Immer mehr Kinder besuchen den evangelischen Kirchentag

villa-kIn der mit Stuck verzierten mehr als 160 Jahre alten „Villa Ichon“ wird es laut. Trommeln wirbeln, Rasseln lärmen, und das Lied „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ schallt durch die Räume. Kinder haben in dem Bremer Literatur- und Friedenszentrum das Zepter übernommen. Rund um die Villa an der Bremer Museumsmeile und nebenan in den Wallanlagen ist noch etwas wuseliger als in der übrigen Innenstadt. Dort hat der 32. Deutsche Evangelische Kirchentag in Bremen sein Zentrum für Kinder eingerichtet, von denen immer mehr zu den Christentreffen kommen. Von rund 100.000 Dauerteilnehmern des Kirchentages… ist der Statistik zufolge fast jeder Vierte unter 18 Jahre alt, mehr als acht Prozent der Besucher sind jünger als zwölf. „Die Gemeinschaft mit mehreren tausend Menschen, die der christliche Glaube verbindet, ist einfach toll“, schwärmt Simone Weber aus Steffenberg in Kreis Marburg, und in der „Villa Ichon“ lässt sich auch ihr Sohn Elias mitreißen. Im Takt mit anderen Kindern schlägt der Fünfjährige seine Trommel aus Papprolle und Luftballonhaut. „Er liebt Trommeln, und das ist seine erste selbst gebaute“, sagt seine Mutter.

Instrumentenbau, Mitmachtheater, Bibelarbeiten, Spiel- und Bastelaktionen gehören zum Programm, das der Bremer Pastor Rolf Sänger-Diestelmeier und sein Team koordinieren. Dabei beteiligten sich Gruppen aus ganz Deutschland, sagt Sabine Wolter-John, Leiterin einer Kindertagesstätte und eine der Gastgeberinnen in der „Villa Ichon“.

Selbst die Prominenz schenkt den jüngsten Kirchentagsbesuchern Aufmerksamkeit. Der frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und ehemalige Kirchentagspräsident Reinhard Höppner (SPD) hat ihnen gemeinsam mit seiner Frau, Pastorin Renate Höppner, die Bibel ausgelegt. Sogar der höchste Repräsentant des Staates hat die Kinder am Mittwochabend auf ihrer Bühne in der Bremer Wallanlage besucht.

Begleitet von einer neugierigen Menschentraube bahnte sich Bundespräsident Horst Köhler den Weg nach oben. Ganz keck und mutig stellten ihm Florian, Rasmus, Dunia und Laura Fragen. Zum Beispiel, ob er selber Fußball spiele. Das müsse vor zwei Jahren gewesen sein, erinnerte er sich. Die Schulter tue ihm manchmal immer noch weh.

Johannes Reinholz ist von den großen Namen nicht beeindruckt. Der Elfjährige aus Ochtrup bei Münster will vor allem den Auftritt seiner Schulkameraden sehen, die ein Musical auf die Bühne bringen. Unter anderem auf einer großen Freiluft-Bühne in den Wallanlagen gehören die jungen Kirchentagsbesucher selbst zu den Stars von Theateraufführungen.

Johannes ist längst ein alter Hase in Sachen Kirchentag. An Köln vor zwei Jahren und Hannover vor vier Jahren kann er sich noch erinnern. Seine sechsjährige Schwester Judith ist in Bremen bereits das zweite Mal dabei. Mit ihren Eltern Petra Reinholz und Wolfgang Gerlach-Reinholz haben sie in einem Klassenraum der „Schule an der Admiralstraße“ Tische beiseitegeschoben, Feldbetten aufgebaut und die Schlafsäcke ausgebreitet.

Ihr Quartier gehört zu den „Familienschulen“, in denen während des Kirchentages Eltern mit kleinen Kindern unterkommen. Diese Quartiere sind an den Nachmittagen früher geöffnet als die übrigen, in die die Gäste oft erst in der Nacht zurückkehren. „Gar nicht nötig“, findet Johannes: „Ich bin in der fünften Klasse, da kann ich schon mal länger aufbleiben.“

Q: epd vom 22. Mai 2009