Aschermittwoch bis Ostern: Von der Freiheit eines Fastenmenschen

fastenAm Aschermittwoch beginnt die Passionszeit. Sie ist gleichzeitig die große Fastenzeit der christlichen Kirchen. Sieben Wochen dauert die Zeit, die geprägt ist von der Geschichte des Leidens und Sterbens Jesu. Gleichsam um dies am eigenen Leibe mit zu vollziehen ist das Fasten ein gutes, bewusstes Zeichen. Fasten, das heißt erstmal Verzicht, so ist der erste Gedanke. Aber stimmt das? Nach evangelischem Verständnis eröffnet Fasten einen weiten Raum – nach außen wie nach innen. Das christliche Fasten geht zurück auf die vierzig Tage und Nächte, die Jesus nach seiner Taufe in der Wüste… …verbrachte und fastete. Auch im Alten Testament begegnen Menschen mit Fasten den Übergängen zwischen unterschiedlichen Phasen und Sphären. An der Nahtstelle von Leben und Tod, beim Trauern oder in Lebensgefahr wird gefastet – vornehmlich in Sack und Asche. Aber auch zu Gerichtsprozessen, an der Grenze von Recht und Unrecht, enthält man sich der gewohnten Speisen. Und wer sich an Gott wenden will, bereitet sich mitunter in einer Fastenzeit darauf vor. Seit Jesu Tod besinnen sich Christen durch Fasten auf das Leiden und Sterben Jesu Christi, und vom Ende der Fastenzeit her leuchtet Ostern, die Auferstehung, das Leben nach dem Tod.

Fasten mit System

„Sieben Wochen ohne“, die 1983 gegründete Fastenaktion der evangelischen Kirche hat den Verzicht kultiviert. Hier geht es nicht so sehr darum, was man weglässt in den vierzig Tagen vor Ostern, es geht ums „Ohne“. Die Aktion lädt ein, sieben Wochen auf etwas zu verzichten, und zwar nicht, um besonders hart oder gar asketisch gegen sich selber vorzugehen, sondern vielmehr, um mit Hilfe des Verzichts etwas im Inneren freizulegen und in Bewegung zu bringen und so verschütteten Gedanken und Bedürfnissen Raum zu geben. Die Aktion möchte Menschen durch Verzicht helfen, Appetit auf ein sinnvolles Leben zu wecken.

Ein Spaßvogel sagte im vergangenen Jahr: „Ich mache sieben Wochen ohne Treppen – und fahre Fahrstuhl!“ Das mag witzig sein, aber verfehlt schon den Sinn. Verzicht ist zunächst einmal eine Erschwernis des Lebens. Aber durch das bewusste Erfahren derselben, können Menschen leichter ausgetretene Pfade verlassen, einen Bogen um den Kühlschrank machen, den Zigarettenautomaten meiden oder mal wieder bewusst zu Fuß gehen, statt dauernd Aufzug zu fahren.

Nicht nur der kleine Verzicht zwischendurch

Fast zwei Millionen Menschen beteiligen sich auch in diesem Jahr wieder mehr oder weniger intensiv an der Fastenaktion und entziehen sich Kalorien, Konsum oder Komfort. Sie brechen mit alten Gewohnheiten, sie machen etwas anders als sonst. Dadurch geraten gewohnte Ordnungen durcheinander. Vielleicht läuft alles nicht mehr ganz so rund und vorhersehbar wie sonst. Vielleicht gerät man aus dem gewohnten Takt. Der Tagesablauf verschiebt sich, Zeit ist da, wo Hetze war.

Doch nicht nur auf den kleinen Verzicht zwischendurch legt die Aktion „Sieben Wochen Ohne“ Wert. Sie hat auch innere Lebensmuster im Blick. In diesem Jahr lautet das Motto „Sich entscheiden! Sieben Woche ohne Zaudern“. Dieses Motto möchte anregen, über den herrschenden Entscheidungsstau in unserer Gesellschaft nachzudenken. Viele Menschen sind sich unsicher: Wann ist der richtige Zeitpunkt, ein Kind zu bekommen. Sollte man nicht zuerst einen sicheren Job haben? Und eine größere Wohnung? Und überhaupt: Ist mein Partner dafür richtig? Andere fragen sich, wann denn endlich der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um sich über Wohnen im Alter Gedanken zu machen? „Sieben Wochen Ohne“ im Jahr 2009 möchte Mut machen, wichtige Entscheidungen nicht auf den St. Nimmerleinstag zu verschieben, sondern dem eigenen Herzen einen Ruck zu geben.

Fasten als permanenter Neuentwurf

Fasten kann für Menschen so ein jährlicher Neuentwurf sein: Menschen, die sich fragen: Was wäre wenn? Was wäre, wenn ich nicht jeden Abend auf dem Sofa zu bewegten Bildern einschlafen würde, wenn ich jeden Tag eine neue Begegnung wagen würde, wenn ich vorwärts schauen würde statt zurück? Fasten kann darüber hinaus bedeuten, Gott gegenüber eine fragende Haltung einzunehmen und zu hören, was er zu sagen hat. So liegt im Verzicht der Fastenzeit die Erinnerung daran, dass der Mensch nicht immer allein und selber am besten weiß, was gut für ihn ist. Probehalber mal etwas anders zu machen – auch wenn es schwer fällt – kann die Entdeckung mit sich bringen, dass es anders auch dauerhaft besser sein könnte.

Von der Freiheit eines Fastenmenschen

Es geht beim Fasten keinesfalls darum, keine Fehler zu machen und durch regelmäßige Askese Gott zu gefallen – oder dem Papst, dem Pfarrer oder auch dem Nachbarn. Enthaltsamkeit ist kein probates Mittel, den Himmel milde zu stimmen. Deshalb gibt es in der evangelischen Kirche keine festen, mechanischen Fastenregeln mehr. Martin Luther hat aufgeräumt mit der Vorstellung, dass uns Enthaltsamkeit als „gutes Werk“ vor der Hölle bewahre. Gefastet hat er selber wohl, doch nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus innerem Bedürfnis. Wer seither in der Fastenzeit etwas ändert in seinem Alltag, tut dies aus freien Stücken. Wir müssen dabei nicht mehr auf Himmel und Hölle schielen, sondern sollten den Blick öffnen. Manchmal ist es nur ein kleiner Schritt zur Seite und es zeigt sich auf einmal etwas anderes, Unerwartetes, lange Übersehenes. Wenn das gelingt, dann können Menschen froh und befreit neue Wege gehen.

Q: EKD

Weblinks:

• Die Fastenaktion der evangelischen Kirche: 7 Wochen Ohne >>

Video-Clip – E-wie evangelisch: Fasten >>

STERN-Ratgeber Ernährung: Glücklicher, stärker, ausgeglichener >>