Wiedersehen am gedeckten Tisch

30 Millionen Klicks innerhalb von einer Woche auf der weltweit größten Video-Plattform im Internet. Das ist mehr als rekordverdächtig: Ein betagter Herr wünscht sich jedes Jahr so sehr, das Weihnachtsfest mit Kindern und Enkeln zu verbringen. Doch immer wieder hagelt es Absagen: Keine Zeit, aber im nächsten Jahr sehen wir uns ganz sicher. Tief verletzt greift er zu einem drastischen Mittel: Er verschickt… seine eigene Todesanzeige. Bestürzt reisen die Kinder und Enkel aus verschiedenen Ländern zur Beerdigung nach Hause. Als sie das Haus betreten, finden sie eine festlich geschmückte Tafel vor. Mit brennenden Kerzen und köstlichen Lebensmitteln. Und plötzlich betritt der Totgeglaubte höchstpersönlich den Raum. Nach den ersten Schrecksekunden fallen sich schließlich alle in die Arme und feiern gleichsam froh und geläutert eine zu Tränen rührende Tischgemeinschaft.

Schon beim ersten Klick auf das Video musste ich an das christliche Abendmahl denken. Nachdenklich geht die Sonntagsgemeinde in den Altarraum und bekommt unter leiser Orgelmusik Brot und Wein gereicht. Immer wieder wandern meine Gedanken dabei zu Jesus von Nazareth. Für ihn war die Gemeinschaft am Tisch, vor allem mit Menschen, die sich auf dem Lebensweg verlaufen hatten, der feierliche Ausdruck von gegenseitiger Annahme, Vergebung und Neuanfang.

Inmitten einer Welt voller Unehrlichkeit und – wie es Trendforscher immer wieder spiegeln – „cooler Rücksichtslosigkeit“ wird da ein feierliches Zeichen gesetzt: Es lebe die Achtsamkeit. Und im Zeichen des Oster-Geschehens erklingen dabei die Worte des Auferstandenen: Friede sei mit euch.

Unter uns leben Menschen, deren Herzensstimmung alles andere als friedlich ist: die in ihren Wohnungen vereinsamen, sich nach Gemeinschaft und Ermutigung sehnen oder einfach jedes Jahr auf’s Neue spüren müssen, wie die kalte Rücksichtslosigkeit immer mehr zum Merkmal einer von göttlichen Werten losgelösten Gesellschaft wird.

Das Besondere der christlichen Mahlgemeinschaft liegt darin, dass Gottes feierliches Versöhnungs-Angebot niemanden ausschließt und für alle ganz konkret erfahrbar ist.

Mit solchen Werten können Kirchen und Gemeinden wirksam werben.

Wie das theoretisch und praktisch geht, das lehrt uns dieser geniale Supermarkt-Videoclip.

Pfr. Carsten Heß, Synodalbeauftragter für Öffentlichkeitsarbeit im Ev. Kirchenkreis Obere Nahe