[Q: unserekirche.de – weiter unten im Artikel: Obama-Linksammlung] – Der historische Tag: Gestern trat Barack Obama sein Amt an – 80 Jahre und 5 Tage nach der Geburt des Bürderrechtlers und Baptistenpastors Dr. Martin Luther King. Entlang der Pennsylvania Avenue in Washington warteten neu errichtete Zuschauertribünen auf das große Ereignis. Beheizte für die Prominenz, winterlich kalte für die Übrigen. Beim Festumzug zur Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Barack Obama am 20. Januar marschierten vor diesen Tribünen die Musikkapellen. Millionen Menschen wurden in Washington erwartet, um den Beginn einer neuen Epoche zu feiern. Zwei Monate nach Barack Obamas Wahlsieg gewöhnt man sich allmählich an die Wortkombination: Der erste schwarze Präsident der USA.
Besonders für ältere Afro-Amerikaner, die nackten Rassismus und harte Diskriminierung am eigenen Leib erlebt haben, sei die Wahl eines Schwarzen zum Präsidenten ein „magischer Augenblick der Transformation“, urteilt Henry Louis Gates (58), afro-amerikanischer Literaturkritiker und Professor an der Harvard Universität.
Obamas Erfolg sei die „symbolische Kulmination des schwarzen Freiheitskampfes“ – knapp 400 Jahre, nachdem die ersten Afrikaner als Sklaven in die Neue Welt verschleppt worden waren.
Wenn er ins Weiße Haus einzieht, ist Obama auch Erbe des Friedensnobelpreisträgers Martin Luther King, der 1968 ermordet wurde. Nur wenige Tage vor Obamas Amtseinführung, am 15. Januar, wäre King 80 Jahre alt geworden.
Der Baptistenprediger King, geboren 1929 in Atlanta, gilt als Inbegriff der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA. Der dritte Montag im Januar ist seit 1986 Nationalfeiertag zu seinen Ehren.
Der kleine Barack Obama war zwei, als Martin Luther King im August 1963 beim Marsch auf Washington seine berühmte „I have a dream“-Rede hielt.
Er sprach von seinem „Traum“, dass eines Tages „die Söhne früherer Sklaven und die Söhne früherer Sklavenhalter miteinander am Tisch der Brüderlichkeit sitzen“ und „meine vier kleinen Kinder in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe beurteilt, sondern nach ihrem Charakter.“
Obama sagt oft, dass er „auf den Schultern“ von schwarzen Aktivisten wie King stehe, die in der Bürgerrechtsbewegung große Opfer gebracht hätten. Sie seien die „Moses-Generation“ gewesen. Der biblische Moses hat die Israeliten aus der Gefangenschaft geführt, aber selber das gelobte Land nicht mehr erreicht.
Kings Freund, der Entertainer Harry Belafonte, erinnerte sich in einem Fernsehinterview auch an dessen aufwühlende Rede in Memphis am 3. April 1968, dem Vorabend seiner Ermordung. Der damals 39-jährige Pastor sprach vom „gelobten Land“: „Ich bin auf dem Berggipfel gewesen, und habe das gelobte Land gesehen“, verkündete King. Er habe Tränen in den Augen gehabt, berichteten Anwesende.
Prophetisch gesprochen
„Vielleicht komme ich nicht mit euch dorthin. Aber ihr sollt heute abend wissen, dass wir, als ein Volk, in das gelobte Land gelangen werden“, sagte King weiter. Und leiser: „Wie jeder andere würde ich gerne lange leben… Aber darüber mache ich mir jetzt keine Sorgen.“ Denn: „Meine Augen haben die Pracht des Kommen unseres Herrn gesehen.“
Seit Obamas Wahlsieg wisse man, dass King prophetisch gesprochen habe, urteilt Belafonte. Durch Obama sei ein Stück des gelobten Landes Wirklichkeit geworden.
Ein genauer Blick auf das Wahlergebnis vom 4. November zeigt allerdings, dass den US-Bürgern nicht plötzlich die Hautfarben egal geworden sind. Obama hat gewonnen, aber landesweit stimmten die meisten weißen Amerikaner für den Republikaner John McCain.
Und in manchen Bundesstaaten bleibt der Graben tief, wie eine CNN-Untersuchung ermittelte: In Mississippi und Alabama beispielsweise stimmten 88 Prozent der Weißen für McCain, und 98 Prozent der Schwarzen für Obama.
Colin Powell, General a.D., Ex-Außenminister, Republikaner und selbst Afro-Amerikaner, hat sich gegen Ende des Wahlkampfes für Obama ausgesprochen. Er sei der qualifiziertere der beiden Kandidaten. Die „post-rassistische“ Gesellschaft habe man allerdings noch nicht erreicht, sagte Powell kürzlich. Amerika sei seinen Idealen aber näher gekommen.
Neue Art von Wahlkampf
Obama habe einen „vollkommen neuen Wahlkampf“ geführt, anders als vorhergehende afro-amerikanische Kandidaten. Er habe sich nicht distanziert von seiner schwarzen Identität – aber er sei nicht als der schwarze Kandidat angetreten, sondern als „Amerikaner, der schwarz ist“. Das sei ein Unterschied.
Umfragen zufolge ist die Mehrheit der US-Amerikaner zufrieden mit Obama in der Übergangsperiode, sein Kabinett wird überparteilich begrüßt. Angesichts der Hiobsnachrichten über Aktieneinbrüche und Stellenabbau ist es vielen Weißen anscheinend gar nicht mehr so wichtig, dass Obama mit Mittelnamen Hussein heißt und sein Vater aus Kenia stammt. Wenn der 44. Präsident der Vereinigten Staaten nur etwas Vernünftiges zustande bringt.
Martin Luther King sprach einst von radikalen Umwälzungen. Der Pragmatiker Obama vom Wandel. King verabscheute Krieg, Obama will US-Streitkräfte schrittweise aus dem Irak abziehen und in Afghanistan stationieren. King war Prophet, Obama ist Politiker.
Autor: Konrad Ege
Dieser Beitrag wurde am 19.1.2009 um 12.00 Uhr bei UK veröffentlicht.
- Siehe auch UK-Beitrag: Politik nicht religiös überfordern >>
. - Siehe auch FOCUS-Artikel zum Thema Messias-Erwartungen an Obama, welchen selbiger mit Humor begegnete: „Entgegen den Gerüchten, die Sie gehört haben, bin ich nicht in einer Krippe zur Welt gekommen.“
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- Präsident Obamas Antrittsrede im Wortlaut >>
. - „Obamas Rede hat mich zu Tränen gerührt“ –
Eine Analyse von Lord Weidenfeld, Publizist und Amerika-Kenner
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