„Anschläge nicht durch die Bibel zu rechtfertigen“

Die Bluttaten des Attentäters von Norwegen lassen sich nach Auffassung des Münsteraner Theologieprofessors Hermut Löhr (Foto) nicht mit einem fundamentalistischen Verständnis des christlichen Glaubens begründen…

»Für ein solches wahlloses Hinmorden von Menschen gibt es keine Texte in der Bibel, die das in irgendeiner Weise rechtfertigen könnten«, sagte der Wissenschaftler der Universität Münster in einem epd-Gespräch. »Ich würde seine Tat auch nicht als repräsentativen Ausdruck eines christlichen Fundamentalismus sehen«, erklärte Löhr.

Bei dem Attentäter komme offenbar eine ganze Reihe an Versatzstücken von Weltanschauungen zusammen.

Es gebe zwar Bibeltexte, die auch von menschlicher Gewalt im Auftrag Gottes sprächen, sagte der evangelische Theologe, der dem bundesweiten Forschungsverbund »Exzellenzcluster Religion und Politik« an der Uni Münster angehört.

»Wer immer will, kann versuchen, seine eigenen aggressiven Gewalttaten auf solche Texte zu beziehen.«

Dahinter stecke jedoch »eine sehr selektive Wahrnehmung der Bibel, die der christlichen Botschaft überhaupt nicht gerecht wird«.

Der mutmaßliche Attentäter Anders Behring Breivik soll Medienberichten zufolge Kontakte zu nationalistischen sowie christlich-fundamentalistischen Gruppen haben. In seinem im Internet veröffentlichten Manifest soll er sich zudem in die Tradition von Kreuzrittern stellen.

Auch soll er mit antiislamischen Äußerungen hervorgetreten sein und einen Wiederaufstieg des geistlichen Ritterordens der Templer propagiert haben, der in Folge der Kreuzzüge entstand.

Breivik hat nach Polizeiangaben zugegeben, am Freitag das Massaker in einem Jugendcamp auf der Insel Utøya verübt zu haben, nachdem er zuvor eine Auto-Bombe im Regierungsviertel von Oslo zündete. Bei den beiden Anschlägen wurden mindestens 93 Menschen getötet.

Die unter anderem mit Islam-Hass begründeten Anschläge des 32-jährigen Norwegers dürfen nach Ansicht des Theologieprofessors nicht zu einer Einschränkung von Debatten über Religionen führen.

»Es wäre fatal, wenn wir uns dadurch unsere sachlichen Debatten miteinander verbieten lassen«, sagte Löhr. Das setze aber einen Geist der Verständigung und des Dialogs voraus. Hetze gegen eine Religion überschreite hingegen auch vom Strafrecht vorgegebene Grenzen.

Der Theologe warnt davor, dem mutmaßlichen Attentäter ein öffentliches Forum für seine Ideologie zu bieten.

Eine Stilisierung in den Medien könne auch immer Nachahmer motivieren, mahnt Löhr. Er plädiert deshalb dafür, die von dem Täter gewünschten öffentlichen Erklärungen möglichst zu untersagen. Sinnvoller wäre es, dass Breivik eine seelsorgerliche Betreuung erhalte. Im Mittelpunkt müssten jetzt aber die überlebenden Opfer und die Angehörigen der Todesopfer stehen.

Für sie rief Löhr zu Gebeten und Fürbitten auf.

epd v. 26.07.2011 | Bild: uni-muenster.de