Über die sinnvollen Schwerpunkte im Pfarramt streiten

Wer streitet, bleibt im Gespräch. Und Bedarf zum konstruktiven Gespräch besteht in der Tat. In diesem Beitrag geht es um den konstruktiven „Streit“ zugunsten eines verantwortungsvollen Umgangs mit den Ressourcen im Pfarramt. Möglichst viele sollten davon profitieren können. In diesem Beitrag finden sich drei markante… Impulse: (1.) Siegfried Eckert: Reform statt Reförmchen. – (2.) Volker Matthaei: 24 Thesen zum Umgang mit der Arbeitszeit im Pfarrberuf. – (3.) EKiR: Zeit fürs Wesentliche. Perspektiven auf den Pfarrberuf.

Weniger Verwaltung – mehr Verkündigung

Die pfarramtlichen Schwerpunkte vieler reformierter Kirchen in der noch relativ gut aufgestellten Schweiz heißen: „Verkündigung & Seelsorge“. Hausbesuche und fast alles „Selbstverständliche“ eingeschlossen. Hierzulande scheint es jedoch mitunter so, als ob sich eifrige Funktionsträgerinnen und Funktionsträger gern und immer mehr am und im Verwaltungs-Dschungel ergötzen. „Weniger Verwaltung – mehr Verkündigung?“ – so titelte schon im Jahr 2013 ein rheinischer Online-Beitrag – aus gutem Grund!

Was beim konstruktiven Streiten hilft

Ist die Streiktkultur respektvoll, verbessert das die Ergebnisse. Streiten erfordert Mut und Fleiß. Hin und wieder helfen auch Blicke in die Bibel und deren Hinweise auf die „Macht der Liebe“ – statt die „Liebe zur Macht“. Hilfreich beim „Streiten“ sind sicherlich auch Fairneß, anständiges Benehmen, die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion und wachen Fremdwahrnehmung, eine „gute Kinderstube“, etwas Allgemein- und Herzensbildung, Respekt und auch so etwas wie eine gesunde „Demut“. Eine wohl dosierte Portion Humor und Fingerspitzengefühl könnten zugunsten einer positiven Stimmungserhaltung auch recht hilfreich sein.

Zu viel Verwaltung entfremdet vom Wesentlichen

Eine stetig wachsende Anzahl von Evangeliums-orientierten Zeitgenossen empfindet es als kein Wunder mehr, dass in Kirchenlandschaften mit tragischem Verwaltungs-Überhang das Wichtigste auf der Strecke bleibt. Das wird auch strukturell begünstigt: Wo früher die Kirchenkreisleiter gleichzeitig noch Basis-arbeitende Gemeindepfarrpersonen waren und das auch ganz bewusst sein und bleiben sollten, da geht seit einigen Jahren die Tendenz immer mehr hin zum hauptamtlichen Leitungsamt – welches früher oder später die Gefahr der Entfremdung von der immer herausforderungsreicher werdenden Aufgabenvielfalt im „normalen“ Gemeindepfarramt (und dies erst recht im ländlichen Bereich) multiplizieren kann. Denn wer nicht mehr regelmäßig (selber) mitten in der Vielfalt der Pfarramts-Anforderungen arbeitet und dieses Leben nicht immer auch gleichzeitig aus der eigenen Innen-Perspektive kennt, der bzw. die könnte mehr und mehr in Elfenbeinturm-Sphären „abheben“ – und irgendwann sogar die letzten Reste von „Bodenhaftung“ verlieren. Das wiederum bringt Isolation – und die beiden Scheren-Hälften („unten“ und „oben“) entfernen sich immer mehr voneinander. Irgendwann kommt der Punkt, an dem vermeintliche „Macht“ nicht nur persönlich einsam macht, sondern auch „höchst-amtlich“ das Wichtigste aus dem Blickfeld drängt. Nach und nach könnten die „Gräben“ zwischen den „Welten“ tiefer, breiter und schmerzlicher werden. Das kann ja eigentlich in niemandes Sinne sein.

Kritische Zwischenrufe(r)

Umso nötiger erscheinen gerade in solchen Zeiten kritische Zwischenrufe im Sinne von „War da nicht irgendwann mal dieser Mann aus Nazareth, der vom Anbruch des Reiches Gottes erzählt hat?“

(1.) Siegfried Eckert: Reformation statt Reförmchen

Einer dieser „Zwischenrufer“ heißt Siegfried Eckert, Pfarrer in Bonn/Bad Godesberg-Friesdorf. Eckert beklagt den erschreckenden Einzug der Ökonomie, die immer stärker das kirchliche Denken und Handeln beeinflusse und verändere. Mit einem beispiellosen rhetorischen Feuerwerk übt Eckert kluge Kritik an solchen Konzepten. Sein Unbehagen über die Verdunkelung protestantischer Werte mündet in die These, dass die Evangelische Kirche in Deutschland vor dem Burnout stehe. Der Bonner Generalanzeiger ließ es sich nicht nehmen, sein im Jahr 2014 erschienenes Buch „2017. Reform statt Reförmchen“ mit unüberhörbarer Anerkennung zu würdigen – HIER nachzulesen.

(2.) Volker Matthaei: 24 Thesen zur Arbeitszeit im Pfarrberuf

Ein weiterer Zwischenrufer setzt seinen Schwerpunkt auf den Umgang mit der Arbeitszeit. Pfarrer Volker Matthaei (Stutensee bei Karlsruhe/ Badische Landeskirche) hat dazu 24 Thesen formuliert. Seine Thesen, so Matthaei, seien keine abschließende Positionsbestimmung, sondern Grundlage zur Debatte. Badische Pfarrer hätten laut Matthaei im Vergleich zu anderen Landeskirchen einer der höchsten Arbeitsbelastungen. Sie arbeiteten durchschnittlich 64 Stunden pro Woche. Mit 2.144 Gemeindegliedern, die pro Pfarrstelle betreut werden müssten, liege man zudem deutlich über dem Durchschnitt von 1.684 Mitgliedern. Grund dafür seien vor allem die Stellenkürzungen der Jahre 1999 bis 2003. Matthaei: „Diese Arbeitszeit führt zu Unzufriedenheit und langfristig zu Burnout.“ Zudem sei sie gesundheitsgefährdend. Matthaei empfiehlt, sich an der Arbeitszeitverordnung für Beamte in Baden-Württemberg zu orientieren. Diese sieht eine 41-Stunden-Woche vor. Pfarrer, die mehr arbeiten wollten, könnten das tun; allerdings sei das die „Kür“. Kritik übt die Pfarrvertretung auch an der Anhebung des Eintrittsalters in den Ruhestand von 65 auf 67 Jahre: „Zur EKD-weit höchsten Arbeitsbelastung kommt also auch noch die längste Lebensarbeitszeit!“ Die inzwischen erfolgte Abfederung dieser Maßnahme durch eine Beschränkung auf 40 Dienstjahre erreiche zwei Drittel der Pfarrerschaft nicht. Der Oberkirchenrat in Karlsruhe hat angekündigt, in den nächsten Jahren für Entlastung sorgen zu wollen. Man wolle den angestoßenen Diskussionsprozess nutzen, um sich grundlegend über die Aufgaben des Gemeindepfarrdienstes und das Pfarrbild der Zukunft zu verständigen. Die Evangelische Landeskirche in Baden hat 1,23 Millionen Mitglieder in 677 Kirchengemeinden.

(3.) Rheinland: Schrittweise Erarbeitung eines Pfarrbildes

Im Jahr 2011 hatte die Evangelische Kirche im Rheinland zur Diskussion angeregt über die Frage: „Was gehört zu den ureigenen Aufgaben von Pfarrerinnen und Pfarrern?“ Zum Auftakt der schrittweisen Erarbeitung eines rheinischen Pfarrbildes hatte es zunächst ein Symposium mit dem Titel „Pfarrerberuf in der Vielfalt der Milieus“ gegeben. Zuvor war das Pfarrbild Thema beim Tag rheinischer Pfarrerinnen und Pfarrer 2010. Auf der Landessynode 2011 hatte Prof. Dr. Gotthard Fermor den Vortrag „Kirchliche Berufe – Der eine Dienst und die vielen Ämter“ gehalten. Zur Bündelung kam im Jahr 2013 das Impulspapier „Zeit fürs Wesentliche. Perspektiven auf den Pfarrberuf“ in die Veröffentlichung.

Fortsetzung folgt…

Literatur-Hinweise: Wo die drei o.g. markanten Impulse zu finden sind

  1. Siegfried Eckert: 2017. Reformation statt Reförmchen (2014):
    http://www.randomhouse.de/Buch/2017/Siegfried-Eckert/Guetersloher-Verlagshaus/e448336.rhd

  2. Volker Matthaei: 24 Thesen zum Umgang mit dem Thema Arbeitszeit im Pfarrberuf (2016):
    http://www.pfarrverein-baden.de/uploads/pfarrvereinsblaetter/2016/Pfarrvereinsblatt_07-08-2016.pdf (Seite 321-325)

  3. EKiR: Zeit fürs Wesentliche. Perspektiven auf den Pfarrberuf. (2013):
    http://www.ekir.de/www/downloads/ekir2013-07-05perspektiven_pfarrberuf.pdf

 

Verwendete Quellen:
generalanzeiger. de, wort-meldungen.de, idea. de, ekir.de, pfarrverein-baden.de, randomhouse.de, www.vitamin-c-online.com/members-area/themenbereich-kommunikation/

Bild: Screenshot youtube / freshX

Dieser Artikel wurde auf VitaminC erstmals veröffentlicht am 18.08.2016.