Zu viel Geschwätzigkeit in evangelischen Gottesdiensten

Zu viel Geschwätzigkeit in evangelischen Gottesdiensten beobachtet der Rektor des Albrecht-Bengel-Studienhauses in Tübingen, Pfarrer Rolf Sons. Er sehe mit Sorge, dass Pfarrer und Liturgen ihren Redefluss nicht mehr stoppen könnten, schreibt er in der Quartalszeitschrift „Theologische Orientierung“… Sie wird von der pietistischen Einrichtung herausgegeben, die angehende Pfarrerinnen und Pfarrer während ihres Theologiestudiums wissenschaftlich und seelsorgerlich begleitet. Als Grund für eine „schädliche Flut der Worte“ im Gottesdienst nennt Sons das Bemühen, eine menschliche und lockere Atmosphäre zu erzeugen, um zu zeigen, „dass es im Gottesdienst normal zugeht und dass die gottesdienstliche Welt im Grunde gar nicht so viel anders ist als die alltägliche Welt“. Das Ergebnis sei, dass Besucher bereits bei der Begrüßung „mit Wortkaskaden“ „zugetextet“ würden, anstatt zu hören, „dass Gott da ist und wir nun vor ihm stehen“. Einleitungen zur Predigt gerieten oft so lang, dass dem Prediger nicht mehr zugehört werde, wenn er zum Eigentlichen komme. Sons empfiehlt als Leitfragen „Will ich mit meinen Worten die Menschen vor Gott stellen? Was dient diesem Ziel und was lenkt von diesem Ziel ab?“ Wo viele Worte gemacht würden, verliere das einzelne Wort seinen Wert.

„Zur Kirche geht man nicht. Kirche ist man!“

Ein weiterer Beitrag in der Januar-Ausgabe der „Theologischen Orientierung“ enthält einen „kritischen Zwischenruf“ zum „Jahr des Gottesdienstes“ 2012 der württembergischen Landeskirche. Darin fragt Studienassistent Markus Weimer, ob ein Gottesdienst nicht viel mehr ist als eine sonntägliche Zusammenkunft. Wenn es heiße, Christen hätten sonntags in den Gottesdienst zu gehen, bestehe die Gefahr, das Christsein auf den Kirchgang zu beschränken und fast alle wesentlichen Elemente auf den Gottesdienst zu projizieren, nämlich Gemeinschaft (Koinonia), Bezeugen des Glaubens (Martyria) und Umsetzung ins Leben (Liturgia). Nur für das helfende Handeln, also die Diakonie, gebe es im Gottesdienst keine Gelegenheit, was aber damit gerechtfertigt werden könne, dass dafür professionelle Werke zur Verfügung stünden, schreibt Weimer. Nach Ansicht des Theologen sollten Christen umdenken. Jesus Christus habe die Menschen nicht dazu aufgefordert, in die Kirche zu gehen, sondern sie herausgefordert, ihm nachzufolgen. Deshalb gehöre nicht der Gottesdienst in den Mittelpunkt christlicher Gemeinden, sondern die Mission. Korrekt müsse es daher heißen: „Zur Kirche geht man nicht! Kirche ist man!“ (idea)