Immer mehr Menschen haben offenbar ein Problem mit dem Aufräumen. Doch der Krempel steht nicht nur im Weg und müllt Speicher und Garage zu. Überflüssiges Zeug lastet auch schwer auf dem Gemüt, warnen Lebenshilfe-Berater. Wer sich von Ballast befreit, schafft nach Erfahrung des Experten Marco Freiherr von Münchhausen gleichzeitig Freiraum für neue Ideen. Aufräumen entrümpelt die Seele. »Meine seelische Verfassung strahlt nach außen aus«, so der Bestseller-Autor und Jurist von Münchhausen… (»Entrümpeln mit dem inneren Schweinehund«, Gräfe und Unzer Verlag) gegenüber epd. Und das gilt auch umgekehrt: »Wenn ich um mich herum Ordnung schaffe, dann fühle ich mich hinterher auch geordnet«. Seine Überzeugung: »Auch wenn man schlecht drauf ist, fühlt man sich in der Regel besser, wenn man aufräumt und ordnet.«
Zuviel raubt Lebensenergie
Der Besitz von zu viel Zeug raube Lebensenergie und führe zu Stress, betont auch die Organisations-Beraterin Harriet Schechter. Unordnung im Haus erzeuge auch Unordnung im Kopf. Wer sich von materiellem Krempel trennen will, muss auch seinen »mentalen Krempel« in den Griff bekommen, glaubt die US-Amerikanerin.
Mentaler Krempel seien Sachen, die man vergessen wolle wie Sorgen oder Groll. »Ein krempelfreier Geist«, so Schechter, sei der »Schlüssel zu einem krempelfreien Leben«.
Wir horten und sammeln nach Instinkt
»Seit Neandertalerzeiten haben wir so etwas wie einen Ur-Instinkt. Wir horten und sammeln, um uns abzusichern«, erklärt der Coach und Unternehmer Marco von Münchhausen. »Das Eichhörnchen sammelt ja auch für den Winter.«
Dieser Hamstertrieb stecke uns in den Genen und im Nervensystem. »Und der Mensch lässt sich gern verleiten, das eine oder andere anzuschaffen, während es parallel merkwürdigerweise eine Angst gibt, etwas davon wieder herzugeben.«
Gegen den inneren Schweinehund
Dieses Gerümpel tut von Münchhausen zufolge psychologisch aber nicht gut: »Man muss erkennen, dass man es nicht braucht und sich ohne wohler fühlen kann.« Beim Entrümpeln muss man daher gegen diesen »Ur-Instinkt«, die Sachen behalten zu wollen, angehen.
Das Entrümpeln und Aufräumen schaffe so auch wieder inneren Freiraum für neue Perspektiven. Von Münchhausen: »Das ist eines der wichtigsten Dinge, die man machen kann.«
Neue Freiräume gewinnen
Wie befreit man sich von »seelischem Krempel« wie Zorn, Ärger oder ungeklärten Konflikten? Von Münchhausen rät zum Verzeihen. »Wenn ich verzeihe, bin ich hinterher freier. Allerdings will man das vielleicht gar nicht immer.
Manchmal ist es leichter, an seinem Groll festzuhalten.« Verzeihen ist dem Experten zufolge allerdings »nicht nur ein Akt, den man für den anderen macht, sondern in erster Linie für sich selbst.«
Am Prinzip Ordnung arbeiten
»Wem Ordnung von Natur aus einfach nicht liegt, muss verstärkt daran arbeiten«, mahnt Cynthia Townley Ewer (»Nie wieder Chaos! So bekommen Sie ihren Haushalt in den Griff«). »Chaos herrscht auch in unseren Köpfen.« Psychologische Gründe wie Angst und Sentimentalität hinderten uns daran, sich von dem zu trennen, »was wir eigentlich nicht mehr brauchen können«, so die Haushaltsmanagerin. Sie warnt vor der Abwehrhaltung »Eines Tages werde ich es brauchen« oder »Ich habe viel Geld dafür bezahlt«.
Als praktische Tipps zum Aufräumen rät Freiherr von Münchhausen, sich konkret vorzustellen, wie die Wohnung aufgeräumt aussieht. Zudem solle man klein anfangen. »Man muss also gar nicht mit einem ganzen Entrümpelungswochenende starten, sondern sich vielleicht nur zwei Stunden pro Woche vornehmen.«
Zwei Stunden pro Woche mit dem Drei-Kisten-System
Bewährt habe sich das Drei-Kisten-System: »In die eine Kiste kommt rein, was ich sofort wegwerfe, in die zweite kommt das rein, was ich behalte. Schließlich gibt es die Kiste mit dem Fragezeichen. Da kommt alles rein, von dem man nicht weiß, ob man sich davon trennen soll«, so der Coach. Wenn man diese Kiste ein Jahr nicht geöffnet habe, könne man sie getrost wegtun.
Auch bei ihm sei längst nicht alles aufgeräumt, bekennt von Münchhausen lachend. Auch ihm passiere es, dass sich Stapel bildeten. Doch dann nehme er sich einen Nachmittag Zeit und gehe an die Ablage ran. Von Münchhausen: »Es gelingt mir nicht immer, aber ich weiß um den Wert des Aufräumens – deshalb fällt es mir auch zunehmend leichter.«
Der radikale Tipp: Erst sortieren, dann wegwerfen
Einen radikalen Tipp zum Aufräumen gibt der Bestseller-Autor Nury Vittachi in einem seiner Fengshui-Detektiv-Kultkrimis: »Ich empfehle folgendes: Teilen Sie Ihren Papierkram in zwei Stapel. Einen mit nutzlosem Zeug und einen mit Papieren, die für sie vielleicht eines Tages noch von Wert sein könnten. Dann werfen Sie beide Stapel weg.«
Q: Stephan Cezanne für epd (15.96.2009)