der Ankunft Gottes bei uns in der Welt. Kein Gott mit Feuer und Schwert, sondern als Kind in einer Futterkrippe, weil ,kein Raum in der Herberge‘ war. Hautnah, ganz irdisch und menschlich ist er gekommen. Damit er uns wirklich erreicht und wir ihn erfahren können.
Dass wir Gott ankommen lassen in unseren Herzen, Köpfen, nicht nur in unseren Gefühlen, sondern in unserem ganzen Leben – das ist die sehr persönliche Adventzeit und die der ganzen Christenheit auf Erden. Ursprünglich war Advent eine Zeit der Buße, des Fastens und der Enthaltung. Erst seit dem 18. Jahrhundert sind das Warten und die Vorbereitung auf Weihnachten in den Vordergrund gerückt. Dennoch kann es uns nicht schaden, wenn wir die Adventwochen und das Aufstecken der vier Kerzen ein bisschen als Zeit der Besinnung und der Stille vor Gott verstehen. In der Stille tanken wir den Glauben, die Liebe und die Hoffnung. Die Entfernung zu Gott ist nur ein Gebet weit.
Und dann feiern wir das Weih-nachtsfest. In Gottesdiensten und in unseren Wohnungen. Immer noch gerne mit dem geschmückten Christbaum. Im Mittelalter kannte man den geschmückten Weihnachtsbaum wohl noch nicht.
Erst ein Kupferstich von Lukas Cranach dem Älteren aus dem Jahre 1509 zeigt den Baum in der uns bekannten Form. Langsam trat der Christbaum seinen Siegeszug an. 1912 wurde auf dem Madison Square in New York die erste große Lichtertanne mit elektrischen Kerzen aufgestellt. Dazu kamen die vielen Bräuche, deren Sinn auch überraschend sein kann. Wer weiß denn noch, dass der mit weißem Puderzucker bestreute Christstollen das in Windeln gewickelte Christuskind darstellen soll? Gewiss ein wenig zu naiv, doch alles soll uns an Christus erinnern, so meinten es wohl die backenden Mütter von damals.
Wir werden uns wieder beschenken. Vielleicht fallen die Geschenke bei manchen be-scheidener aus. Die Geschäftsleute der Stadt warten auf gute Geschäfte, sie seien ihnen wirklich gegönnt, das ,Weihnachtsgeschäft‘ ist für sie wichtig am Ende des Jahres. Doch vergessen wir bei allem nicht, dass Jesus, der Sohn Gottes das größte und schönste Geschenk für alle Menschen auf unserer Erde ist. Durch ihn lernen wir wieder, wer Gott und wie Gott ist. Nicht wie der ewige Gott aussieht. „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“ So hat Jesus nach dem Johannesevangelium gesagt. Gott sieht also aus wie Jesus? Irdisch ja. Er ist der Gott der Liebe, der ohne uns nicht Gott sein mag.
Johannes Hansen (2003)