Laut einer Studie fördert das Vorlesen die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Sie haben bessere Noten, treiben mehr Sport und lesen sogar in der Pubertät. Je mehr einem Kind vorgelesen wird, desto besser entwickelt es sich… Das ist das Ergebnis einer am Dienstag in Berlin vorgestellten Studie der Stiftung Lesen. Vielen Kindern fehle Vorlesen als zentraler Bildungs- und Entwicklungsanreiz noch völlig, sagte die Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen, Simone Ehmig. Laut einer früheren Studie der Stiftung aus dem Jahr 2007 lesen 42 Prozent aller Eltern nur gelegentlich oder nie vor.
„Überraschend eindeutig“ zeige die neue Untersuchung, dass Kinder, denen vorgelesen wird, sich nicht nur in ihrem Leseverhalten, sondern auch in ihrer sozialen Kompetenz, ihrem Schulerfolg und ihrer aktiven Freizeitgestaltung anders entwickeln, als Kinder, denen nicht vorgelesen wurde, sagte Ehmig.
Für die Studie wurden 500 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 19 Jahren nach ihren Vorlese-Erfahrungen befragt. Diese Zahl entspreche der sozio-demographischen Struktur der Gesamtbevölkerung und sei damit repräsentativ. Das Ergebnis werde durch Einzelbefunde aus Entwicklungspsychologie und Medienpädagogik gestützt.
„Vorlese-Kinder“ sind besser in Deutsch und Mathe
Der Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen, Jörg Maas, verwies auf die Bedeutung ausreichender Lesekompetenz für die Bildungs- und Berufschancen von Heranwachsenden. Die Stiftung Lesen veranstaltet gemeinsam mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ und der Deutschen Bahn am 18. November erneut einen bundesweiten Vorlesetag. Dazu haben sich über 10.000 Menschen, darunter prominente Politiker, Fußballer, Schauspieler und Journalisten als freiwillige Vorleser bereit erklärt.
Deutlich zeigt sich Ehimg zufolge der Unterschied in den schulischen Leistungen von Kindern aus Elternhäusern mit einfacher Bildung. In den Fächern Deutsch und Mathematik hätten Vorlese-Kinder bis zu 0,4 Notenpunkte bessere Ergebnisse als Kinder, denen nicht vorgelesen wurde.
Zudem würden Jungen, die deutlich weniger lesen als Mädchen, besonders stark vom Vorlesen profitieren. So hätten Jungen, denen vorgelesen wurde, 20 Prozentpunkte mehr Spaß am Bücherlesen als Jungen, denen nicht vorgelesen wurde. Bei den Mädchen beträgt der Unterschied nur neun Prozentpunkte.
Keine „Lese-Nerds“, sondern sportliche Kinder
Auch scheine sich Vorlesen „positiv auf die ganzheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auszuwirken“, hieß es weiter. So ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die mindestens einmal in der Woche Sport treiben, höher (66 Prozent) als bei den Kindern und Jugendlichen, denen nicht vorgelesen wurde (55 Prozent). Damit sei das Klischee des sozial isolierten „Lese-Nerds“ widerlegt, erklärte Maas.
Elektronische Trägermedien wie E-Book-Reader oder Lernsoftware auf PC können laut Ehmig als „Türöffner“ dienen, damit Kinder mehr lesen. Durch Internet und soziale Netzwerke sei noch nie soviel gelesen worden wie heute. Auch helfe Vorlesen den „Lese-Knick“ in der Pubertät abzuschwächen. „Je intensiver Eltern vorlesen, desto größer das Potenzial für ihre Kinder“, sagte Ehmig. Untersucht wurden unter anderem Leseverhalten und -dauer, Mediennutzung, Erfolg in der Schule und Freizeitbeschäftigungen.
Bei der Untersuchung handelte es sich bereits um die fünfte Studie, die die Stiftung Lesen seit 2007 gemeinsam mit der Deutschen Bahn und der Wochenzeitung „Die Zeit“ vorgelegt hat.
01.11.2011, epd