Gibt es einen evangelikalen Boom in Deutschland? Mit dieser Frage hat sich die Sendung Theo.Logik im Bayerischen Rundfunk am Montag befasst (Podcast dazu ist hier zu finden…). Die Sendung bilanziert (nach einem kurzen Personen-Exkurs zu Noch EKD-Chef Nik Schneider), dass es vor allem im evangelikalen Bereich immer neue Bewegungen gibt. Diese hätten einen enormen Zulauf und begeisterten die Menschen mit lebendigen Gottesdiensten, verbreiteten aber auch fundamentalistische Thesen…
„Evangelikale“ Gemeinden missionierten vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Eine Definition davon, was die Macher der Sendung unter dem Begriff „evangelikal“ verstehen, liefert der Beitrag nicht, dafür aber einige Ausprägungen, die dafür kennzeichnend seien: Gegenüber den typischen landeskirchlichen Gottesdiensten werde dort jede Veranstaltung zum Event. Exemplarisch stellt der Beitrag die CityChurch in Würzburg vor. Der Gottesdienst dort finde in einem Multiplex-Kino statt. Neben ausgeprägtem Lobpreis werde jeder Besucher am Ende des Gottesdienstes noch gesegnet. Der Pfarrer und ProChrist-Redner Ulrich Parzany wirbt als ausgewählter Evangelikaler in dem Beitrag dafür, von der Bibel und Jesus Christus so zu reden, dass die Leute merken, dass es um sie persönlich geht. Wenn evangelikal bedeute, gemäß Bibel und Evangelium zu leben, sei er gerne evangelikal. Dies scheint für die Macher der Sendung schon ein Problem zu sein. Dieser Eindruck entsteht für den Hörer bei etlichen Formulierungen. Das Wort Fundamentalismus sei für ihn negativ belegt, wenn damit Fanatismus und fehlende Dialogbereitschaft gemeint sind, aber nicht, wenn jemand über ein festes Fundament verfügt, sagte Parzany. Die Bibel sieht er als wichtige Hilfe, durch die sich Gott selbst offenbart habe.
Gott habe die Menschen als sein Ebenbild geschaffen und liebe sie alle. Für Parzany habe der „Schutzraum der Ehe als geliebte Treuegemeinschaft“ Vorrang vor anderen Lebensformen. Seinen Glauben wolle er in Wort und Tat mit anderen teilen. Er habe auch die Hoffnung, dass eine Erneuerung der Kirche überall stattfinden kann: „Ich erlebe viele junge Pfarrer, die mit Begeisterung und Klarheit arbeiten und ethisch klare Positionen vertreten. Klar habe ich den Wunsch, dass es noch heftiger boomt.“
Intensive Anpassungsprozesse
Eine weitere aufstrebende Gemeinde im Sendegebiet sei die International Christian Fellowship (ICF) München. Dort feierten Christen fünf Gottesdienste pro Wochenende in einer Discothek. Ihrem Prediger Tobias Teichen ist der säkulare Ort wichtig, um neue Menschen zu erreichen. Die Gemeinde verzeichne jährlich nach eigenen Angaben einen Besucheranstieg von 50 Prozent. Von welcher Basis die Gemeinde ausgeht, verrät der Beitrag nicht. „MTV-Ästhetik statt Stuck und jahrhundertealter Staub“, beschreibt der BR-Beitrag diesen Gemeindetyp. Hinter der „hippen Fassade“ stecke aber oft ein fundamentalistischer Kern.
Für Reinhard Hempelmann von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen befinden sich die Gemeinden in einem intensiven Anpassungsprozess, was ihre Sprache und Kleidung betrifft. Von den Besuchern forderten sie ein hohes Maß an Verbindlichkeit. Oft gäben sie einfache Antworten auf komplizierte Fragen. Gefahren sieht Hempelmann, wenn die Gemeinden einen Exklusitivätsanspruch anmeldeten. Der BR-Beitrag ergänzt, dass viele Gemeindemitglieder gegen Abtreibung, Sex vor der Ehe und Homosexualität „wetterten“. Die Bibel als wörtlich verstandenes Gotteswort sei ultimative Richtschnur für ihr Alltagsleben.
Konservative Kaderschmieden?
Der Beitrag nimmt auch die Pfingstkirchen in den Blick, die vor allem in Afrika, Lateinamerika und Asien wachsen. Dort spiele der Heilige Geist eine wichtige Rolle. Moderne Gottesdienste sollen mit alltagsbezogenen Predigten vor allem junge Leute ansprechen. Die Freikirchen finanzierten sich durch Spenden. Die Zugehörigkeit dazu sei eine bewusste Entscheidung. Außerdem kommen auch Teilnehmer des Christustags in Stuttgart mit kritischen Aussagen zur Homosexualität oder zur Abtreibung zu Wort. Diese Meinungen hätten in der Vergangenheit zu Grabenkämpfen geführt. „Es findet eine lebendige Auseinandersetzung zu vielen Lebensfragen statt“, beschreibt Michael Martin, Landeskirchenrat in Bayern, den Status. Ein Dialog mit den Evangelikalen finde sowohl innerhalb als auch außerhalb der Landeskirche statt. Schwierig werde es, wenn Menschen für sich einen Exklusivitätsanspruch erheben. „Die Evangelikalen auszugrenzen kann sich die Kirche nicht leisten“, meint Martin. Mit der Weitergabe des Evangeliums hätten sich Evangelikale und Landeskirchler um große Herausforderungen zu kümmern.
Abschließend geht es in dem Beitrag um sieben protestantische Hochschulen, die staatlich anerkannt wurden. Der Beitrag bezeichnet sie als „christlich-konservative Kaderschmiede im Namen Gottes“ und findet bei einigen von ihnen eine staatliche Anerkennung schwierig. Diese befindet sich in der Spannung zwischen grundgesetzlich garantierter Wissenschaftsfreiheit auf der einen und einer garantieren Religionsfreiheit auf der anderen Seite. (pro)
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