Neue EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann: Fromm, engagiert und nah bei den Menschen

Erstmals votierten die Protestanten für eine Frau als oberste Repräsentantin der rund 25 Millionen Christen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)… Lange blieb es vor der Tagung in Ulm spannend, ob sich die Synode und die Vertreter der Landeskirchen in der Kirchenkonferenz für die zurzeit bekannteste deutsche Theologin entscheiden werden. Denn seit Käßmanns Scheidung vor zwei Jahren wurde in der Kirche heftig und kontrovers über ihre Personalie diskutiert.

Dabei ging es nicht um die Leitungsqualifikationen der 51-jährigen gebürtigen Hessin, die bereits seit sechs Jahren Mitglied im Rat der EKD ist. Debattiert wurde allein um die Frage, ob eine geschiedene Bischöfin das höchste Amt der Evangelischen ausüben darf. Sie selbst hat nie einen Hehl daraus gemacht, wie sehr sie die Trennung von Ehemann Eckhard Käßmann unmittelbar nach einer Brustkrebserkrankung belastet hat. Ehe und Familie bleiben für die Mutter von vier erwachsenen Töchtern wichtige Werte: «Aber Menschen können scheitern, das habe ich sehr bitter erleben müssen.» Diese Nähe zum Auf und Ab des menschlichen Lebens zieht sich wie ein roter Faden durch die Biografie der wertkonservativen Theologin.

Ihre Wurzeln hat Käßmann in der Ökumene der weltweiten Christenheit, über die sie auch promovierte. Als 25-jährige Vikarin wurde sie als jüngstes Mitglied in den Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen gewählt. Knapp 20 Jahre später verließ «Miss Ökumene», wie sie oft genannt wurde, den Weltkirchenrat «mit Trauer und Zorn». Auslöser war dessen Entscheidung, aus Rücksicht auf die orthodoxen Kirchen keine ökumenischen Gottesdienste mehr zu feiern, sondern nur noch gemeinsame Gebete zu sprechen.

Auch nach ihrer Berufung zur Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Fulda 1994 war ihr der Dialog mit anderen Konfessionen und Religionen ein Anliegen. Dabei bleibt Käßmann jedoch stets auf dem Boden des Protestantismus: Die Bibel, Jesus Christus, das Gesangbuch und das Vaterunser bilden die vier zentralen Säulen ihres Glaubens.

Ihre tiefe Frömmigkeit verbindet sie mit einem hohen sozialpolitischen Engagement für die Randgruppen in der Gesellschaft. Eine ihrer Stärken ist die klare Positionierung in der Sache, ohne dabei persönlich zu verletzen. Käßmann scheut weder die Mikrofone von Journalisten noch Auftritte vor großem Publikum. Sie weiß aber auch, wann ein vertrauliches Gespräch zum Beispiel mit einem Politiker für ihr jeweiliges Anliegen hilfreicher ist. Parteipolitisch festlegen lässt sie sich dabei nicht.

In ihren zehn Jahren Amtszeit als Bischöfin der hannoverschen Landeskirche, die mit knapp drei Millionen Mitgliedern die größte in Deutschland ist, hat Käßmann viel Neues angestoßen, meist mit bundesweiter Beachtung: etwa die Aktion «Advent ist im Dezember» gegen den Kommerz in der Vorweihnachtszeit oder die öffentliche Aufarbeitung der Misshandlungen ehemaliger Heimkinder in kirchlichen Einrichtungen. Genauso wichtig ist ihr die Nähe zu den Gemeinden. Wo Käßmann predigt, da «menschelt» es. Oft suchen Zuhörer nachher ein persönliches Gespräch mit ihr. Wenn es mit ihren Terminen vereinbar ist, nimmt sie sich die Zeit gern.

Amt und Person gehören für die Tochter eines Kfz-Mechanikers zusammen. Von abstrakten theologischen Spekulationen hält sie wenig: «Ich kann nicht in einem Gottesdienst predigen, ohne mich zu fragen, was die Menschen gerade beschäftigt.» Seit Beginn des Reformprozesses der EKD vor drei Jahren hat Käßmann sich dafür eingesetzt, dass das Thema Gottesdienst ganz oben auf der Liste steht. Die neue Ratsvorsitzende wünscht sich lebendige Gottesdienste, die auch von den Randgruppen der Gesellschaft als Quelle der Ermutigung erlebt werden.

Tugenden wie Disziplin, Zuverlässigkeit und eine extrem hohe Belastbarkeit zeichnen die begeisterte Joggerin genauso aus wie ihr Humor und ihre Freude am Leben. In ihrem gerade erschienenen Buch «In der Mitte des Lebens» schreibt sie, in der Lebensmitte lasse sich auch lernen, dem Verlorenen nicht nachzutrauern und das Misslungene anzunehmen: «Ich schaue gern zurück und ohne Angst nach vorn.»

Q: epd v. 28.10.2009

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