Gefängnis für kommerzielle Suizid-Hilfe

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch, 29. August 2012, den Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Doch der Gesetzentwurf, den das Kabinett am Mittwoch beschloss, erntet Kritik… – von Gegnern und Befürwortern der Sterbehilfe. Die Koalition will die gewerbsmäßige »Förderung der Selbsttötung« unter Strafe stellen: Wer mit Suizidbeihilfe Geld verdient, müsste künftig mit bis zu drei Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe rechnen.

Aktuell ist die Rechtslage unklar: Während die Selbsttötung und die Beihilfe dazu nicht verboten sind, steht die Tötung auf Verlangen unter Strafe. Doch die Abgrenzung ist oft schwierig.

Gerichte haben in Einzelfällen unterschiedlich geurteilt.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) machte am Mittwoch nochmals deutlich, dass der Gesetzentwurf aus ihrem Haus nichts erlaube, was derzeit unter Strafe stehe. Von einer Ausweitung der Suizidhilfe könne keine Rede sein.

Eine Ausnahme von der Strafbarkeit sehe der Entwurf indes für Angehörige und andere dem Sterbewilligen nahestehende Personen vor.

Ehe- und Lebenspartner sollten nicht kriminalisiert werden, argumentiert die FDP-Politikerin. Angehörige oder enge Freunde, die einen Sterbewilligen begleiten – auch dann, wenn er kommerzielle Hilfe in Anspruch nimmt – verdienten Respekt und keine Strafandrohung.

Anders als im Referentenentwurf werden in der Begründung des vom Kabinett gebilligten Gesetzentwurfs nun aber keine Beispiele mehr für nahestehende Personen aufgeführt.

Ärzte und Pflegekräfte, die anfangs ausdrücklich erwähnt worden waren, werden nicht mehr genannt.

Denn die Ärzteschaft hatte diesen Punkt herausgepickt und war lautstark gegen den Entwurf losgegangen.

Wenn Ärzte und Pflegekräfte beim assistierten Suizid straffrei blieben, sofern sie eine enge Beziehung zu dem Sterbewilligen haben, werde damit eine Rechtsgrundlage für Ärzte als Sterbehelfer geschaffen, kritisierte etwa Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery. Die Selbstverpflichtungen der Ärzteschaft verbieten die Beihilfe zu Suiziden.

Den Sterbehilfe-Gegnern geht der Gesetzentwurf aber auch generell nicht weit genug.

Sie stört vor allem der Begriff »gewerbsmäßig«. Davon wären nur Personen und Organisationen erfasst, die sich durch Sterbehilfe »eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang« verschaffen wollen.

Diese Formulierung weckt bei Montgomery schlechte Erinnerungen.

»Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Sterbehelfer einfach auf eine Organisationsform ausweichen, die das Kriterium der Gewerbsmäßigkeit nicht erfüllt«, sagte er.

Gemeint ist der Fall Roger Kusch.

Der ehemalige Hamburger Justizsenator half 2008 mit seinem Verein »Dr. Roger Kusch Sterbehilfe« fünf Menschen beim Suizid und kassierte dafür jeweils 8.000 Euro. Nachdem ihm das vor Gericht verboten wurde, gründete Kusch 2010 den Verein »Sterbehilfe Deutschland«, der Mitglieder bei der Selbsttötung begleitet – ohne Honorar.

Sie zahlen aber pro Jahr 100 Euro Mitgliedsbeitrag.

Eugen Brysch von der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung befürchtet, das geplante Gesetz stärke die Befürworter des assistierten Suizids und schaffe »gefährliche Freiräume«.

Vereinen wie »Sterbehilfe Deutschland« würde der Stempel der Rechtmäßigkeit aufgedrückt, weil sie nicht kommerziell arbeiten.

Der Entwurf sei nicht praxistauglich. Selbst Befürworter von Sterbehilfe argumentieren ähnlich: Der Verein »Dignitas« weist darauf hin, dass in Deutschland im Bereich der Sterbehilfe nur Vereine aktiv seien, die nicht gewerbsmäßig handelten.

Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider wiederholte die Forderung nach einem Verbot kommerzieller Sterbehilfe.

»Es darf kein Geschäft werden, Menschen zum Tode zu bringen«, sagte der oberste Repräsentant der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und stellte sich damit hinter das Gesetzesvorhaben. Zugleich verwies Schneider auf die Grenzen des Strafrechts bei ethischen Konflikten: »Man kann nicht alles in Gesetzen regeln.«

epd