Ein Doppelanschlag auf koptische Kirchen hat am Palmsonntag in Ägypten mindestens 45 Todesopfer gefordert. Mehr als hundert Menschen wurden laut staatlichen Medien verletzt. Der erste Anschlag ereignete sich bei einem Gottesdienst in der Stadt Tanta im Nildelta, als in der koptischen Mar Girgis Kirche ein Sprengsatz explodierte. Mindestens 27 Menschen kamen ums Leben, wie das Staatsfernsehen unter Berufung auf das Gesundheitsministerium berichtete…
Nur wenig später kam es zu einer weiteren Attacke: Nahe der wichtigen Markuskathedrale in Alexandria sprengte den Angaben nach ein Selbstmordattentäter sich selbst in die Luft und riss 17 Menschen mit in den Tod, wie die staatliche Zeitung „Al-Ahram“ berichtete. Koptenpapst Tawadros II., der kurz vor dem Anschlag noch am Gottesdienst teilgenommen haben soll, sei unverletzt, hieß es.
Bereits dritter Anschlag auf Kirchen in Ägypten innerhalb von vier Monaten
Der Attentäter hatte laut Bericht versucht, in die Kirche hineinzukommen, die für die Kopten zu den symbolträchtigsten überhaupt gehört. Zwei Sicherheitskräfte, die sich ihm in den Weg stellten, seien bei der Explosion getötet worden.
Die Zahl der Verletzten lag allein in Tanta bei rund 80, in Alexandria zuletzt laut Gesundheitsministerium bei etwa 40. Zu den Anschlägen eine Woche vor Ostern bekannte sich laut Nachrichtenagentur der Dschihadisten, Amaq, ein Kommando der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Es sind die wohl tödlichsten Attacken auf Christen in der jüngsten Geschichte Ägyptens. Allein in vier Monaten hat es damit bereits drei solcher Bombenanschläge auf Kirchen gegeben.
Im Dezember hatte eine Bombe in einer Kirche in Kairo fast 30 Menschen in den Tod gerissen. Auch dazu bekannte sich der IS.
Der Groß-Imam der Al-Azhar-Moschee, Ahmed Mohammed al-Tayyeb, verurteilte den „feigen“ Anschlag auf die „unschuldigen Seelen“. Der Leiter der wichtigsten sunnitisch-islamischen Institution des Landes erklärte, dieser Terrorangriff sei ein Verbrechen gegen alle Ägypter. Präsident Abdel Fattah al-Sisi telefonierte laut Staatsfernsehen mit Koptenpapst Tawadros II. und drückte ihm sein Beileid aus.
Ratsvorsitzender der EKD: „Was da passiert ist, macht wütend.“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier brachte seine Solidarität mit den koptischen Christen zum Ausdruck. „Während sie friedlich am Palmsonntag Gottesdienst feierten, wurden sie feige ermordet“, erklärte Steinmeier laut einer Mitteilung des Bundespräsidialamtes. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte: „Das Kalkül der Täter, einen Keil in das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen zu treiben, darf nicht aufgehen.“ Im März hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrer Ägyptenreise mit dem Koptenpapst getroffen.
Ende April wird Papst Franziskus in Kairo erwartet. Er bete für die Opfer und die Verletzten, sagte er am Sonntag beim Angelusgebet auf dem römischen Petersplatz. Der koptischen Kirche, ihrem Oberhaupt und der gesamten ägyptischen Bevölkerung drückte er seine Anteilnahme aus. „Möge der Herr das Herz der Menschen, die Terror, Gewalt und Tod säen, bekehren und auch das Herz derer, die Waffenhandel betreiben.“
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte auf seiner Facebookseite: „Was da passiert ist, macht wütend.“ Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, betonte: „Es waren zugleich Attentate gegen das friedliche Zusammenleben von Christen und Muslimen. Diesen Zielen der Verbrecher darf kein Erfolg beschieden sein!“
Anschlagsziel mit symbolischer Bedeutung
Die meisten Ägypter sind sunnitische Muslime. Christen stellen in dem nordafrikanischen Land mit rund neun Millionen Gläubigen zehn Prozent der Bevölkerung – fast alle sind Kopten. Die koptisch-orthodoxe Kirche existiert bereits seit dem ersten Jahrhundert und gehört zu den ältesten Kirchen der Welt.
Der christliche Gründervater Markus soll den Kopten einer Legende nach ihren Glauben persönlich überbracht haben, als er um 60 nach Christus nach Alexandria kam. Am Platz des einstigen Hauses eines Schusters, den er bekehrt haben soll, wurde der Überlieferung nach die erste koptische Kirche errichtet. Sie stand dort, wo die von dem Selbstmordattentäter am Sonntag angegriffene Markuskathedrale heute steht.
epd / j.de / 10.04.2017