„Das Buch von Heinzpeter Hempelmann ist ein Mutmachbuch in herausfordernden Zeiten“, heißt es im Vorwort des Buches über die Zeit nach dem Christentum. Eine Aussage, die man als Leser hinter dem Buchtitel nicht vermuten würde. Auf den zweiten Blick geht es um die Frage, wie die Kirche von der Postmoderne profitieren kann und welche fördernden Glaubensprozesse der Wettbewerb der Weltanschauungen auslösen kann. Der Untertitel macht damit Hoffnung, dass das Buch hält, was das Vorwort verspricht. Nach der Lektüre der ersten achtzig Seiten des Buches könnte man als aufmerksamer Leser zunächst… enttäuscht sein über die düstere Situationsanalyse des Autors: Hempelmann beschreibt eine Generation, die in der Zeit nach der Postmoderne lebt, unter ihr aber gleichsam leidet wie ein fest in der Moderne verhafteter Mensch, der mit der gesellschaftlichen Revolution im Denken, in der Werte-Orientierung und im Lebensgefühl nicht schritthalten kann.
So hätten zum beständigen gesellschaftlichen Konsens über Jahrhunderte und Jahrtausende Werte wie Wahrheit, Gerechtigkeit und Vernunft gehört. Seit der Postmoderne werde um den Inhalt dieser gesellschaftlichen Werte nicht mehr gerungen. Die Wahrheit, die Gerechtigkeit und das Vernünftige als singulare Größen seien aufgelöst worden, bis es keine Wahrheit, keine Gerechtigkeit und keine Vernunft mehr gab, die als Konsens für die Gesellschaft gelten könnten. An ihre Stelle treten unterschiedliche Wahrheiten und viele Vernünfte. Hempelmanns Fazit: Es gibt nichts mehr, das für alle gilt.
Die Kirchen selbst beteiligen sich am Wahrheitspluralismus, um nicht als intolerant oder fundamental abgestempelt zu werden. Entsprechend hätten die christlichen Institutionen ihre privilegierte Stellung zugunsten einer Patchwork-Religiosität verloren, bilanziert Hempelmann. Als Ursachen werden der relative Wohlstand und die Globalisierung genannt. Beschleunigt werde der Prozess der Entfremdung des Menschen vom Christentum durch die modernen Medien. Der Höhepunkt der gesellschaftlichen Veränderung finde darin seinen Ausdruck, dass der Mensch zum Erfinder und Schöpfer seiner selbst wird.
Richtig interessant wird das Buch mit dem Beginn des zweiten Teils. Hempelmann wagt den Vergleich mit den gesellschaftlichen Strukturen der frühen Christenheit und findet Ähnlichkeiten, die er als eine „gute Grundlage für die erneuernde Kraft des Evangeliums“ identifiziert. Die Chancen lägen jedoch nicht im Christentum aktueller Ausprägung: Erforderlich sei eine Rückkehr zur Gestaltung des Lebens wie sie in der frühen Christenheit praktiziert wurde.
Hempelmanns Rezept ist einfach und doch herausfordernd: Christen, die sich als Briefträger einer guten Botschaft verstanden haben, sollen ihr Christsein inmitten einer endchristlichten Welt leben und so selbst zum „Brief Christi“ werden. (2.Kor.3,2) Als mögliche neue Zielgruppe der Kirche macht der Autor vor allem die Unterschicht aus, die sozial Deklassierten und Abgestiegenen, die Arbeitslosen und Menschen ohne Hauptschulabschluss. Statt diese in den Gottesdienst einzuladen („Komm-Struktur“) plädiert Hempelmann dafür, sie in ihrem Milieu aufzusuchen („Geh-Struktur“). So blieben sie im vertrauten Milieu, würden dort ausgerüstet und begleitet, damit weitere Menschen aus der Unterschicht vom Evangelium erreicht werden.
Neben der Neuausrichtung auf eine veränderte Zielgruppe empfiehlt Hempelmann auch den Kirchen und Gemeinden selbst eine Erneuerung. Aus Neinsagern und Spielverderbern können Menschen werden, die durch authentisches Christsein Leben und volle Genüge haben. Kennzeichen: Mehr Freude, Spaß und Gemeinschaft miteinander. Das primäre Ziel müsse am Ende eine Gemeinde sein, die sich durch ständige Teilung erneuert und vermehrt – nicht etwa mehr Gottesdienste mit möglichst beeindruckenden Besucherzahlen.
Die mutmachende Botschaft zum Schluss: Es gibt Wahrheit, es gibt Sinn, es gibt Hoffnung, wenn Menschen nicht in erster Linie mit Worten ihren Glauben bezeugen, sondern mit ihren Leben Christus zu den Menschen bringen. Auch davon ist Hempelmann überzeugt.
Genre: Sachbuch
Verlag: Brunnen Basel
VOE: Mai 2009
Bindung: Paperback
Seiten:176
ISBN:978-3-7655-1431-9
Q: J.de