Gott ist ein Freund des Lebens

„Den Gunter Sachs – den kann ich voll verstehen. Solch ein Leben ist doch würdelos…“ – so war es am Tag der Bekanntgabe dieses unerwarteten Freitodes auf der Pinnwand eines sozialen Netzwerks im Internet zu lesen…

Einen Augenblick hielt es mir den Atem an: Darf man jemandem sozusagen gratulieren, der seinem schwächer werdenden Leben ein jähes Ende setzt? Darf ein Suizid im Sinne einer selbst organisierten Euthanasie als Vorbild gelten?

Längst ist das selbst bestimmte Sterben in manchen europäischen Ländern salonfähig und legal geworden: Wenn man’s nicht mehr aushält, dann gibt man sich eben „die Kugel“ – oder vielleicht lieber doch nicht?

Nun könnte man mit der moralischen Keule kommen – im Sinne von: „Der Mensch hat kein Verfügungsrecht über das Leben!“ Aber wie wirkt das denn wohl auf einen Menschen, der das Leben nur noch als Last empfindet…

Die Frage bewegt viele:
Woran soll sich ein gelebter christlicher Glaube angesichts solcher ethischen Problemfelder denn bitte orientieren?

Eine große deutsche Wochenzeitung schreibt: „Der Suizid von Gunter Sachs war eine Kapitulation. Er zeigt die Widersprüche eines auf Leistung und Denkvermögen reduzierten Menschenbilds.“

„Gott ist ein Freund des Lebens“ (Weisheit Salomos 11,26) – unter diesem Titel haben die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland bereits im Jahr 1989 eine auch heute noch aktuelle gemeinsame Erklärung vorgelegt. Die Kirchen möchten dazu ermutigen, Gott als den „Freund des Lebens“ zu erkennen, der die Menschen dazu beruft und befähigt, selbst Freunde des Lebens zu sein.

Ich kenne eine freundliche Familie, die seit Jahren gut koordiniert die alzheimerkranke Großmutter pflegt und ihr trotz aller Nöte etwas Einzigartiges schenkt: Liebe, Treue und Zuwendung. Hut ab – kann ich da nur sagen.

Ich lese von Palliativmedizinern, die mutig über Grenzen hinaus forschen, damit möglichst „bis zum Schluss“ ein hohes Maß an Schmerzfreiheit möglich ist. – Respekt!

Ich denke an treue Menschen in Pflegeberufen, die weniger auf die Uhr als mehr auf den einzelnen Menschen und dessen Wohlergehen schauen. – Sehr beeindruckend!

Und in den 1980er Jahren habe ich mir im Zivildienst in einer Schule für Geistigbehinderte all diejenigen zum Vorbild genommen, die mit Fantasie und Herz den Schülerinnen und Schülern geholfen haben, ein möglichst reich erfülltes Leben zu genießen – trotz aller Begrenzungen.

Ich könnte es schwer ertragen, wenn einer meiner Verwandten oder Bekannten sich „die Kugel“ geben würde. Denn ich möchte immer noch daran glauben und dafür kämpfen:

Im Zeichen der Liebe können unsere Begrenzungen vielleicht doch noch eine hoffnungsvolle Grenz-Erweiterung erfahren – im Sinne dessen, der „ein Freund des Lebens“ ist.

Carsten Heß