Ich brauche Trost. Zum Beispiel, wenn ich frustriert bin, weil ich mich bis zum Umfallen engagiert habe und es danach vor allem Kritik hagelt. Das macht fertig. Oder wenn ich traurig bin, weil mir jede Perspektive abhandengekommen ist oder der Schwung für neue Taten. Vor allem, wenn jemand stirbt, der mir viel bedeutet, brauche ich Trost. Das geht Ihnen sicherlich auch so. Nicht immer, zum Glück, aber immer mal wieder. Wir brauchen Trost immer dann, wenn uns etwas verloren geht, das unser Leben ausgemacht hat: sei es die Heimat, sei es der Job, die Ehe oder eben ein Mensch. Und wenn ich die Nachrichten sehe, die sich meistens um Katastrophen drehen, frage ich mich: Ist die Welt noch bei Trost?
Ich habe zwei Arten des Trostes entdeckt. Die eine ist ein Mensch, der mich einfach seine Nähe spüren lässt. Vor dem ich mich nicht rechtfertigen muss. Ein Mensch, bei dem ich mal durchatmen, vielleicht auch eine Träne weinen kann. Das tut einfach gut und es tröstet schon, dass ich so ehrlich sein kann.
Die andere ist eine neue Perspektive, die ich gewinne. Das frustrierende Projekt sieht ein anderer Mensch mit ganz anderen Augen. Durch ein paar Sätze zeigt er mir: Es geht weiter. Wenn jemand stirbt, trösten mich Lieder, die mir zeigen: Es gibt mehr als den Tod. Wie oft bin ich schon getröstet worden durch das Lied: „Meine Zeit steht in deinen Händen“. Gottes Zusagen über mein Leben und über die Auferstehung geben mir neuen Halt!
Aber es gibt auch die Situationen, in denen man sich nicht trösten lassen will (Psalm 77,3). So sagte es mir einmal ein Witwer, dem es einfach unglaublich schwer fiel, seine Frau loszulassen. Er war ehrlich. Er brauchte Zeit. Manchmal ist das so.
Als ich die Jahreslosung 2016 das erste Mal las, fragte ich mich: Trösten Mütter eigentlich anders als Väter? Vielleicht sogar besser? Ich machte eine spontane, nichtrepräsentative Umfrage. Dabei hörte ich, dass manche Mütter viel zu beschäftigt waren, um zu trösten. Sie waren hart geworden. Das ist bedauerlich, sowohl für die Kinder als auch für die Mütter. Denn ich bin überzeugt: Eigentlich wollen sie trösten. Und sie können es auch. „Manchmal fühle ich mich wie ein mutterloses Kind“ (Sometimes I feel like a motherless child), sangen US-Sklaven im 19. Jahrhundert. Sklavenkinder wurden nämlich verkauft wie ein Stück Ware und von der Mutter getrennt. Richie Haven eröffnete das legendäre Woodstock-Festival 1968 mit diesem Song und drückte damit die Sehnsucht seiner Generation nach Geborgenheit, nach Freiheit und eben auch nach der Mutter aus. Durch den Propheten Jesaja sagt Gott diese großartigen Worte: „Ich tröste wie eine Mutter.“
Aber wie macht Gott das? Viele Bilder zur Jahreslosung zeigen Mütter, die ihr Kind tröstend im Arm halten. Die bildhafte Botschaft lautet: Gott nimmt seine Kinder in den Arm. Allein seine Nähe ermutigt. Gott ist ein Gott, der wie eine Mutter tröstet. Seine Nähe hat er uns zugesagt – ganz besonders denen, die verzweifelt sind. Denen, die zerbrochene Herzen haben, ist Gott nah (Psalm 34,19). Das geknickte Rohr zerbricht er nicht (Jesaja 42,3). So ist er, unser Gott!
Aber der Prophet Jesaja geht darüber hinaus, wenn man weiterliest: „An Jerusalem werdet ihr getröstet werden!“ Gott wird an Jerusalem handeln, er wird sein Volk sammeln und nach Hause bringen. Er wird einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen (was uns gut gefällt) und Gericht halten (was uns meistens nicht so gut gefällt, obwohl es gut ist). Gott handelt. Gott schafft neue Fakten. Gott wirkt mitten in dieser Welt. Und er kündigt es durch sein Wort an. Er vermittelt also nicht nur Nähe, er tut auch etwas bahnbrechend Neues. Er tröstet wie eine Mutter, die nicht nur pustet (das auch), sondern sich der feindlichen und lebensbedrohlichen Welt mit Tatkraft und Mut entgegenstellt und sie verändert.
Sehr interessant ist, woher das Wort „Trost“ kommt. Der DUDEN erklärt, dass es mit „treu“ zu tun habe, mit „innerer Festigkeit“, mit „stark und fest sein“. Wer tröstet, gibt Halt, Stärkung und Ermutigung. Er gibt etwas, woran man sich festhalten kann. Trost ist also einerseits erfahrbare Nähe und Verständnis. Andererseits ist es mutiges Handeln für jemanden, handfeste Taten und Fakten. So kommen Traurigkeit und Schmerz zur Ruhe. Ich kann wieder das große Bild sehen und merke: Meine Situation ist wirklich schlimm, aber Gott wird es gut machen.
Allen, die Trost brauchen, sei es hier und jetzt gesagt: Gott tröstet sie, wie einen seine Mutter tröstet. Er ist ihnen nahe und er schenkt ihnen Halt, einen festen Grund und eine neue Perspektive.
„Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?“, fragt der Heidelberger Katechismus. Man könnte auch fragen: Was gibt dir letztgültigen Halt, innere Festigkeit und Orientierung? Und hier gibt der alte Text die von mir in kleine Portionen eingeteilte Antwort: „Mein Trost ist, dass ich mit Leib und Seele Jesus gehöre. Das gilt im Leben und auch, wenn ich sterbe. Was ist das für ein Jesus, dem ich gehöre? 1. Er hat mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkommen bezahlt. 2. Er hat mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst. 3. Er bewahrt mich so, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt fallen kann, ja, dass alles zu meiner Seligkeit dienen muss. Das Ergebnis: Er macht mich durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens gewiss und von Herzen willig und bereit, ihm zu leben.“ (*)
Der allmächtige Gott tröste Sie durch Jesus Christus in der Kraft des Heiligen Geistes, der auch „der Tröster“ genannt wird.
Ansgar Hörsting, Präses Bund Freier evangelischer Gemeinden
(*) Original: : „Dass ich mit Leib und Seele, im Leben und Sterben, nicht mein, sondern meines treuen Retters Jesus Christus Eigentum bin, der mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkommen bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst hat und der mich so bewahrt, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt fallen kann, ja, dass alles zu meiner Seligkeit dienen muss. Darum macht er mich auch durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens gewiss und von Herzen willig und bereit, ihm zu leben.“
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