Predigt zu Mt 21,1-11: Jesu Einzug in Jerusalem (Palmsonntag 2023)

PREDIGT zu

Mt 21,1-11: Jesu Einzug in Jerusalem
1 Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus 2 und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! 3 Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. 4 Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9): 5 »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.« 6 Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, 7 und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf und er setzte sich darauf. 8 Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. 9 Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! 10 Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und fragte: Wer ist der? 11 Die Menge aber sprach: Das ist Jesus, der Prophet aus Nazareth in Galiläa.

(Kanzelgruß)

Liebe Gemeinde,

der Deutschland-Besuch des britischen Königs Charles III und seiner Frau Camilla hat nicht nur die Fans der britischen Royals in Aufregung versetzt – sondern auch den Sicherheitsapparat in Alarmbereitschaft gebracht:

Insgesamt waren ca. 1500 Polizeikräfte im Einsatz: Absperrungen von Straßen und Plätzen – Observierung und Personenkontrollen. Zusätzliche Unterstützung erhielt die Polizei durch 20 Sprengstoff-Spürhunde.

Charles und Camilla waren zunächst auf dem militärischen Teil des Flughafens Berlin-Brandenburg gelandet. Dort wurden sie mit 21 Salutschüssen, den Überflügen zweier Eurofighter und einem militärischen Ehren-Spalier empfangen.

In einem Auto-Konvoi fuhren sie dann weiter zum Brandenburger Tor, wo etwa 1000 zugelassene Gäste jubelten, als Charles und Camilla um 15:10 Uhr aus ihrer gepanzerten Bentley Limousine (mit 405 PS) ausstiegen.

Charles und Camilla absolvierten innerhalb von drei Tagen die unterschiedlichsten Termine. Das Königspaar hatte sich gewünscht, direkt mit den Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu kommen.

Polizeikräfte und das Bundeskriminalamt hatten die spannende Aufgabe, einerseits diesem Wunsch zu entsprechen, andererseits aber auch die Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen.

Und bei der live aus dem Deutschen Bundestag übertragenen Rede von König Charles haben neben wertvollen gedenkenden Rückblicken auch Freude und Humor nicht gefehlt – durch passende Anklänge auf Miss Sophie und Monthy Python.

Einer der prominentesten Männer der Welt hat also mit einem riesigen Groß-Aufgebot Deutschland besucht. Der britische König ist ja auch gleichzeitig Oberhaupt des Commonweth of Nationas – dazu gehören 56 Staaten – unter anderem Australien, Bahamas, Canada und Neuseeland.

Und er hatte wohl kaum eine andere Wahl, als diese akkurat geplanten Zeremonien so über sich ergehen zu lassen.

Szenenwechsel:

Von den Deutschland – nach Palästina.

Von Berlin – nach Jerusalem.

Jahrhundertelang schon warten die Menschen im jüdischen Land auf den Messias. Auf den Retter, auf den Befreier. Auf den, der die Gerechtigkeit endlich wieder herstellt. Auf den, der den Römern mal so richtig zeigen soll, wo’s lang geht. Auf den, der die Gewaltigen vom Thron stößt. Auf den König, von dem es im 24. Psalm heißt:

„Macht die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe! Wer ist der König der Ehre? Es ist der HERR, stark und mächtig, der HERR, mächtig im Streit.

Und genau ER – also der König der Ehre – zieht nun in Jerusalem ein. Mächtig im Streit:

Mit einer gepanzerten Königs-Karosse – in Esels-grau.

Mit vielen Quadratmetern rotem Teppich – spontan aus der Altkleidersammlung – und frisch von den Bäumen gerupft.

„Wie bitte?“ – so höre ich die Beobachter beim Einzug von Jesus in Jerusalem sagen – „Soll das ’n Witz sein: Der König der Ehre reitet auf einem Esel?

Ja, glaubt ihr denn, der Römische Kaiser Tiberius und der jüdische König Herodes Antipas ließen sich von weniger als einem PS einschüchtern?

Die Purpur-gestylt-föderalen Management-Profis haben doch nur ein müdes Lächeln übrig für diesen Zimmermann-Junior-Chef aus Papas Holzfirma!

Ja, glaubt ihr denn, die gekrönten Prunk-Liebhaber ließen sich von einem Maultier-Revoluzzi im Handwerker-Ambiente beeindrucken?

Wacht doch bitte auf, liebe Zeitgenossen:

Nix da mit honorem Hosianna und enthusiastischer Ehr-Erbringung.

Sollte man stattdessen nicht lieber das Kyrie eleeison anstimmen (?): O Gott, erbarme dich bitte – angesichts dieser Möchte-gern-messianischen Lach-Nummer!

Dass hier der König der Ehren einzieht, das glauben doch nur die, denen eh’ nicht mehr zu helfen ist!“

„Genau!“so stelle ich mir vor, dass ein frisch eingesegneter Bar-Mizbar-Schüler (also sozusagen ein jüdischer Konfirmand) in diese Jerusalemer Stadttor-Diskussion beim Einzug von Jesus in Jerusalem ’reinplatzt. Viele markante Passagen der jüdischen Schriften kennt er in- und auswendig.

Die Erwachsenen schauen ihn fragend an. Darauf hin wiederholt er es noch selbstbewusster – so stelle ich es mir vor:

„Genau: Dass hier der König der Ehren einzieht, das glauben doch nur die, denen eh’ nicht mehr zu helfen ist!“

Soll heißen:

Alle, die die Hoffung auf Gerechtigkeit längst begraben haben – die kapieren es als Allererste: Hier begegnet uns ganz schlicht DER berührbare Bruder aller Menschen. Planmäßig zieht er in die Stadt ein, die Gott zu seiner Hauptstadt gemacht hat.

Gott wird Mensch.

Die Liebe wird Person.

Der Höchste erniedrigt sich / begegnet uns auf gleicher Augenhöhe / möchte sich nicht in einem erhabenen Elfenbeinturm verschanzen / sondern will spüren, was hier unten abgeht / belohnt den Glauben derer, die die Hoffnung trotz allem nicht aufgegeben haben.

Viele stehen da und staunen: Kann Gott so menschlich sein?

„Ja habt ihr denn keine Augen im Kopf?“ – so könnte der junge Bar-Mizba-Schüler von vorhin es gesagt haben – „Schaut hin: Das, was hier passiert / das, was Euch zum Rätseln und zum Ärgern – oder auch zum Hosianna-Rufen veranlasst, das hat doch alles der Prophet Sacharja schon lange im Voraus kommentiert.

(aus Sacharja 9,9f)

Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin … und er wird Frieden gebieten den Völkern – so liest man es damals und heute im Buch des Propheten Sacharja.

Also: Hier geht es nicht um eine peinliche Planungs-Panne, sondern um ein präzise prophezeites Besuchs-Programm:

Vor deinen Toren, liebe Tochter Zion und liebe Tochter Jerusalem, vor deinen Toren steht:

Der König!

Ein Gerechter,

ein Helfer,

einer, der unaufdringlich präsent sein will,

einer, dem es um Frieden geht – um einen Frieden nach dem du dich im tiefsten Innern so sehr sehnst, du geliebte Tochter Zion, du geliebte Tochter Jerusalem und alle, die sich noch angesprochen fühlen.

Aber weil es hier um Frieden geht, deshalb soll dieses Ziel nicht mit todbringender Gewalt durchgesetzt werden, sondern auf viel wirksamere Weise.

Weil der Friedensbote anders ist / weil er der ganz Andere ist, deshalb lohnt sich eure Aufmerksamkeit. Eine Ankommens-Aufmerksamkeit / eine innehaltende Besinnungs-Aufmerksamkeit. Für den, der da ankommt / ankommt für die damaligen und für die heutigen Menschen.

Gleich zweimal kommt der für heute vorgeschlagene Predigttext vom Einzug Jesu in Jerusalem vor: zum einen alle sechs Jahre am 1. Advent, zum andern am Palmsonntag in der Passionszeit.

Damit wird signalisiert, dass das Kind in der Krippe untrennbar auch der Mann am Kreuz ist.

Das „Christkind“, auf dessen Ankunft wir uns im Advent vorzubereiten versuchen, ist gleichzeitig auch der, über dessen Kopf man später das INRI-Schild angenagelt hat – und damit sämtliche seiner Friedens-Initiativen lächerlich machen wollte.

Im Advent und zu Weihnachten besinnen wir uns darauf, dass Gottes Sohn hilflos, obdachlos und prunklos als Baby in einem Stall auf die Welt gekommen ist.

Und zur Passionszeit besinnen wir uns auf seinen Einzug in Jerusalem auf einem Esel, dem Reit-Tier der kleinen Leute.

Der von Gott autorisierte Friedens-Initator begegnet uns hier und dort

auf gleicher Augenhöhe,

brüderlich berührbar,

konsequent gewaltlos

und zwielichtig umjubelt (denn manche von denen, die gerade noch „Hosianna“ geschrieen haben, stimmen schon wenig später ein in die Kreuzigungs-Rufe.)

Aber der Mann aus Nazareth bleibt souverän:

Macht sich nicht abhängig von menschlichen Stimmungen,

lässt sich nicht abbringen von seinem Weg,

reitet auf dem Esel,

vertreibt die Händler aus dem Tempel,

provoziert das religiöse Establishment,

solidarisiert sich mit den Entrechteten,

weint die Tränen der Verzweiflung und Einsamkeit,

liebt bis zum letzten Atemzug,

verkörpert wie kein anderer den unbedingten Friedenswillen für eine gefährdete Welt,

holt sich Last-Tiere – und keine Panzer

und wehrt sich gegen Allmachts-Phantasien jeder Art.

Denn seine Hoheit liegt in der Niedrigkeit,

seine Echtheit liegt in der Bescheidenheit,

sein Mut liegt in der Demut,

seine Stärke liegt in der Schwäche.

Ob die Passsionszeit 2023 uns wohl zur Rückbesinnung auf die wahren Weihnachts-Werte einlädt?

In der Krippe liegt einer – und auf dem Esel sitzt einer – der die Nähe sucht und schenkt,

der zum Frieden aufruft und ihn konsequent verkörpert,

der König und Diener in einer Person ist,

der die Macht der Mächtigen nicht mit Gewalt, sondern mit entwaffnender Liebe brechen will.

In der Krippe liegt einer – und auf dem Esel sitzt einer – der ganz genau weiß, dass Menschen häufig von Gewalt als „ultima ratio“ – als äußerste Vernunfts-Maßnahme reden.

Die göttliche „ultima ratio“ dagegen heißt: Niedrigkeit. Man könnte auch sagen: Niederschwelligkeit/ also für alle kapierbar/ für alle berührbar/ für viele imitierbar — aber auch durch viele verletzbar und vordergründig vernichtbar. Scheinbar hat er vor der Gewalt kapituliert, aber Gott hat ihn auferweckt und sein Lebenswerk beeindruckend bestätigt.

Damit hat die bescheidene aber konsequente Liebe gesiegt. Damit ist das Kind in der Krippe,

ist der Esels-Reiter und

damit ist der Mann am Kreuz ein authentischer Vorreiter.

 

Zurück zum Anfang:

Was fasziniert die Menschen mehr:

Kaum vermeidbare Luxus- und Sicherheits-Zeremonien – wie sie uns beim Deutschland-Besuch des britischen Königs begegnet sind –

oder

der schlichte Esels-Einzug von Jesus in Jerusalem?

Ich gebe zu:

Mich fasziniert beides.

 

Und weder Jesus von Nazareth noch König Charles III. hatten eine andere Wahl, als konsequent ihren Weg zu gehen.

Aber bezogen auf die PS-Zahlen vom Anfang finde ich es schon bemerkenswert, dass der vermeintlich Starke nicht immer automatisch der letztlich Erfolgreiche ist:

 

Zum Schluss ein Beispiel:

Ein Mann mit einem schnellen Wagen überholt auf einer einsamen Landstraße einen alten Mann, der langsam auf seinem Esel den Weg entlang reitet. Er hält und ruft dem Älteren zu: „Soll ich Sie mitnehmen, mein Auto hat 300 Pferdestärken und ist viel schneller als Ihr Esel. Kommen Sie, steigen Sie bei mir ein, ich nehme Sie gerne mit.” – „Nein, vielen Dank, antwortet der Alte, ”mir ist mein Esel lieber, und ich mag es so langsam!”

Der Autofahrer gibt schneidig Gas, rast los, und kommt in der nächsten Kurve von der schmalen Straße ab und saust mit seinem Wagen in einen flachen Tümpel neben der Straße. Bald darauf kommt der alte Mann auf seinem Esel vorbei und ruft dem Wagenbesitzer zu: „Was machen Sie denn da im Wasser, tränken Sie Ihre dreihundert Pferde?”

 

(Kanzelsegen)

Kontakt? Gerne: 0171 49 30 49 4 (whA). Herzlich willkommen auch Stichwort Heiligsprechung 😉