Protestanten und Katholiken haben den Bundestagsbeschluss zu einer besseren Beratung bei Spätabtreibungen begrüßt. Zustimmung gab es auch von der Bundesärztekammer und Verbänden. Sachsens Landesbischof Jochen Bohl sagte dem epd am Donnerstag in Dresden, es sei „ein gutes Ergebnis“ erzielt worden. Der rheinische Präses Nikolaus Schneider sagte, Schwangerschaftskonfliktberatung sei der wirksamste Schutz für das ungeborene Leben und die Würde der Frauen. Frauen, die ein behindertes oder nicht lebensfähiges Kind erwarten, sollen künftig besser beraten werden… Dies will der Bundestag mit der am Mittwochabend beschlossenen Beratungspflicht für Ärzte und eine dreitägige Bedenkzeit zwischen der Diagnose und der ärztlichen Indikation für eine Abtreibung erreichen. Die Schwangeren können die Beratung ablehnen, die Ärzte sind aber unter Androhung eines Bußgelds verpflichtet, sie anzubieten. Die neue Regelung gilt für alle Abtreibungen nach der zwölften Schwangerschaftswoche, obwohl als Spätabtreibungen in der Regel Abbrüche nach der 22. Woche bezeichnet werden.
„Die Lösung rechtfertigt die Anstrengungen“, sagte Landesbischof Bohl. Präses Schneider von der Evangelischen Kirche im Rheinland sagte, die betroffenen Frauen hätten ein Recht darauf, ihre Situation zu reflektieren und nach ethischen Standards abgewogen zu entscheiden. Die Beratungsangebote entlasteten auch die Ärzte, sich an dem beklagten Automatismus überstürzter Entscheidungen zur Spätabtreibung zu beteiligen.
Respekt zollten die Bundesärztekammer und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe den Abgeordneten für den Umgang mit dem Thema Spätabtreibung. Die Entscheidung für eine ärztliche Beratungspflicht und Bedenkzeit entspreche einer langjährigen Forderung der Ärzteschaft, sagte Ärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe. Damit sei ein Regelungsdefizit, das bei der Reform des Abtreibungsrechts 1995 entstanden ist, endlich beseitigt.
Der Bundesvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, Thomas Rachel, erklärte, das von einer klaren Mehrheit aus Mitgliedern aller Fraktionen außer der Linken beschlossene Gesetz sei ein wichtiger Beitrag zum Lebensschutz und eine verlässliche Hilfe für schwangere Frauen. Es beseitige einen „bedenklichen Abtreibungsautomatismus“ nach vorgeburtlichen Untersuchungen.
Der Bundesverband Evangelische Frauen in Deutschland begrüßte die neuen Regelungen ebenfalls, verlangte aber, dass der Anspruch der Schwangeren auf umfassende und unabhängige Beratung im Mutterpass aufgeführt werden müsse. Frauen müssten selbst entscheiden, welche Untersuchungen und welche Hilfen sie wollen, so der Verband. Für die Deutsche Evangelische Allianz begrüßte Generalsekretär Hartmut Steeb die Neuregelung, die den Rechtsschutz in Sachen Lebensschutz an zwei Punkten verbessere.
Angesichts der Realität der „Tötung von ungeborenen Kindern“ handele es sich bei dem Beschluss lediglich um eine „Millimeterverbesserung“, heißt es in einer Erklärung der evangelikalen Organisation. Steeb kritisierte es als beschämend, dass sich der Bundestag nicht auf eine ordentliche statistische Erfassung der „Tötungshandlungen“ habe einigen können.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) reagierte „mit großer Zustimmung“. ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer dankte den Abgeordneten aus Union, SPD, FDP und von den Grünen, die in äußerst schwierigen Verhandlungen den Abstimmungserfolg herbeigeführt hätten. Es komme nun darauf an, den Beschluss präzise umzusetzen. Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands erklärte, der Bundestag habe ein deutliches Signal gegen die Ausgrenzung von Behinderten gesetzt.
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung reagierte mit „großer Erleichterung“ auf die gesetzlichen Änderungen, die noch im den Bundesrat beraten werden müssen, aber nicht zustimmungspflichtig sind. Die Beratungspflicht und die Bedenkzeit seien eine wichtige Hilfe für Frauen, die unvorbereitet mit der Diagnose konfrontiert werden, ein behindertes Kind zu erwarten. Der Verband habe seit Jahren gefordert, dass werdende Eltern über die Lebensperspektiven mit einem behinderten Kind informiert werden müssten.
Q: epd vom 15.05.2009