Kritische Anfragen an Papst Benedikt XVI. gibt es in Fülle. Übersichtlich musikalisch auf den Punkt gebracht hat sie ein evangelischer Pfarrer namens Clemens Bittlinger. Im Stil von Pinks „Dear Mr. President“ fragt er in seinem „Mensch Benedikt“ unter anderem, warum Rom denn die evangelische Kirche nur als „kirchenähnliche Gemeinschaft“ und nicht als vollwertige Kirche anerkenne. Für evangelische Christen ist das in der Tat ein harter Brocken. Trotz allem Befremden habe ich hohen Respekt vor diesem Papst. Bereits im Jahr 2010 hatte Benedikt gesagt, dass der Papst, wenn er körperlich oder geistig nicht mehr in der Lage sei, die Kirche zu leiten, das Recht, „ja unter Umständen sogar die Pflicht“ habe, zurückzutreten…
Offiziell 1,2 Milliarden Menschen zu führen, einen Kleinstaat zu verwalten, gewaltige Vermögen zu kontrollieren und fast pausenlos in den Medien präsent zu sein, das ist selbst für körperlich fitte Menschen kaum zu leisten. Der Papst ist eben auch nur ein Mensch, und die Überhöhung seines Amtes im Papstdogma von 1870 wird mehr und mehr von der Realität eingeholt. Sein Rücktritt, wenn auch vom Kirchenrecht abgedeckt, entzaubert das Amt und macht es menschlicher.
Übrigens: Den Kardinälen sagte er mal, dass ein Papst die meiste Zeit fehlbar sei. In vielen seiner Messen und Ansprachen finden sich Hinweise darauf, dass er Fehler mache, dass Gott und die Kirche ihm vergeben mögen und er nur hoffen könne, dass Gott ihn vor Fehlentscheidungen bewahre. Das gilt selbst noch für seine kurze Rücktrittsankündigung. Dazu gehört der ständige Hinweis Benedikts, dass nicht er, sondern Jesus der Herr der Kirche sei.
Am meisten staune ich über Benedikts tief im Glauben verankerten Mut, mit dem er für eine konsequente Rückbesinnung auf das Evangelium warb. Bei seinem letzten Deutschland-Besuch („Wo Gott ist, da ist Zukunft“) im September 2011 hat er den Abgeordneten in Berlin ins Gedächtnis geschrieben, sie mögen zumindest einem Leitstern folgen, idealerweise dem christlichen Menschenbild: „Jeder Verantwortliche muss sich bei der Rechtsbildung Kriterien seiner Orientierung suchen, allein die Mehrheit reicht nicht aus.“ Und in Freiburg tat er kund: „Die eigentliche Krise der Kirche in der westlichen Welt ist eine Krise des Glaubens. Wenn wir nicht zu einer echten Erneuerung des Glaubens finden, dann werden alle strukturellen Reformen wirkungslos bleiben.“
Ich verstehe das so: Kirchlicher Mittelpunkt sei doch bitte (immer wieder neu) der gekreuzigte und auferstandene Jesus Christus! Und die Christen mögen doch bitte nicht so kleingläubig sein, die Kirche zu einem zigmal weichgespülten Wellness-Club verblassen zu lassen, der vor jedem Zeitgeist einknickt und das Evangelium vom Reich Gottes zu einer faden Philosophie herabwürdigt, die keinem schadet, aber leider auch keinem nützt.
In diesem Sinne: Danke, lieber Mensch Benedikt, für ganz viele wichtige Impulse! Und von Herzen Gott befohlen.
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Evangelischer Impuls von Pfr. Clemens Bittlinger (2008):