Druck auf den Papst wächst. Küng gegen „ständige Förderung von Rechtsaußen“

papst-ernenng1Katholische Theologen prangern die päpstliche Rehabilitierung von Bischof und Holocaust-Leugner Richard Williamson an. Angesichts dieser Kritik-Welle hat sich der Vatikan erneut klar von der Leugnung des Holocaust distanziert. ROM/MÜNCHEN – Die Entscheidung von Papst Benedikt XVI., die Exkommunikation der vier Traditionalisten zurückzunehmen, vertiefe die „Gräben zu den Kirchen der Reformation“, heißt es in einer Erklärung Freiburger Professoren. Tübinger Theologen attackierten das entsprechende Papst-Dekret am Freitag als „Ärgernis und schwere Belastung“. Ähnlich äußerten sich Theologen aus Münster. Nach der scharfen Kritik von jüdischer Seite wächst damit der Druck auf Benedikt weiter, einen Ausweg aus der vom Vatikan ausgelösten Krise zu suchen und auf die Traditionalisten einzuwirken.
Auch die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, machte am Freitag erneut deutlich, dass die Entscheidung des Vatikans das Verhältnis zwischen den Juden und der katholischen Kirche massiv belastet. Gerade von einem deutschen Papst habe sie sich „mehr Sensibilität im Umgang mit den Verbrechen der Nationalsozialisten erhofft“. Schließlich handele es sich bei dem britischen Holocaust-Leugner um einen überzeugten Antisemiten, den Neonazis als Helden feierten. Knobloch erwartet „ein klares Signal aus dem Vatikan“, dies sei unerlässlich für den weiteren Dialog.
Zum Kurswechsel, also weg von einer „ständigen Förderung von Rechtsaußen“, rief der kritische Schweizer Theologe Hans Küng den Papst auf. Und er legte den Finger auf eine Wunde: „Er ist immer mehr abgehoben vom Volk. Er hört ja nichts in seinem „Königreich““, sagte Küng dem rbb-Sender Radioeins. Auch Vatikan-Kenner in Rom mutmaßten, Benedikt sei bei seiner heiklen Entscheidung nicht richtig beraten gewesen. Als Lapsus und Betriebsunfall stufte auch der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke in der PHOENIX-Runde die Entscheidung ein: „Wahrscheinlich muss er den Kopf für etwas hinhalten, was er gar nicht gewusst hat. Auch der Papst weiß nicht alles.“ Küng hatte das so auf den Punkt gebracht: „Er hat keine kritischen Leute um sich.“
Im „Kölner Stadtanzeiger“ (Samstagsausgabe/ 31.01.2009) warf Küng dem Papst einen „streng reaktionären Kurs“ vor. Er habe die Welt enttäuscht und drohe, als Papst der Brüskierung in die Geschichte einzugehen“. Küng forderte eine kirchenpolitische Wende, „damit man wieder mit froherem Sinn katholisch sein“ könne. „Wir brauchen einen Obama als Papst.“
Angesichts dieser nicht abebbenden Welle der Kritik hat sich der Vatikan erneut klar von der Leugnung des Holocaust distanziert und versucht, seinerseits den Druck auf Williamson zu verstärken. Wer den Holocaust leugne, „leugnet den christlichen Glauben selbst“, erklärte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi: „Und das ist umso schlimmer, wenn es aus dem Mund eines Priesters oder eines Bischofs kommt.“
Ein erster Schritt aus dem Konflikt wäre es, wenn Williamson die Leitung des Priesterseminars nahe der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires entzogen werden würe. Das hätten Priester der Bruderschaft und Personen aus dem Umfeld von Williamson bestätigt, berichtete die Zeitung „La Nación“ am Freitag. Ob der Leiter der Bruderschaft, Bernard Fellay, eine solche Entscheidung treffen werde, sei jedoch noch unbekannt.
Nach dem britischen Traditionalisten-Bischof hat auch ein italienischer Anhänger der Pius-Bruderschaft infrage gestellt, dass die Gaskammern der Juden-Vernichtung dienten. „Ich weiß, dass die Gaskammern zur Desinfektion benutzt wurden“, sagte der Leiter der Bruderschaft im italienischen Nordosten, Don Floriano Abrahamovicz. Er wisse nicht, ob darin getötet worden sei, fuhr der Priester fort.
Trotz der anhaltenden Empörung über die umstrittene Rücknahme der Exkommunikation von traditionalistischen Bischöfen sehen italienische Medien Zeichen der Entspannung zwischen dem Vatikan und Israels Ober-Rabbinat, das die Entscheidung Benedikts scharf attackiert hatte. Das Ober-Rabbinat habe einen Brief des deutschen Kurienkardinals Walter Kasper durchaus positiv aufgenommen. Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates bittet die Rabbiner, doch zu einem Treffen zu kommen, das sie wegen dieser Krise abgesagt hatten. Auf Radio Vatikan meinte der extrem um Schadensbegrenzung bemühte Kasper, es gebe das deutsche Sprichwort: „Wenn man vom Rathaus kommt, ist man immer gescheiter.“
Nicht nur Küng, auch andere Kirchenhistoriker und Theologen halten dem Papst in diesem Streit vor, um die Einheit der Kirche vor allem „am rechten Rand“ besorgt zu sein. Die Politik des Vatikans gehe auf Kosten des Zweiten Vatikanischen Konzils, das die katholische Kirche aus der ablehnenden Haltung gegenüber der modernen Welt geführt habe, bemängelte etwa der Kirchenhistoriker Alfons Fürst aus Münster im Deutschlandradio. Eine Absetzung des Leugners solle zumindest erwogen werden, auch in der Antike hätten Bischöfe abtreten müssen, „wenn sie aus moralischen Gründen untragbar waren“. Wiederholt war im Zuge der Krise die Frage aufgeworfen worden, warum Benedikt denn im Sinne der Einheit nicht auch auf Befreiungstheologen und Reformkräfte zugehe. (dpa)

Autor: Hanns-Jochen Kaffsack, 30./ 31.01.2009

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