„Organisierter Bandenbetrug“ lautet der Vorwurf, wegen dem sich Scientology derzeit in Frankreich vor Gericht verantworten muss. Aussteiger hatten geklagt, weil die Sekte ihnen überteuerte Produkte „zur Verbesserung des Selbstbewusstseins“ verkauft hatte. Im Falle einer Verurteilung könnte die Organisation aufgelöst werden. Die Scientology-Organisation steht in Frankreich seit Montag wegen „organisierten gemeinschaftlichen Betruges“ vor Gericht. Wie die Nachrichtenagentur Agence France Presse (AFP) meldet, droht dem französischen Scientology-Ableger im Falle einer Verurteilung die Auflösung… Die klagende Französin hatte 1998 einen „Persönlichkeitstest“ bei Scientology gemacht und dann für insgesamt 20.000 Euro überteuerte Bücher, Medikamente und einen „Elektrometer“ zur Messung des Wohlbefindens gekauft.
Scientology habe die Klägerin mit einem ihrer umstrittenen Persönlichkeitstests gelockt, „die jeden wissenschaftlichen Wertes entbehren“, hieß es in der Anklage. Ziel dieser Tests sei einzig und allein, in der Folge weitere Dienstleistungen und Produkte zu verkaufen. Kredite aufgenommen, um Scientology zu unterstützen Die „Süddeutsche Zeitung“ erklärt: „Buchstäblich auf der Straße hatte sie sich von einem Scientology-Mitglied zu einem Persönlichkeitstest überreden lassen, der natürlich negativ ausfiel. Daraufhin ließ sie sich ein ‚dianetisches Seminar‘ für knapp 5.000 Euro aufschwatzen, das aber nichts brachte. Also wurde ihr der Kauf von Büchern des Sektengründers L. Ron Hubbard dringendst empfohlen. Kosten: 1.670 Euro. Ein sogenannter Elektrometer, der die geistige Spannung messen soll, schlug mit ebenfalls 5.000 Euro zu Buche. Dabei handelt es sich um ein Messgerät, dessen Materialwert bei wenigen hundert Euro liegt. Um den Organismus zu entschlacken, sind angeblich Sauna-Besuche nötig. Für Madame M. wurde alles sehr teuer, am Ende war die Frau ruiniert.“ Sie sei weiterhin dazu gedrängt worden, Kredite aufzunehmen, um Scientology weiter zu unterstützen.
Scientology sprach dagegen von einem „ketzerischen Verfahren“ und „lügnerischen Anschuldigungen“. Selbst wenn nicht auszuschließen sei, dass einzelne Mitglieder sich strafbar gemacht hätten, habe das nichts mit Religion oder ethischen Fragen zu tun. Es käme doch auch niemand auf die Idee, die Katholische Kirche wegen einiger pädophiler Priester zu verbieten. Wenn es wirklich so viele Geschädigte gäbe, warum träten dann nur zwei Nebenkläger auf? Darauf könnte der Prozess eine Antwort geben: Laut AFP muss sich Scientology auch gegen den Vorwurf wehren, dass sie ihre Anhänger unter Druck setzt. Zwei Nebenkläger in dem auf drei Wochen angesetzten Verfahren zogen ihre Klage zurück; sie seien von Scientology „gekauft oder bedrängt“ worden, warf ein Opferverband der Organisation vor. Klägeranwalt Morice sagte, den Nebenklägern seien „große“ Summen geboten worden. „Was könnte die Scientology zu einem Vergleich bewegen, wenn sie sich nichts vorzuwerfen hat?“ Scientology soll seinen Anhängern außerdem Vitamine und Pillen verkauft haben, ohne die dazu notwendige Apothekenlizenz besessen zu haben.
Bei einer Verurteilung droht Verbot Für die Bewegung, die 1954 vom Science-Fiction-Autor Ron Hubbard in den Vereinigten Staaten gegründet wurde und berühmte Hollywoodstars wie Tom Cruise und John Travolta zu ihren Mitgliedern zählt, steht viel auf dem Spiel: „Wenn unser Mandant verurteilt wird, können die Scientologen in Frankreich nicht mehr tätig sein“, sagte ihr Rechtsanwalt Patrick Maisonneuve im Vorfeld des Verfahrens, das bis zum 17. Juni angesetzt ist. Zwar standen Mitglieder der Organisation schon häufiger vor Gericht, es sei allerdings „das erste Mal, dass Scientology sich wegen gemeinschaftlichen Betruges verantworten muss“, sagte Klägeranwalt Olivier Morice laut AFP zum Prozessauftakt. Erstmals, so berichtet die Zeitung „Tagesspiegel“, werde es vor Gericht nicht nur um Vorwürfe gegen einzelne Scientology-Mitglieder gehen, sondern um die Struktur der Organisation selbst. Angeklagt sind außerdem die Scientology-Buchhandlung in Paris und sechs Scientologen, ein siebter Angeklagter starb vor Prozessbeginn.
Q: J.de