Auch Seelenbalsam hilft nicht: Der Tübinger Religionspädagoge Friedrich Schweitzer nennt den Konfirmandenunterricht in der evangelischen Kirche in Württemberg »ein Erfolgsmodell«. Doch der Schock sitzt tief. »Wir schaffen es nicht, in der Lebenswelt der Jugendlichen anzukommen«, sagt Markus Böhler vom Gesprächskreis »Kirche für morgen« vor der Landessynode. Schweizter startete in Württemberg ein Forschungsprojekt, das jetzt auf die gesamte Evangelische Kirche in Deutschland ausgedehnt wurde. Die Studie brachte unerwartet Positives zutage und hat die Kirche doch erschüttert. Denn die Forscher deckten genau dort Schwächen auf… , wo Protestanten eigentlich punkten möchten: beim Gottesdienst und bei der lebensnah seelsorgerlichen Begleitung der Menschen.
Die Studie zeigt auf, dass zu Beginn der Konfirmandenzeit 46 Prozent der 13- und 14-Jährigen Gottesdienste meistens langweilig finden. Ein gutes halbes Jahr später, nach durchschnittlich 20 besuchten Gottesdiensten, liegt die Quote bei 54 Prozent.
Kollisionen mit der Tradition
Die Jugendlichen würden sich gern selbst beteiligen und ihre Musik im Gottesdienst wiederfinden. Das kann aber leicht zu Kollisionen mit traditionellen Gottesdienstbesuchern führen. Wie Synodale und die Studie bestätigen, liegen ihnen kinder- und jugendgemäße Gottesdienste oft nicht.
Wie also weiter? Schweitzer sagt: »Der Gottesdienst ist kein hoffnungsloser Fall«. Er müsse nicht der »neuralgische Punkt der Konfirmandenarbeit« bleiben.
Gänzlich »unverdaulich«
Als gänzlich »unverdaulich« hat jedoch selbst Schweitzer die Aussage vieler Jugendlicher bezeichnet, dass sie von der Kirche keine Antwort auf ihre Lebensfragen erwarten. Evangelische Identität sei doch gerade eng verknüpft damit, auf Lebensfragen aus dem Glauben heraus Antworten finden zu können.
»Lebensbedeutsame Fragen kommen zu kurz«, kritisiert Schweitzer am bisherigen Konfirmandenunterricht. Auch die Herausforderung der gesellschaftlichen Pluralität müsse Thema werden.
Mit dem Herzen glauben
Der Schlüssel zu einer positiven Veränderung könnte in der Aussage eines Jugendlichen liegen: »Man sollte mit dem Herzen glauben, nicht mit dem Gedächtnis.« Dass damit das in der württembergischen Landeskirche im Bundesvergleich über Gebühr wichtige Auswendiglernen vom Tisch wäre, ist wenig wahrscheinlich.
Denn auswendig Gelerntes kann auch ein unersetzlicher biografischer Erinnerungsschatz werden.
Unterrichtsstil ändern
Professor Friedrich Schweitzer empfahl der Landeskirche, für den Konfirmandenunterricht ausreichend Zeit zur Verfügung zu stellen – im Bundesvergleich liegt Württemberg an vorletzter Stelle – und den dominierenden gymnasialen Unterrichtsstil abzulösen.
Wo mehr Herz und Hand ins Spiel kommen, sind die Jugendlichen intensiver bei der Sache. So steigern Freizeitangebote und gemeinsame Aktivitäten belegbar das Interesse am weiteren Gemeindeleben.
Fast alle Konfis gehen gern zum Unterricht
Dann könnte auch gelingen, im Konfirmandenunterricht in einer wichtigen Entwicklungsphase der Jugendlichen ethische Urteilsfähigkeit, Werthaltungen und Tugenden, soziale Kompetenz, Gewissen, Verantwortung und Gerechtigkeitsempfinden anzustoßen.
Immerhin gehen 93 Prozent aller evangelischen Jugendlichen zum Konfirmandenunterricht – und sie tun es nachgewiesen gern.
Q: epd vom 6.7.2009