Journalismus: Mut zu Positionen außerhalb des Mainstreams

Schwimmen gegen den Strom gehört nicht zu den Stärken von Journalisten. Das sagte Wolf von Lojewski bei seinem Vortrag auf dem Mainzer Mediendisput am 16. Oktober 2012. Der frühere ARD-Korrespondent und Moderator des ZDF-„heute-journals“ warnte Journalisten davor, schnellen Urteilen in sozialen Internet-Netzwerken ungeprüft zu folgen…

Schwimmen gegen einen verfestigten Meinungstrend sei keine journalistische Leidenschaft, meint der Journalist Wolf von Lojewski. „Wir sind mutig, uns mit den Mächtigen anzulegen, aber wir scheuen in unserem Urteil die Einsamkeit“, sagte er in seinem Vortrag. In den sozialen Netzwerken des Internets würden Urteile sehr schnell gefällt. Das verleite Journalisten dazu, sich dem einfach anzuschließen. „Haben wir den Mut und das Selbstvertrauen, gegen das Urteil der Internetgemeinde ‚Halt!‘ zu rufen? Haben wir die Zeit, zu klären, was wirklich geschehen ist, oder ist es in Zukunft professionell, auf den Mehrheitsstrom aufzuspringen?“ Wir lebten in einer Zeit der schnellen und einfachen Antworten. Da sei es schwer, komplizierte Wahrheiten aufzuspüren, darzustellen und ein Publikum dafür zu finden. „Aber gerade darin wird sich dauerhaft die Stärke des Journalismus zeigen, dem Publikum das sichere Gefühl zu geben: Die plappern nicht das Übliche nach, die wollen wissen, was da los ist.“

Auch Wolfram Weimer, Publizist und ehemaliger Chefredakteur des „Focus“, sieht in den Medien einen Trend zur Mehrheitsmeinung: „Wir haben ein Klima des Opportunismus der Mitte, wo auch große Medien andere Meinungen nicht zulassen oder fördern“, sagte Weimer bei einer Podiumsdiskussion des Mainzer Mediendisputs. Positionen außerhalb des Mainstreams kämen in den Medien kaum vor, obwohl sie in weiten Teilen der Gesellschaft vertreten würden, zum Beispiel bei Themen wie Atomkraft oder Wiedereinführung der D-Mark. „Die Bevölkerung vertraut den Medien deshalb nicht mehr.“ Weimer sorge sich darum, dass Journalisten statt Konflikte aufzudecken und auszutragen zu „Wattebauschwerfern“ würden. Sie fühlten sich einer Gutmenschen-Rolle wohl. „Wir brauchen mehr Enthüllungsgeschichten“, meint er.

Das Internet ist kein Feind

Über die Zukunft des Journalismus sagte Weimer: „Das Internet ist kein Feind. Das heißt aber nicht, dass Print tot ist. Print wird es noch sehr lang geben.“ Allerdings bedauerte er, dass es kaum Innovationen bei gedruckten Medien gebe. Letztlich sei es für den Qualitätsjournalismus aber egal, ob es ihn online oder offline gibt. Mathias Müller von Blumencron, Verantwortlicher für die digitalen Angebote des „Spiegels“, sah das ähnlich: „Ich muss nicht das Papier beweinen. Was ich beweinen müsste, wäre der Niedergang des Qualitätsjournalismus. Für den gibt es aber noch genug Mittel und Interessenten. Die Ausgabeform spielt dabei keine Rolle.“ Gegen das Internet wolle und könne er sich nicht wehren, da sich immer mehr Menschen über mobile Geräte online orientierten. „Da müssen wir sein“, so der Hamburger. Qualitätsmedien, die rechtzeitig ins Internet gegangen sind, hätten jetzt mehr Leser als zuvor. „Die Weltuntergangsstimmung teile ich deshalb nicht.“

Zum siebzehnten Mal debattierten Medienschaffende im Rahmen des Mainzer Mediendisputs über aktuelle Fragen der Branche. In diesem Jahr ging es vor allem um den Einfluss der Unterhaltung und der digitalen Öffentlichkeit auf den Journalismus. Veranstaltet wird der Mainzer Mediendisput von der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz, sowie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

[uk]