(Von Harald Mallas für UK v. 18.03.2009) – Gottkritische Angriffe auf Glauben und Kirche nehmen zu. Nicht leicht, bei der Antwort den richtigen Ton zu treffen. Selbstbewusst und authentisch sein hilft weiter. Und von Kindern zu lernen. An Gott glauben? In der Kirche mitarbeiten? Da muss man sich seit einiger Zeit wieder auf einen heftigen Gegenwind gefasst machen. „Bloß nicht verstecken“, rät einer, der es wissen muss: Manfred Lütz. Im Umgang mit antikirchlichen und atheistischen Tendenzen in der Gesellschaft sei jetzt ein „respektvoller, existenzieller Dialog“ gefragt. Mit seinen Büchern… …, Vorträgen und als Talk-Gast macht er vor, wie man erfolgreich christliche Glaubensinhalte in die öffentliche Diskussion bringt.
Aufgeweckt und angriffslustig
Der Psychotherapeut und katholische Theologe wirkt aufgeweckt, angriffslustig, offen und ehrlich. Eine rheinische Frohnatur. Seine Rede würzt er verschmitzt mit einer kräftigen Prise Wortwitz. Auf dem theologischen Studientag des Amtes für missionarische Dienste und des Pädagogischen Instituts der Evangelischen Kirche von Westfalen lädt er ein, verständlich über Gott zu reden. Wie aber muss dieses Reden sein, um auch gehört zu werden?
Jammern macht gesellig…
Ein neues Selbstbewusstsein ist gefragt. Kirchen haben die Tendenz zu jammern und sich kleinzureden, meint Lütz. „Jammern macht gesellig“, das habe schon die Psychologie erkannt. Gerade das Beklagen der eigenen Kirchengeschichte und des darin offenbaren Versagens, sei beliebt.
Lütz hingegen wählt den Weg, „mit der Schatztruhe durch die Kirchengeschichte zu fahren“, um das zu finden, was gut und prägend war. Missverständnisse und Falschmeldungen hingegen sind klarzustellen.
In seinem Buch „Gott. Eine kleine Geschichte des Größten“ (2007) geht Lütz auf die menschliche Grundfrage überhaupt ein. „Über allen Debatten steht die Gottesfrage“, schreibt er. Doch wie reden Christen von Gott?
Predigten wie Fachvorträge für Spezial-Publikum
Hier beklagt er die Unsitte, dass Predigten sich immer wieder wie Fachvorträge anhören. „Exegese – das wissenschaftliche Bemühen um die Textauslegung – ist nichts für die Kanzel, sie muss im Hintergrund laufen“, meint der Theologe. Deshalb war es ihm wichtig, sein Buchmanuskript von einem Metzger und einem Philosophen gegenlesen zu lassen, um ihr Urteil zu hören.
Auslöser für das Buch war die Aussage des Philosophen Jürgen Habermas, die Gottesebenbildlichkeit des Menschen könne auch „religiös Unmusikalischen“, etwas sagen. In ihr sei die Menschenwürde verankert.
Aus diesem Grund habe er sein Buch bewusst auch für Atheisten geschrieben, weil es zwischen ihnen und den Christen „keine getrennten Welten“ gibt.
Selbst Gysi hat Angst vor der gottlosen Gesellschaft
Die Gottesfrage werde sogar von außen an die Christen herangetragen. Gregor Gysi, Spitzenpolitiker der Linkspartei, habe sich als ein Atheist bekannt, der trotzdem vor einer gottlosen Gesellschaft Angst habe: Die Solidarität könne abhanden kommen.
Die Frage nach Gott, so Lütz, ist also eine Universalfrage und nicht für eine kleine Gruppe von Spezialisten da. Sie ist eine Frage, die unterhaltend aufbereitet durchaus Breitenwirkung haben kann. Allerdings erfordert sie Authentizität. Der Bote muss hinter seiner Botschaft stehen.
Suche nach dem Glück
Ein Megathema in der Gottesfrage ist die Suche nach Glück. Ein verhängnisvoller Weg ist die Vorstellung, Glück könne man mit Geld kaufen. Aus seiner beruflichen Praxis weiß Lütz: Drogenabhängige leben diese Machbarkeit des Glücks in letzter Konsequenz.
Dass Glück nicht von materiellem Wohlstand abhängt, zeigen Untersuchungen, wonach die glücklichsten Menschen in einem der ärmsten Länder der Welt, Bangladesh, leben. Die Armut darf nicht schöngeredet werden.
Aber Tatsache ist: Die Einbettung in eine Familie, Heimat und auch Gemeinde sind natürliche Glücksquellen.
Die Angst des Managers
Ein anderes Megathema: Angst. Es ist bei Managern besonders ausgeprägt. Insgesamt haben Menschen den Eindruck, das Leben wird enger. Dies hat sehr viel mit der Zeitvorstellung zu tun, sagt Lütz. „Der mittelalterliche Mensch lebte länger. Er kannte nämlich das diesseitige Leben und die Ewigkeit.“
Heute ist das Leben auf die irdische Dimension geschrumpft. Der Tod wird dadurch zum „Todfeind des Lebens“. Ziel etwa der Gesundheitsgesellschaft ist eine Verlängerung des Lebens um jeden Preis. Die Gottesfrage stellt diesen Wahn in ein kritisches Licht.
Wissenschaft hat Gott nicht ad absurdum geführt
In dem Kapitel „Der Gott der Atheisten“ zollt der katholische Theologe denen Respekt, die sich aus Protest gegen die Macht von Staat und Kirche zu „Freidenkern“ entwickelt haben. Allerdings habe sich die Vorstellung, Wissenschaft und Forschung würden Gott schließlich ad absurdum führen, nicht erfüllt.
Im Gegenteil: Der Gottesglaube ist durch die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse wieder plausibler geworden. Auch Wissenschaftler werden in der Gottesfrage nachdenklich.
Kinder sind nie Atheisten
Lernen können Menschen auf der Suche nach Gott von Kindern. „Kinder sind keine Atheisten. Nie!“, sagt der Autor. Sie haben eine andere, weitere Sicht der Welt. Ihr Blick ist nicht auf die biologische Perspektive eingeschränkt, wie sie der Atheist Richard Dawkins hat.
Dessen Fehler ist es, nur seine Sicht gelten zu lassen. Dadurch erweist er sich als „fundamentalistischer Atheist“. Kinder sehen die Dinge in einer ganzheitlichen, unmittelbaren Weise. „Sie riechen noch nach der Schöpferhand Gottes“.
Einheit in der Vielfalt sehen
Den Fraktionen innerhalb der Kirchen rät Lütz, sich nicht in Konservative und Progressive zerlegen zu lassen, sondern die Einheit in der Vielfalt zu sehen. Die Frage, wer ein besserer Christ ist, kann man Gott am Ende der Tage überlassen.